April 2020: C wie… Jacinda

#womenpreventcovid19 – Was nach einer solidarischen Motivationsbewegung auf Instagram klingt, war in der Realität eine Kampagne des malaysischen Frauen- und Familienministeriums.  Der Beitrag sprach Empfehlungen aus, wie Frauen sich während des Lockdowns zu verhalten haben, damit sich ihre Ehemänner auch wirklich an die Ausgangsbeschränkung halten würden. Ausdrücklich wurde darauf hingewiesen sich stets zu schminken, Businesskleidung anzulegen und den scheinbar sehr unvernünftigen und oberflächlichen Ehemann bloß nicht mit „sarkastischem“ Unterton um Hilfe im Haushalt zu bitten. Der Bürgermeister von Osaka (Japan) setzte demgegenüber auf Empfehlungen für Männer: Ab jetzt sollten die Männer den Lebensmitteleinkauf übernehmen und einfach das kaufen, was ihre Frauen ihnen auftragen. Denn die Frauen selbst würden zwischen den Produkten abwägen und dadurch zu lange im Geschäft bleiben.

 

Frauen in der Politik

#womenpreventcovid19… Wie ein erfolgreicher Kampf gegen das Corona-Virus tatsächlich aussehen kann, zeigen aktuell die Regierungschefinnen von Neuseeland, Taiwan, Finnland, Dänemark, Norwegen und Island. Mit kreativen, auffälligen Maßnahmen zählen ihre Länder zu den Fortschrittlichsten. In Taiwan führte ein Zusammenspiel von 124 Maßnahmen im Januar zu einer Verhinderung des Lockdowns. Sanna Marin (Finnland) fuhr eine Aufklärungskampagne, die nicht nur gängige öffentliche Medien, sondern auch Instagram-Influencerinnen und -Influencer initiativ einband. Früh isolierte sie die Hauptstadt vom Rest Finnlands und fährt nun eine entscheidungsstarke, außenpolitische Blockadehaltung gegen China. Erna Solberg (Norwegen) fiel vor allem durch ihre rührende Pressekonferenz für Kinder auf und präsentierte bereits Anfang April einen Zeitplan für Lockerungen, um die Freiheitsbeschränkungen planbar und absehbar zu machen. Zu diesem Zeitpunkt führte die schnelle Reaktion auf das Virus im März von Mette Frederiksen bereits dazu, dass in Dänemark die Kindergärten und Grundschulen wieder öffnen konnte. Und auch Katrin Jakobsdottirs (Island) Vertrauen auf das umfangreiche Testen von 13% der Bevölkerung bei 7% Infizierten zahlte sich aus: Island meldet seit Ende des Monats keine Neuinfektionen mehr und versorgt die Welt darüber hinaus mit Studien zur vermeintlichen Trägerschaft von Kindern.

Nicht zu vergessen ist unser leuchtender Stern am Himmel: Jacinda Ardern aus Neuseeland. Noch im Wahlkampf wurde eine landesweite öffentliche Diskussion geführt, ob eine Frau mit Kinderwunsch den Aufgaben einer Premierministerin zeitlich und emotional gerecht werden könnte. Sie wurde die zweite Regierungschefin weltweit, die im Amt ein Kind bekam und die erste, die mit einem Neugeborenen an der UN-Generalversammlung teilnahm. In ihre 2 ½-jährige Amtszeit fiel der rechtsextremistische Christchurch-Anschlag, nach dem sie innerhalb von wenigen Tagen im Rahmen eines demokratischen Prozesses eine Reform des Waffenrechts durchsetzte und eine globale Initiative gegen terrorostische Inhalte im Netz anstieß. In ihrer kurzen Amtszeit erfüllte sie ihr Wahlkampfversprechen Abtreibungen zu legalisieren, etablierte weltweit das erste Wellbeing-Budget, legalisierte Cannabis zum medizinischen Gebrauch und initiierte ein Referendum zur Legalisierung als Freizeitdroge. Sie gilt als bekanntestes neuseeländisches Oberhaupt seit jeher und nutzt ihre öffentliche Präsenz für Kritik an Trump oder Xi Jinping.

In der Corona-Krise reagierte sie schnell und überlegt. Bei einem Stand von nur 102 Infizierten schottete Neuseeland die Grenzen ab und führte vierwöchige Ausgangsbeschränkungen ein – obwohl das Land stark vom Tourismus abhängig ist. In der Mitte der Krise erklärte Jacinda Ardern aus Solidarität die 20%ige Kürzung ihrer Besoldung, der Besoldung von Ministern und Ministerinnen und von hohen Staatsbediensteten, die nicht in systemrelevanten Bereichen tätig sind. Von zuhause aus beantwortet sie in Live-Videos Fragen, die sie aus der Bevölkerung erreichten. Fürsorglich richtete sie sich dabei auch an Kinder, indem sie erklärte, der Osterhase sei ein systemrelevanter Arbeiter und dürfe selbstverständlich an Ostern arbeiten. Nach fünf Wochen gab es nur noch eine bestätigte Neuinfektion: „Wir haben diesen Kampf gewonnen“ – und die Welt staunt.

Ja, diese Frau verdient unseren lautstarken, unbedingten Applaus. Und ja, auch die anderen erwähnten Regierungschefinnen – man mag von ihren übrigen politischen Positionen halten, was man will – haben für ihr Verhalten in der Corona-Krise unsere Anerkennung verdient.

Diese sechs Frauen stechen neben Bolsonaro, Trump, Ortega & Co als Hoffnungsschimmer heraus. Sie prägen neue empathische Führungsstile mit Risikoscheue und Teamfähigkeit. Sie sind inspirierende politische Rollenvorbilder, die es hervorzuheben gilt und die teilweise bereits einen beeindruckenden Weg hinter sich haben. Ihre sichtbaren Stärken entkräften Vorurteile derer, die ihnen diese Rolle als Frau nicht zugetraut haben. Entscheidend ist auch, dass diese sechs Frauen liberale, industrielle Demokratien anführen und größtenteils ein selbstbestimmtes Frauen- und Männerbild vertreten, das unseren liberalen Feminismus ausmacht.

 

Freiheit

Wie wichtig der Liberalismus im Feminismus ist, zeigt sich spätestens immer dann, wenn Freiheit genommen wird. So ist das absolute Abtreibungsverbot in Polen ein Angriff auf die liberal-feministische Annahme, dass Frauen über ihren Körper selbst bestimmen können müssen. Auch hierzulande tun sich durch die notwendigen und berechtigten Kontaktsperren Problemfelder auf, die sich erst mit der Aufhebung der jeweiligen Beschränkungen wieder klären werden. War die Liberalisierung der Prostitution in Deutschland 2001 von liberal-feministischen Stimmen erfolgreich eingefordert worden, ist die Tätigkeit seit Mitte März zum Zwecke eines höherrangigen Ziels verboten. Was aufgrund der Ansteckungsgefahr die einzig vernünftige Maßnahme ist, führte dazu, dass die Frauen in die Illegalität gedrängt worden sind. Knapp 80% der Prostituierten sind nicht registriert und haben keinen Anspruch auf Soforthilfen für Selbstständige. Die meisten von ihnen sind in Osteuropa geboren und haben durch die geschlossenen Grenzen keine Chance zurückzukehren. Manche stiegen auf die bei Weitem nicht ausreichend bezahlte digitale Sexarbeit um, viele jedoch möchten nicht im Internet auftauchen. Um sie vor der Wohn- und Obdachlosigkeit zu bewahren, lockerte die Bundesregierung das Übernachtungsverbot in Bordellen. Die meisten der Betroffenen schlafen nun an ihrem ehemaligen Arbeitsplatz. Einige entschieden sich dazu versteckt weiterzuarbeiten – die verschobenen Machtverhältnisse zwischen der zwingend auf das Geld angewiesenen Prostituierten und dem Freier, der „netterweise“ trotz Kontaktverbot erscheint, führten Berichten zu Folge zu billigen Preisen, Sex ohne Kondom und anderen üblicherweise nicht vorgenommenen Praktiken. Denn wie soll sich die Frau auf ihre Schutzvorschriften berufen können, wenn sie durch ihre illegale Tätigkeit selbst ein Bußgeld von bis zu 5000€ riskiert?

Als wäre das nicht genug, regen sich Stimmen, die die Chance sehen, Prostitution auch in einer Post-Corona-Zeit zu verbieten. „Geht doch. Man(n) kann ja schon mal üben“ twitterte eine SPD-Bundestagsabgeordnete als Reaktion auf das verhängte Verbot.

 

Wirtschaft

Für die „Zeit danach“ wird auch (aber natürlich nicht nur) der Wiederaufbau der Wirtschaft eine besondere Rolle einnehmen. Anfang des Monats wurden die Professorinnen Monika Schnitzler und Veronika Grimm von der Bundesregierung für den Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (besser bekannt als Wirtschaftsweisen) vorgeschlagen und vom Bundespräsidenten berufen.

Eine andere wirtschaftlich stark renommierte Frau verlor hingegen ihren Job: Jennifer Morgan, erste Frau an der Spitze eines DAX-Konzerns, hat nach nur sechs Monaten ihr Amt bei SAP niedergelegt. Ihr Co-Partner Christian Klein wird das Unternehmen von nun an alleine führen. Sie selbst äußerte sich zu der Beendigung der Zusammenarbeit nicht. Die offizielle Begründung von SAP lautete, dass in der Corona-Krise schnelle Entscheidungen vonnöten wären, die mit zwei Personen an der Spitze nicht möglich seien. Eine Rückkehr von Jennifer Morgan nach der Corona-Krise ist nicht geplant. Bei einer derart unstimmigen Begründung, einem stabilen Aktienkurs trotz Krise und gestiegenen Zufriedenheitswerten seitdem das Duo die Arbeit aufgenommen hat, darf sich SAP nicht wundern, dass die Entlassung Jennifer Morgans einen Beigeschmack erhält. Das ist schade für beide. Denn auch Christian Klein, der als jüngster Chef eines DAX-Unternehmens einen anderen Führungsstil als seine Vorgänger etablieren konnte, wirkt vom Aussichtsrat nur als geduldet, weil er der Mann des Duos war. Die Hintergründe der Entscheidung bleiben unklar.

 

Rechtsstaat

Ganz im Gegensatz dazu steht aktuell die Aufklärungsarbeit deutscher Gerichte. Sechs Jahre nach dem Völkermord an der jesidischen Bevölkerung im Irak steht weltweit erstmals ein IS-Kämpfer vor Gericht, der sich für seine Gräueltaten im Zusammenhang mit dem Genozid an Jesidinnen und Jesiden verantworten muss. Teil der Anklage ist die Versklavung einer jesidischen Frau und ihrer Tochter. Die Versklavungen, Zwangsverheiratungen und systematischen Vergewaltigungen jesidischer Frauen, teils vor den Augen ihrer Familienangehörigen, zeigen die frauenverachtende Herrschaftsordnung des IS in einer grausamen Dimension auf. Diese geschlechtsbezogene sexualisierte Gewalt beleuchtet die Anklagepraxis der Bundesanwaltschaft bislang nicht. Auch wenn selbstverständlich nur Delikte zur Anklage gebracht werden können, für die ein hinreichender Tatverdacht nachgewiesen werden kann, sieht auch der Tatbestand des Völkermords das Hinzufügen „schwerer körperlicher oder seelischer Schäden“ vor (§6 Abs. 1 Nr. 2 VStGB) und eröffnet damit die Möglichkeit die sexualisierten Verbrechen auch ohne Anklage einer Vergewaltigung zur Sprache zu bringen.

Doch nicht alle Frauen waren Opfer, manche waren auch Täterinnen des IS-Systems. In Celle wurde Anklage gegen eine IS-Rückkehrerin erhoben, die mehrere Frauen aus Deutschland in das IS-Gebiet geschleust haben soll. Sie soll eine entscheidende Rolle dabei gespielt haben, die Kämpfer mit Frauen zu versorgen, die gemeinsame Kinder im Sinne der IS-Ideologie erziehen und den Männern einen Rückzugsort bieten sollten. Wie auch schon in anderen Prozessen zu IS-Rückkehrerinnen stellt sich die Frage, wie groß der Anteil dieser Frauen am Funktionieren des Islamischen Staates war. Auch wenn ihnen die eigene Ideologie eine dem Mann untergeordnete Rolle zuweist, sorgen sie gerade mit ihrer widerstandslosen Unterwürfigkeit zu einer vermeintlichen Bestätigung dieser Geschlechterordnung. Auch (oder gerade) Frauen können Anti-Feministinnen sein.