Europäische Finanzpolitik für einen Europäischen Bundesstaat

Die Jungen Liberalen fordern einen Europäischen Bundesstaat. Dies erfordert neben tiefgreifenden institutionellen Reformen – Stärkung des Europäischen Parlaments, Mehrheitsentscheidungen in der Außenpolitik, Spitzenkandidatenprinzip für die Wahl der Kommissionspräsidenten bzw.-präsidentin, um nur einige zu nennen – auch eine Reform der Finanzpolitik. Denn ein Bundesstaat muss auch finanziell handlungsfähig sein. Deshalb fordern wir:

  • Qualifizierte Mehrheit: Das Prinzip der Einstimmigkeit im Rat der EU steht der Handlungsfähigkeit der Union in vielen Politikbereichen im Weg, so auch in der Finanz- und Haushaltspolitik. Auch hier wollen wir deshalb die qualifizierte Mehrheit einführen.
  • Flexibler Mehrjähriger Finanzrahmen: Wir wollen den Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) an die Wahlperiode des Europäischen Parlaments angleichen und flexibler gestalten. Künftig soll eine Umschichtung von Mitteln zwischen einzelnen Rubriken im EU-Haushalt möglich sein, ohne den MFR nachträglich ändern zu müssen.
  • EU-Eigenmittel: Wir wollen die EU zu einem Bundesstaat weiterentwickeln. In einem Bundesstaat muss jede staatliche Ebene über finanzielle Autonomie verfügen. Das heißt, sie muss die Erfüllung ihrer verfassungsrechtlich zugewiesenen Aufgaben durch eigene Einnahmequellen gewährleisten können, die unabhängig von höheren oder unteren Ebenen sind. Andernfalls droht – wie bereits in Deutschland der Fall – Verantwortungsdiffusion. Deshalb wollen wir einen eigenen Umsatzsteuersatz der Europäischen Union einführen, auf den die Steuersätze der Mitgliedstaaten addiert werden. Damit wird der EU-Anteil am Umsatzsteueraufkommen der Mitgliedstaaten aufkommensneutral abgeschafft. Um Bürokratie zu minimieren, muss die Besteuerungsgrundlage vollständig harmonisiert sein. Mindeststeuersätze für den nationalen Umsatzsteuersatz lehnen wir ab. Die Einführung des EU-Umsatzsteuersatzes darf keine Steuererhöhung durch die Hintertür sein, sondern muss aufkommensneutral erfolgen. Ebenso darf der EU-Umsatzsteuersatz nicht binnen kürzester Zeit erhöht werden. Denn obwohl die EU neue Aufgaben zu erfüllen hat, stehen bereits jetzt ausreichend Mittel zur Verfügung. Sie werden nur falsch eingesetzt. Bevor die Steuern erhöht werden können, müssen zunächst unnötige Subventionen abgebaut werden, daher soll die Einführung des EU-Umsatzsteuersatzes mit einem Moratorium für Erhöhungen verbunden sein. Das Moratorium gilt so lange, bis die Ausgaben für die Gemeinsame Agrarpolitik und die EU-Kohäsionspolitik um jeweils mindestens 80 % reduziert wurden. Das Moratorium ist in den EU-Verträgen zu verankern.
  • EU-Schuldenbremse: Eine nachhaltige Haushaltspolitik achtet die finanziellen Handlungsspielräume künftiger Generationen und verzichtet daher grundsätzlich auf Kreditaufnahmen. Dennoch kann eine Kreditaufnahme in außergewöhnlichen Notlagen in engen Grenzen erforderlich sein, um die staatliche Handlungsfähigkeit zu gewährleisten. Deshalb fordern wir die Verankerung einer gerichtlich überprüfbaren Schuldenbremse nach dem Vorbild des Grundgesetzes in den Verträgen. Damit hegen wir Rufe nach ständig neuen Schulden auf EU-Ebene ein und sichern zugleich die Handlungsfähigkeit der EU in Krisen.
  • Stabilitäts- und Wachstumspakt: Der Euro als gemeinsame Währung hat das wirtschaftliche Zusammenwachsen der Mitgliedstaaten befördert und neues Wirtschaftswachstum ermöglicht. Doch eine gemeinsame Währung erfordert auch gemeinsame Regeln, um die Staatsverschuldung zu begrenzen. Andernfalls entstehen für einzelne Mitgliedstaaten Anreize sich auf Kosten anderer Mitgliedstaaten zu verschulden oder die Stabilität der Währung wird gefährdet. Deshalb halten wir am Stabilitäts- und Wachstumspakt (SWP) fest und wollen verbindliche Kriterien für seine Aussetzung entwickeln. Um seine Durchsetzung zu verbessern, wollen wir den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) zu einem Europäischen Währungsfonds (EWF) weiterentwickeln und in den Verträgen verankern. Der EWF soll als unabhängige Institution über die Einhaltung des SWP wachen und Verstöße selbstständig sanktionieren. Im Krisenfall oder zur Vorbeugung von Krisen kann er Mitgliedstaaten mit Krediten unterstützen, die an konkrete Reformen gebunden sind. Eine Aussetzung des SWP soll künftig der Zustimmung von Parlament und Rat bedürfen. Das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Aussetzung des SWP soll vor dem EuGH auf Antrag eines Mitgliedstaates oder 25 % der Mitglieder des Parlaments überprüfbar sein.
  • Bankenunion: Die Insolvenz großer Banken birgt Risiken für die gesamte Volkswirtschaft. In der sozialen Marktwirtschaft dürfen diese Risiken nicht vergemeinschaftet werden. Deshalb wollen wir den Einheitlichen Abwicklungsmechanismus (Single Resolution Mechanism, SRM) konsequent anwenden und die Rettung insolventer Banken mit Steuergeld verbieten. Den Einheitlichen Aufsichtsmechanismus (Single Supervisory Mechanism, SSM) wollen wir von der EZB trennen. Zudem fordern wir eine Europäische Rückversicherung für nationale Einlagensicherungssysteme, die bei den Beiträgen strikt nach Risiko differenziert. Die EU-Mindeststandards für nationale Einlagensicherungssysteme wollen wir verschärfen.
  • Reform der Europäischen Zentralbank: Der Europäischen Zentralbank (EZB) soll ein Selbstwahlrecht ihres Direktoriums seitens des EZB-Rates eingeräumt werden. Darüber hinaus soll, um die Unabhängigkeit der EZB und ihres Rates zu wahren, und diesen vor politischer Einflussnahme zu schützen, die Unabhängigkeit der nationalen Zentralbankpräsidenten durch geeignete Instrumente gestärkt werden, beispielsweise durch ein Verbot der Wiederwahl nach einer Amtszeit. Schließlich fordern wir zur Sicherstellung einer stabilen Währungspolitik eine Erhöhung der Amtszeit des EZB-Präsidenten von bisher acht auf zehn Jahre.
  • Fairer und transparenter Steuerwettbewerb: Steuerwettbewerb ist essentiell für einen funktionierenden und lebhaften Föderalismus. Europäische Mindeststeuersätze oder Pflichten zur Einführung und Beibehaltung bestimmter Steuern durch die Europäische Union lehnen wir daher entschieden ab. Um Steuerwettbewerb fair und transparent zu gestalten, das heißt auf Steuersätze und nicht Steuerschlupflöcher auszurichten, von denen nur wenige große Unternehmen zu Lasten von kleinen und mittleren Unternehmen profitieren, können harmonisierte Bemessungsgrundlagen im Einzelfall erforderlich sein. Dies gilt aus unserer Sicht für die Körperschaftsteuer. Deshalb unterstützen wir die Schaffung einer Gemeinsamen Konsolidierten Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage (GKKB).