“Frauen, Leben, Freiheit!” (Jin, jiyan, azadî)

Das Mullah-Regime im Iran kriminalisiert seit Jahren systematisch die Selbstbestimmung von Frauen. Polizei und rechtliche Verordnungen engen Frauen gezielt immer weiter in ihrer Freiheit ein. In den letzten Monaten hat die iranische Regierung willkürlich Verhaftungen und gerichtliche Schikane gegen Aktivist:innen der Zivilgesellschaft, insbesondere Aktivist:innen der Frauenbewegung verstärkt, um diejenigen zum Schweigen zu bringen, die sich gegen systematische Diskriminierung und Unterdrückung aussprechen. Gleichzeitig nahm die Gewalt der sogenannten “Moral”-Polizeipatrouillen gegen Frauen immer weiter zu. Der Fall Jîna Mahsa Amini zeigt diese Willkür und die Brutalität in aller Härte. Infolge einer Festnahme durch die Sittenpolizei wurde sie einige Stunden nach der Festnahme ins Krankenhaus eingeliefert, wo sie ins Koma fiel und wenig später verstarb. Auf ihrer Beerdigung nahmen Frauen ihre Kopftücher ab und es kam zu weit verbreiteten Protesten in der Provinz Kurdistan. Diese kollektive Trauer um ein so früh und so ungerecht verlorenes Leben eskalierte zu landesweiten Protesten, bei denen Frauen an der Spitze jeder Demonstration standen. In den vergangenen Wochen wurden schätzungsweise 185 Menschen getötet, viele weitere wurden verhaftet und der Internetzugang wurde stark zensiert.

Wir, als junge Liberale, solidarisieren uns mit den Protesten und sind empört über den Tod von Jîna Mahsa Amini – und aller Menschen, die durch die repressiven und gewalttätigen Reaktionen der iranischen Regierung auf die Proteste ihr Leben verloren haben.

Deshalb fordern wir,

  • das Mullah-Regime dazu auf, die brutale Repression friedlicher Demonstrationen sofort einzustellen und alle politischen Gefangenen freizulassen.
  • die Bundesregierung auf, geschlossen Stellung gegen die Behandlung von Frauen im Iran zu beziehen.
  • Umgehend die Dokumentation der Menschen- und Frauenrechtsverletzungen durch UN-Organisationen, Mandatsträger:innen und weiterer unabhängiger internationalen Organisationen, damit eine spätere juristische Verurteilung möglich wird und Frauen- und Menschenrechtsverletzungen lückenlos aufgeklärt werden.
  • Eine Ausweitung der EU-Sanktionen auf „alle Personen und Organe des iranischen Regimes, die mit der Unterdrückung der aktuellen Proteste befasst, beziehungsweise an dieser beteiligt sind“ sowie die EU-weite Listung der sogenannten Revolutionsgarden und die Belegung ihrer Mitglieder mit Einreisesperren und Einfrieren von Vermögenswerten.
  • Keinerlei politische Zusammenarbeit mehr mit Lobbyist:innen des iranischen Regimes, weder auf kommunaler, noch auf Landes- oder Bundesebene.
  • den Erfolg der laufenden Atomverhandlungen an eine Besserung der Menschenrechtslage im Iran zu knüpfen. Im Einigungsprozess wurde der Islamischen Republik eine Aufhebung von Wirtschaftssanktionen in Aussicht gestellt. Dieses Geld würde nicht in den Ausbau von ziviler Infrastruktur fließen, sondern zur weiteren Destabilisierung der gesamten Region genutzt werden. Dies lässt der schrittweise Rückzug des Irans aus dem Abkommen in den letzten Jahren vermuten.
  • Zudem würdedie Wiederaufnahme der Verhandlungen dem aktuellen Verhalten des Regimes gegenüber seiner Bevölkerung auf internationaler Bühne eine politische Legitimation verliehen.
  • dass die iranische Zivilgesellschaft und Exil-Iraner:innen dringend und allumfassend in die Prozesse in Bezug auf den politischen Umgang mit dem Iran einbezogen werden. Hierbei müssen insbesondere Frauen und Angehörige von Minderheiten (ethnisch-religiöse Gruppen, Mitglieder der LGBTIQ+-Community sowie jegliche weitere diskriminierte Gruppen) miteinbezogen werden. Nur so können Maßnahmen ergriffen werden, die zielführend sind.
  • eine Wende in der Iran-Politik der Bundesregierung, die die Frauen- und Menschenrechte in den Fokus und nicht kurzsichtige Wirtschaftsinteressen über alle anderen Belange stellt. Nicht zuletzt ist dieser Aspekt im Koalitionsvertrag vereinbart worden durch die Verpflichtung zu einer feministischen Außenpolitik. Daraus folgend muss Deutschland aus der Zweckgemeinschaft „Instrument in Support of Trade Exchanges“ (INSTEX) zwischen Mitgliedstaaten der Europäischen Union und dem Iran auf unbestimmte Zeit aussteigen und sich dafür einsetzen, dass andere EU Staaten dies auch tun. Dies bedeutet auch, Verantwortung für Frauen, die im Iran verfolgt sind, Verantwortung zu übernehmen. Insbesondere dürfen sie nicht ausgewiesen werden und Asylanträge müssen schnell und unbürokratisch bearbeitet werden.

Corona: Raus aus der Pandemie

Während der letzten zwei Jahre bestand die Strategie gegen das Corona Virus hauptsächlich darin sich mehr oder weniger plan- und ziellos von Maßnahme zu Maßnahme zu hangeln. Damit muss Schluss sein. Für die Jungen Liberalen Niedersachsen ist klar, dass für jeden, der, ob selbstverschuldet oder nicht, an SARS-CoV-2 erkrankt, eine intensivmedizinische Behandlung möglich sein muss, hieran muss sich die Politik orientieren. Wir halten allerdings Maßnahmen nur dann für angemessen, wenn diese unabdingbar sind, um dies zu gewährleisten, alles, was darüber hinaus geht, lehnen wir als unverhältnismäßigen Eingriff in die persönliche Freiheit ab.

In den letzten Wochen sind die Infektionszahlen aufgrund der Ausbreitung der Omikron-Variante stark angestiegen. Gleichzeitig ist die Belastung der Intensivstationen nach wie vor stabil und auch die Belastung auf den Normalstationen nur moderat angestiegen. Eine Überlastung des Gesundheitssystems droht derzeit nicht. Daher sehen wir keinen Raum für Verschärfungen von Maßnahmen, sondern vielmehr die Notwendigkeit, die Maßnahmen schrittweise zu reduzieren und zum 20. März 2022 vollständig zu beenden.

Impfung:

Wir appellieren an alle, die sich noch nicht zu einer Impfung entschieden haben, dies doch noch in Erwägung zu ziehen und sich impfen zu lassen. Ziel muss es sein die Hemmschwelle sich impfen zu lassen zu senken und überwindbar zu machen, um so die Impfquote drastisch zu steigern. Eine Stigmatisierung bisher ungeimpfter Personen steht der Impfbereitschaft nur im Weg. Hausärztinnen und Hausärzte sollen deshalb proaktiv auf die Menschen zugehen und sie in regelmäßigen Abständen zu unverbindlichen Impfterminen einladen. Hiermit soll auch die Möglichkeit eines Beratungsgespräches über die Impfung durch externe Stellen verbunden sein. Das Land Niedersachsen soll für die entstehenden Kosten aufkommen und den hierfür notwendigen Impfstoff zur Verfügung stellen. Um insbesondere im ländlichen Raum mehr Menschen zu erreichen, setzen wir uns außerdem für den verstärkten Einsatz mobiler Impfteams ein. Ungeimpfte Personen und Risikogruppen sollen hierbei priorisiert werden. Gleichzeitig müssen Hürden, die Menschen bisher davon abhalten eine konkrete Impfentscheidung zu treffen, wie etwa Sprachbarrieren, fehlende Internetanbindung oder ein mangelndes Informationsangebot, weiter abgebaut werden.

Maßnahmen:

Auf dem Weg zurück zur Normalität müssen sich die ersten Lockerungen vor allem an junge Menschen richten, die bisher stark unter den Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie gelitten haben. Konkret fordern wir, dass die Kontaktbeschränkungen für Geimpfte, Genesene und Minderjährige aufgehoben werden. Auch sollen Minderjährige von der 2G-Regel ausgenommen werden. In den Schulen soll schnellstmöglich wieder Normalität herrschen. Wandertage und Klassenfahrten sollen wie gewohnt stattfinden. Die Universitäten sollen zurück zur Präsenzlehre. Schließlich sollen Clubs und Diskotheken zügig öffnen dürfen. Bei einer drohenden Überlastung des Gesundheitssystems sollen adäquate Maßnahmen getroffen werden.

Als weitere vorbeugende Maßnahme und zum Monitoring muss der Prozentsatz an sequenzierten Virusproben erhöht werden, weiter an verbesserten Impfstoffen geforscht werden und auch die Folgen einer Infektion müssen weiter untersucht werden.

Kein Kicken in Katar – WM Boykott 2022

Die Fußballweltmeisterschaft 2022 in Katar ist eine sehr kontroverse Sportveranstaltung. Fußballstadien wurden mit moderner Sklavenarbeit errichtet, Homosexualität ist verboten, Menschen – und insbesondere Frauenrechte werden in Katar mit Füßen getreten. Eine Ausrichtung der Fußball WM verstößt nicht nur gegen die eigenen Statuten der FIFA, sondern vor allem gegen unsere liberalen Grundwerte.

Daher fordern die Julis Niedersachsen:

  •  Den Boykott der Fußballweltmeisterschaft 2022 seitens der deutschen
     Nationalmannschaft. Der DFB soll keine Spieler zur WM entsenden.
  •  Einen Boykott der WM durch deutsche Politiker und diplomatische Vertreter.

Die öffentlichen Medien sollen zudem auf eine Übertragung der WM-Spiele in Katar verzichten, da eine Berichterstattung nicht mit dem Auftrag eines schlanken, demokratiefördernden ÖRR einhergehen würde. Zeitgleich zur WM soll stattdessen durch die öffentlich rechtlichen Medien umso intensiver auf die gravierenderen Menschenrechtsverletzungen hingewiesen werden.

Des Weiteren setzen wir uns dafür ein, bei der Vergabe zukünftiger, ähnlicher Sportveranstaltungen, ausschließlich menschenrechtsgewährleistende Nationen in die Auswahl zu nehmen.

Welcome to the JuLiverse – Austausch und Kollaboration durch Online-Kommunikationsplattform fördern

In einer modernen Wissensgesellschaft werden Lösungen für wesentliche Herausforderungen in interdisziplinären, agilen und kreativen Teams entwickelt. Das Zusammenbringen der Akteurinnen und Akteure mit vielfältigen Hintergründen ist dabei grundlegend für den Austausch und die innovative Kollaboration. Als zukunftsorientierte Jugendorganisation wollen wir daher unseren Mitgliedern zusätzlich zu den etablierten Beteiligungsstrukturen im Landesverband neue digitale Möglichkeiten anbieten, um Initiativen der Mitglieder über die Grenzen von Kreisverbänden oder Landesarbeitskreisen hinaus einfacher einen Raum zu eröffnen.

Darum bittet der Landeskongress den geschäftsführenden Landesvorstand zu prüfen, welchen Beitrag eine eigene Online-Kommunikationsplattform der Jungen Liberalen Niedersachsen für die Mitgliederbeteiligung und digitale Kollaboration leisten kann.

In einem strukturierten Verfahren soll der geschäftsführende Landesvorstand zuerst ermitteln, ob die Mitglieder einen Bedarf für eine solche digitale Kommunikationsplattform sehen. Anschließend soll dann ggf. geprüft werden, wie eine solche Plattform technisch bereitgestellt werden kann. Für die Bewertung sollen insbesondere die Kriterien Usability, Finanzen sowie Datenschutz herangezogen werden.

Der Landeskongress bittet den geschäftsführenden Landesvorstand auf dem nächsten Landeskongress im Herbst um einen ersten Zwischenstandsbericht. Bis dahin soll der geschäftsführende Landesvorstand den erweiterten Landesvorstand regelmäßig informieren.

Den Arbeitnehmer vor der SPD beschützen.

Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 03.02.1995, zuletzt auf Initiative der SPD ergänzt um den Artikel I vom 21.02.2017, ist umgehend auf den Stand vor dem 21.02.2017 rückabzuwickeln. Dies soll geschehen, bis eine funktionierende Regelung zur Überlassungsdauer und dem Prinzip des equal pay gefunden wurde.

Liberale Leitlinien einer neuen Arbeitswelt

Die Digitalisierung verändert die Welt. Vernetzung und Industrie 4.0 und die immer weiter voranschreitende Globalisierung sind nur einige Aspekte. Die Gesellschaft wandelt sich immer mehr zu einer Wissensgesellschaft. Für viele Arbeitnehmer wird die Work-Life Balance zunehmend wichtiger. Für uns gilt: Innovation ist Fortschritt, wenn sie dem Einzelnen dient.

Einer liberalen Arbeitswelt sollten aus der Sicht der Jungen Liberalen daher Selbstständigkeit, Teilhabe, Flexibilität und Freiheit zu Grunde liegen. Nutzen wir die Chancen die sich bieten und packen wir die Herausforderungen an.

Die Jungen Liberalen Niedersachsen fordern:

  • Freiheit und Selbstbestimmung sind die Grundpfeiler in einer modernen Arbeitswelt. Schaffen wir die gesetzlichen Grundlagen für eine digitale Arbeitswelt. Dafür sind unter anderem das Betriebsverfassungsgesetz anzupassen und das Datenschutzrecht anzupassen.
  • Schaffen wir mehr Möglichkeiten einer flexiblen Arbeitsgestaltung. Dafür fordern wir eine grundlegende Reform des Arbeitszeitgesetzes, den Ausbau von Langzeitkonten und eine Anpassung der Arbeitsplatzvorschriften. Arbeitsformen wie Coworking oder Homeoffice müssen besser anerkannt werden.
  • Der Netzausbau ist weiter voranzutreiben. Gerade ländliche Regionen dürfen hier nicht abgehängt werden.
  • Schaffen wir ein Bildungssystem 2.0, in dem ausreichend Angebote der beruflichen Weiterbildung geschaffen werden und die selbst organisierte Fortbildung besser gefördert wird.
  • Entwickeln wir eine neue Gründerkultur. Führen wir Debatten rund um Selbstständigkeit und das Gründen chancenbezogen. Schaffen wir gleichzeitig gesellschaftliche Akzeptanz, wenn ein Gründer mal scheitert
  • Schaffen wir die Rahmenbedingungen für eine sinnvolle Gründungsförderung. Ermöglichen wir ein bürokratiefreies erstes Jahr für Start-Ups. Erleichtern wir die Möglichkeiten Wagniskapital einzuwerben. Stärken wir neue Finanzierungsformen wie das Crowdfunding. Führen wir bundesweit ein breit angelegtes Gründerstipendium ein und geben wir Studierenden die Möglichkeit eines Urlaubssemesters für die Unternehmensgründung.
  • Verbessern wir die Bedingungen für Selbstständige und freiberufliche Unternehmer. Auf freiwilliger Basis soll der Zugang zur Arbeitslosenversicherung ermöglicht werden. Der Zugang zur gesetzlichen Krankenversicherung soll fairer werden.
  • Digitalisieren wir die Sozialversicherungssysteme. Der Zugang und die Förderung zur privaten Altersvorsorge soll verbessert werden. Hierbei ist insbesondere auf Transparenz und ein breites Anlageportfolio zu achten. Die Betriebliche Altersvorsorge soll gestärkt werden, dazu soll sie portabler werden. Eine Doppelverbeitragung soll es nicht mehr geben. Führen wir eine verpflichtende Basisaltersabsicherung mit Wahlmöglichkeiten für Selbständige ein.
  • Machen wir die digitale Revolution zum Aufstiegsversprechen. Bauen wir digitale Bürgerservices aus und bürokratische Hemmschwellen ab. Erleichtern wir eine berufliche Umorientierung oder einen beruflichen Neuanfang und vernetzen wir die verschiedenen sozialen Leistungsträger.

Dürrehilfe? Nein danke! Für eine steuerfreie Risikorücklage.

Einmalige staatliche Hilfsgelder in wirtschaftlich schwierigen Zeiten lehnen wir ab. Stattdessen sollte das Motto „Hilfe zur Selbsthilfe“ heißen.

Wir sind für eine steuerfreie Risikorücklage, die Unternehmen aufbauen können. Dazu werden Einlagen auf das Rücklagenkonto als betriebliche Ausgabe gebucht. Sollte Geld von diesem Konto wieder im Unternehmen verwendet werden, wird dieses zuvor als Einnahme verbucht. Maximal dürfen 35 % des durchschnittlichen Umsatzes (der letzten fünf Jahre eines Unternehmens) gebildet werden. In einem Wirtschaftsjahr dürfen nicht mehr als 10 % des Umsatzes im jeweiligen Jahr auf das Rücklagenkonto gezahlt werden. Jegliche private Entnahme des Geldes von diesem Konto wird normal versteuert. Diese Regelung sollte für alle Unternehmen gelten.

Kondome sind keine Luxus

Ergänzend zur derzeitigen Beschlusslage sollen auch Kondome dem ermäßigten Mehrwertsteuersatz von 7% unterliegen.

Pflege reformieren – mit sinnvollen Lösungen dem Fachkräftemangel begegnen

Präambel

Pflegeberufe zählen in Deutschland nicht nur zu den wichtigsten, sondern auch zu den anspruchsvollsten Berufen. Wir Junge Liberale setzen uns dafür ein, diese Umstände politisch wie gesellschaftlich anzuerkennen und würdigen jede/n, die/der sich dafür entscheidet, einen Pflegeberuf zu ergreifen.

Wir sind der Meinung, dass der Pflege deutschlandweit nicht die Aufmerksamkeit zukommt, die sie verdient. Die Möglichkeit, zum Pflegefall zu werden, besteht für jeden Menschen oder einen seiner nahen Angehörigen und angesichts unserer alternden Bevölkerung wird die Anzahl Pflegebedürftiger weiterhin steigen, während die entsprechenden Arbeitsressourcen durch den demografischen Wandel knapper werden.

In diesem Zusammenhang begrüßen Wir Junge Liberale das neue Pflegesofortprogramm des Bundesgesundheitsministeriums dahingehend, dass es die Debatte um den Pflegenotstand in Deutschland neu angestoßen hat, setzen uns aber für sinnvolle Lösungen anstelle von Symbolpolitik ein.

Der Kern der Probleme in der Pflege liegt ganz klar im Fachkräftemangel. Der Pflegeberuf gilt in Deutschland vielen als unattraktiv, was daran liegt, dass er es in den meisten Fällen schlichtweg ist. Nicht nur eine mitunter unangemessen niedrige Bezahlung und (familien-) unfreundliche Arbeitszeiten schrecken Menschen ab, die in Erwägung ziehen, beruflich in den Pflegebereich zu gehen. Die allgemeinen Arbeitsbedingungen sind durch die chronische Unterbesetzung von übermäßigem Arbeitsaufwand, enormem Zeitdruck und hoher Stressbelastung gekennzeichnet. Als Folge leiden immer mehr Pflegekräfte an Burn-out und ähnlichen Erscheinungen oder steigen sogar aus dem Beruf aus, was die Situation noch weiter verschärft. Um hier echte Verbesserungen zu schaffen, braucht es grundlegende Veränderungen.

Eine unbesetzte Stelle ist keine Stelle

Unzureichend erscheint dabei aber die Schaffung 13.000 neuer Stellen in der Pflege, wenn bereits heute in Deutschland 35.000 Stellen unbesetzt sind.

Auch Personaluntergrenzen werden die Pflegesituation nicht verbessern, wenn der Arbeitsmarkt leergefegt ist. Zum Zwecke der Patientensicherheit und Motivation, mehr Personal einzusetzen, Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen mit einer Kürzung der Mittel zu drohen, wenn sie nicht genug Stellen besetzen können, erscheint in diesem Zusammenhang als eine unzureichende Maßnahme, die die falschen bestraft und das Problem des Fachkräftemangels nicht lösen wird.

Entlastung durch Digitalisierung

Wir begrüßen die geplanten Investitionen in Digitalisierung, wie zum Beispiel den Ausbau der Telemedizin. Auch die damit verbundenen Pläne zur Entbürokratisierung finden wir gut, da damit eine Entlastung der Fachkräfte in der Pflege und eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen einhergehen. Wir fordern eine schnelle und effektive Umsetzung.

Pflegenachwuchs fördern – Ausbildung erleichtern

Um mehr Pflegekräfte zu gewinnen, müssen wir auch überprüfen, wo die Bedingungen der Ausbildung verbessert werden können. Dazu fordern wir eine Abschaffung der Schulkosten für alle Auszubildenden, dies schließt auch die Ausbildung zur Pflegehilfskraft ein.

Die mit der Ausbildungsreform ab 2020 greifende generalistische Ausbildung mit Spezialisierungsmöglichkeit im dritten Jahr begrüßen wir, da wir hier eine Anpassung an veränderte Bedingungen in der Pflege sehen und die noch steigenden Anforderungen an fachübergreifende Kompetenzen berücksichtigt werden.

Wir möchten zudem die Zugangsvoraussetzungen für die Ausbildung zur Pflegefachkraft senken, sodass ein guter Hauptschulabschluss zukünftig ausreicht, sofern der Bewerber die entsprechenden persönlichen Fähigkeiten mitbringt.

Auch wollen wir Ausbilder auffordern, vermehrt an allen Schulen zu werben und junge Menschen auf den Pflegeberuf aufmerksam zu machen.

An Gymnasien muss zudem vermittelt werden, dass es durch diverse Pflegestudiengänge auch akademische Wege in eine Karriere in der Pflege gibt.

Zuwanderung als Chance

Im Kampf gegen den Fachkräftemangel müssen auch Zugewanderte eine Rolle spielen. Dabei sollen eigentlich abgelehnte AsylbewerberInnen, die bereits eine anerkennbare Qualifikation in einem Pflegeberuf haben, grundsätzlich nicht abgeschoben, sondern in der Pflege eingesetzt werden, wo sie dringend gebraucht werden. Voraussetzung dafür sind allerdings Sprachkenntnisse auf Niveau B1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen. Liegen diese nicht vor, müssen die ausländischen Fachkräfte umgehend entsprechend gefördert werden.

Eine Aufnahme von Aufenthaltsgenehmigungen speziell für Pflegeberufe ins Einwanderungsgesetz lehnen wir jedoch ab, da wir glauben, dass ein effektives neues Einwanderungsgesetz Sachverhalte wie diesen umfassend für alle Fachkräfte sinnvoll aufnehmen kann und sollte.

AsylbewerberInnen, die Interesse bekunden, eine Ausbildung in einem Pflegeberuf in Deutschland zu beginnen, sollten in ihrem Wunsch unterstützt und schnell vermittelt werden. Ohne dabei grundsätzlich einen Missbrauch des Asylsystems zu unterstellen, gelten hierbei allerdings die Motivation und menschlichen Fähigkeiten eingehend zu prüfen, um sicher zu stellen, dass das persönliche Interesse der Bewerber der Arbeit an sich mindestens ebenso wie einer Aufenthaltsgenehmigung gilt.

Unterstützung von allen Seiten

Auch Anreize für Teilzeitkräfte zu schaffen, wenige Stunden in der Woche mehr zu arbeiten, begrüßen wir. Ein erster Schritt ist hier ein ausgebautes Betreuungsangebot für Kinder, um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu verbessern. Zudem kann eine höhere Vergütung der zusätzlichen Stunden hier ein Instrument sein.

Schließlich kann nicht nur die Mobilisierung von Fachkräften kann in der Pflegesituation Belastungen abbauen. Auch das ehrenamtliche Engagement kann eine Entlastung im Berufsalltag der Pflegekräfte bedeuten und verdient hohe Anerkennung. Wir junge Liberale schätzen dies und möchten an dieser Stelle jeden würdigen, der ohne finanzielle Gegenleistung als Stütze den Pflegekräften beiseite steht. Dabei ist natürlich stets der gesetzliche Rahmen einzuhalten und die Sicherheit der Pflegebedürftigen nicht dadurch zu gefährden, dass Ehrenamtliche angesicht der Überlastung der qualifizierten Kräfte unbefugte Arbeiten dieser übernehmen.

Mut zu neuen Lösungen

Wir begrüßen die Aktion Konzertierte Pflege der Bundesregierung und hoffen, dass die beteiligten Akteure und Arbeitsgruppen zu weiteren Lösungen kommen werden. In diesem Zusammenhang wünschen wir uns eine gute Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation nach außen. Gleichermaßen erwarten wir von allen Bürgerinnen und Bürgern, dass sie die Entwicklungen in der Gesundheitspolitik ebenso kritisch wie respektvoll begleiten und sich nicht durch Stimmungsmache zu fehlerhaften Pauschalisierungen hinreißen lassen. Die Aufgabe, Lösungen für die Pflegesituation zu finden ist keine leichte und erfordert eine ganzheitliche Betrachtungsweise, die auch unkonventionelle Ideen zulassen muss.