Ehrenmann im Ehrenamt

1. Gegen ein allgemeines Dienstjahr

Teile des politischen Spektrums in Deutschland versuchen sich aktuell wieder darüber zu profilieren, dass sie ein allgemeines Dienstjahr für Jugendliche fordern. Die Jungen Liberalen Niedersachsen lehnen eine solche Verstaatlichung eines Lebensjahres junger Menschen vehement ab. Aus unserer Sicht sollen hierdurch nur die Verfehlungen der Politik in Sachen Verteidigungs-, Pflege- und Ehrenamtspolitik der letzten Jahre auf dem Rücken der jungen Generation ausgeglichen werden. Allerdings werden die Personal- und Materiallücken z.B. in der Bundeswehr und der Pflege nicht durch unausgebildete und unmotivierte Zeitarbeitskräfte gefüllt. Im Gegenteil würden Dienstpflichtige nur eine kurzzeitige Entlastung, wenn nicht sogar eine Belastung der dauerhaften Arbeitskräfte in diesen Berufsgruppen darstellen, da ihre Ausbildung bzw. Einarbeitung nicht nur (Arbeits-) Zeit, sondern auch Geld und andere Kapazitäten kosten würde. Die Jungen Liberalen Niedersachsen fordern stattdessen eine adäquate Bezahlung und attraktive Ausbildungsgestaltung der entsprechenden Berufsgruppen, damit sich wieder mehr junge Menschen freiwillig dazu entscheiden solche Berufe zu ergreifen.

2. Stärkung des Ehrenamts

Weiterhin setzen wir uns für eine Stärkung von freiwilligen Engagement ein. Wir erkennen an, dass das Ehrenamt eine  tragende Säule der Alltags- und Freizeitgestaltung vieler junger Menschen darstellt. Gleichzeitig leisten ehrenamtlich Tätige einen wichtigen Beitrag zum Funktionieren unserer Gesellschaft und sollten entsprechend gewürdigt werden. In der heutigen Gesellschaft  bietet sich allerdings immer weniger Raum und Zeit dafür ein Ehrenamt wahrzunehmen. Besonders Jugendliche sind in ihrer Freizeitgestaltung sehr eingeschränkt und finden kaum die Möglichkeit ein Ehrenamt wahrzunehmen. Um das Ehrenamt zu stärken und attraktiver zu gestalten, sprechen sich die Jungen Liberalen Niedersachsen deshalb für folgende Forderungen aus:

2.1 Mehr Zeit für ehrenamtliches Engagement

Es muss im Alltag mehr Zeit für ehrenamtliches Engagement bzw. eine selbstbestimmte Freizeitgestaltung bleiben. Besonders wichtig ist für Schüler, Auszubildende und Studierende eine Anpassung der Unterrichts-, Arbeits- und Studienzeiten sowie eine Flexibilisierung des Ganztagsbereichs, damit die nicht für unterrichtliche Zwecke genutzte Zeit auch der Ausübung einem sozialen Amt gewidmet werden kann. Außerdem ist es für ein Ehrenamt unerlässlich, dass auch außerhalb von Unterrichts- und Studienzeiten Ansprechpartner bei Behörden angetroffen werden können. In diesem Zuge setzen sich die Jungen Liberalen Niedersachsen für die Einrichtung einer Koordinierungsstelle für das Ehrenamt auf kommunaler Ebene ein. So sollen sich ehrenamtlich Tätige bei Fragen und Problemen, die sich bei der Ausübung eines Ehrenamts ergeben, an eine hauptamtliche Person wenden können. Für das aktive Engagement im Vorstand oder in bestimmten Projekten eines Vereins soll außerdem die Möglichkeit einer vereinfachten Freistellung von Arbeit, Unterricht oder Studium bestehen.

2.2 Vorteile durch ehrenamtliches Engagement

Zusätzlich sollen für eine Ausbildung oder ein Studium förderliche Erfahrungen aus einer ehrenamtlichen Tätigkeit bei der Bewerbung um einen Ausbildungs- oder Studienplatz besonders berücksichtigt werden. Daneben soll in bestimmten Fällen außerdem die Möglichkeit bestehen, sich die Vorstandsarbeit oder das ehrenamtliche Engagement in bestimmten Projekten für Module innerhalb der Ausbildung bzw. des Studiums selbst anrechnen zu lassen. Auch die BAFöG-Bezugsdauer soll durch nachgewiesenes ehrenamtliches Engagement des Empfängers verlängert werden können. Dabei soll die bereits existierende Regelung von hochschulpolitisch aktiven Studierenden adaptiert werden. Um Missbrauch zu vermeiden, müssen die Stunden über die Ausübung des Ehrenamtes entsprechend nachgewiesen werden. Der Antrag soll durch ein einfaches Formular erfolgen.
Politische Ehrenämter sind von dieser Regelung ausgeschlossen.

Da gerade durch Anfahrten zum Verein oder diversen Veranstaltungen in Verbindung mit dem Ehrenamt oft hohe Kosten entstehen, die nicht jeder Ehrenamtliche tragen kann, fordern die Jungen Liberalen Niedersachsen außerdem, dass ehrenamtlich Tätige grundsätzlich, so wie auch FSJler oder BfDler usw. Anspruch auf eine ermäßigte Fahrkarte für den ÖPNV haben. Fahrkarten, welche bis jetzt nur für Schüler der Sek I und II und Freiwilligendienstler bis zu einem bestimmten Alter gedacht sind, sollen auch für ehrenamtlich Tätige nutzbar sein. Außerdem fordern wir die Altersgrenze für Ehrenamtliche außer Kraft zu setzen.

Die hier geforderten Vorteile durch ehrenamtliches Engagement sowie die Möglichkeit der Nutzung einer Ehrenamtskarte o.Ä. sollen auf das Engagement in gemeinnützigen Vereinen beschränkt werden.

2.3. Heranführen an das Ehrenamt

Oft fehlt es dem Ehrenamt an Nachwuchs. Dem wollen wir entgegenwirken, indem wir junge Menschen frühzeitig an ehrenamtliches Engagement heranführen. So fordern wir bspw., dass an möglichst vielen weiterführenden Schulen einzelne Kurse oder sogar Bestandteile der Grundausbildung der Feuerwehr, des DRK, des THW usw. im Rahmen von Projekten, als Wahl(pflicht)fächer oder in Arbeitsgemeinschaften nach dem regulären Unterricht angeboten werden können. Daneben setzen wir uns dafür ein, dass für alle Schüler der SEK I – angelehnt an die Berufsorientierungstage – mindestens einmal im Laufe der SEK I ein Tag des Ehrenamts organisiert wird, in dessen Rahmen sich ehrenamtliche Vereine und Organisationen präsentieren und für sich werben können. Hierdurch wollen wir möglichst viele junge Menschen für das Ehrenamt begeistern und hierzu befähigen.

Inklusive Wohngemeinschaften!

Die Jungen Liberalen Niedersachsen fordern, dass landesweit Wohngemeinschaften eingerichtet werden, in denen Bürger gemeinsam mit Menschen mit Behinderung leben. Die jeweiligen Bürger wohnen, unter Berücksichtigung arbeitsrechtlicher Rahmenbedingungen (wie Urlaubsansprüche und Arbeitszeit), kostenlos in ihrer Wohngemeinschaft, während sie ihre Mitbewohner mit Beeinträchtigung betreuen. Es soll außerdem eine WG-Leitung geben, die vollständig als sonderpädagogischer Betreuer ausgebildet ist. Das Land Niedersachsen hat die Aufgabe die Kommunen bei den aufkommenden Kosten zu unterstützen. Die Wohngemeinschaft soll staatlich sein, um die anfallenden Kosten für die Miete zu decken. Die Bürger sollen sich für eine solche Wohngemeinschaft bewerben, es soll ein Auswahlverfahren stattfinden und es soll 7 Tage Zeit geben, um Probe zu wohnen. Es sollen spezielle Schulungen stattfinden, um die Qualifikation und die Kompetenz der Wohngemeinschaftsmitbewohner zu sichern.

Freie Arztwahl für Schwangere

Das grundsätzliche Recht der freien Arztwahl wird zurzeit durch die Regelung beeinträchtigt, dass die Betreuungspauschale für Schwangere (Gebührenordnungsposition (GOP) 01770 EBM) nur von einem Arzt pro Quartal abgerechnet werden kann. Dies erschwert einer Schwangeren den Arztwechsel erheblich und ist mit dem Grundsatz der freien Arztwahl unvereinbar. Insofern soll diese Regelung dahingehend geändert werden, dass bei einem Arztwechsel auch der neue betreuende Arzt oder eine eventuelle Vertretung die Pauschale abrechnen können.

Gehörlose dürfen nicht auf taube Ohren stoßen

Das Gehörlosengeld nach Vorbild aus Nordrhein-Westfalen, Brandenburg, Sachen-Anhalt, Sachsen und Berlin ist auch in Niedersachsen einzuführen. Die auszuzahlende Summe soll dabei anhand landesspezifischer Faktoren bemessen werden, sollte jedoch nicht unter dem nordrhein-westfälischen Satz fallen, um eine sinnvolle Nutzung sicherstellen zu können.

Auch Menschen mit Behinderung sollen Sparen dürfen!

Wir Jungen Liberalen Niedersachsen fordern den Freibetrag den Behinderte, die ein eigenes Einkommen haben und vom Staat Eingliederungshilfe erhalten, maximal Sparen dürfen abzuschaffen. Die Behinderten sollen kein Geld mehr abgeben müssen, welches Sie verdient und versteuert haben. Nur so kann eine angemessene private Altersvorsorge betrieben werden.

Des Weiteren soll das Sozialamt keine Abzüge von dem Nettolohn einfordern. Gleiches soll für Renteneinkommen, Mieteinnahmen sowie Kapitaleinkünfte gelten, sodass die Abgabenquote jener Einkommen nie höher ist als die eines nicht Behinderten.

BAföG-Verlängerung für pflegende Angehörige

Die Jungen Liberalen Niedersachsen fordern, eine Härtefallregelung zu schaffen, welche es Studenten, die pflegebedürftige Angehörige pflegen, erlaubt, eine Verlängerung des BAföG über die Regelstudienzeit hinaus zu erhalten.

Sozialer Aufstieg – Für eine Gesellschaft, in der jeder alles werden kann

I. Präambel

In einer liberalen Gesellschaft sollte jeder alles erreichen können – wenn er nur will. Faktisch erleben wir aber, dass die soziale Herkunft die Chancen auf Bildung, Verdienst und Möglichkeiten der freien Lebensentfaltung, immer noch zu stark beeinflusst. Damit wird in Deutschland nicht nur Potenzial verschenkt, das vor dem Hintergrund der Automatisierung der Wirtschaft dringend benötigt wird. Es wird auch unserem Anspruch an einen liberalen Staat nicht gerecht, in dem die Voraussetzungen für jeden geschaffen werden sollten, sich über Leistung seinen Status zu erarbeiten, unabhängig von Herkunft oder Bildungsstand der Eltern. Für uns als Junge Liberale ist dabei klar: Chancengerechtigkeit ist nicht gleich Ergebnisgleichheit. Es geht darum, dass jeder in unserer Gesellschaft die gleichen Startchancen hat.

Menschen, die den sozialen Aufstieg wagen, sehen sich einer Vielzahl von Herausforderungen gegenüber, die sie auf ihrem Weg begleiten. Hierbei spielt die Sozialisation in der Familie häufig eine große Rolle. Es fehlt an Vorbildern, an Bezugsformen und an Sicherheit im Umgang in anderen Milieus. In erfolgreichen Aufstiegsbiographien findet sich das Motiv des Dranges zur individuellen Weiterentwicklung und eine generelle Unzufriedenheit mit der eigenen Situation wieder. Umso weiter der Aufstieg auf der “sozialen Leiter” voranschreitet, umso mehr entfernten sich die Betroffenen von ihrem sozialen Herkunftsmilieu. Auf der Suche nach einer neuen sozialen Heimat, haben die Aufsteigenden häufig Probleme ihre eigene Identität zu definieren. Berührungspunkte zu Familie und Freunden nehmen ab, während im neuen Umfeld Menschen fehlen, die die gemachten Erfahrungen teilen. Hier müssen gesellschaftliche Weichenstellung erfolgen. Wir wollen daher Patenschafts-Programme, wie arbeiterkind.de weiter unterstützen und neue Mentoring Angebote schaffen.

Bereits frühzeitig können durch kulturelle Bildung Soft-Skills und Anknüpfungspunkte geschaffen werden. Wir sehen gerade Musik- und Kunstverständnis als Weg, um Brücken auf- und Barrieren abzubauen.

Wir Junge Liberale sehen eine gute Bildungspolitik, eine bessere Eingliederung in den Arbeitsmarkt und eine Aufwertung von Einrichtungen in sozialen Brennpunkten als entscheidende Maßnahme zu echter Chancengerechtigkeit. Nur so befähigen wir jeden Einzelnen, seine eigenen Ziele zu erreichen

II. Bildungsaufstieg

Wir wollen, dass  Kinder alles werden können – außer dumm. Deswegen ist beste Bildung die wichtigste Grundvoraussetzung für einen idealen Start in das Leben. 

Schon in jüngsten Jahren können die Grundsteine für die Zukunft gelegt werden. Auch schon in der Kita werden immer mehr Bildungsaufgaben (frühkindliche Bildung) wahrgenommen. Damit jeder im gleichen Maße profitieren kann brauchen wir deshalb die beitragsfreie Kita. Die beitragsfreie Kita ist dabei Aufgabe des Landes. Das Land muss als Finanzie auftreten.

Verpflichtende jährliche Sprachstandserhebungen in allen Kindertagesstätten sollen ermöglichen, dass Fördermaßnahmen für alle Kinder mit sprachlichen Defiziten durchgeführt werden können. Spätestens ein Jahr vor der Einschulung müssen auch Kinder, die keinen Kindergarten besuchen, an einer Sprachstandserhebung teilnehmen und im Falle von Defiziten an einer verpflichtenden Sprachförderung teilnehmen. In diesem Zusammenhang begrüßen wir das Programm “FIT in Deutsch” zur frühzeitigen Sprachförderung.

Wir vergessen dabei nicht, dass das Hauptziel des Kindergartens die Sozialisierung und das verbessern der Motorik durch spielen ist. Wir wollen die Kreativität fördern und Räume ermöglichen sich individuell zu entwickeln. Dabei ist uns wichtig, dass die bürokratischen Erhebungen nicht zu lasten der Qualität und dem Umfang der Betreuung geht.

Die Verpflegung in Kindertageseinrichtungen und in Schulen hat eine Vorbildfunktion beim Thema gesunder Ernährung, der zu oft nicht genügt wird. Wir fordern deshalb verbindliche Qualitätsstandards, die sich an den Vorschlägen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung orientieren.

Das Schulmittagessen soll dabei grundsätzlich für die Schüler kostenfrei sein. Die Mehraufwendungen sind vollständig durch das Land Niedersachsen zu tragen.

Das Schulstarterpaket wollen wir weiterentwickeln. Anstelle von zusätzlichen Geldleistungen sollen vermehrt Sachleistungen verteilt werden. Die Angebote der außerschulischen Lernförderung (Nachhilfe) sollen erweitert werden, sodass zukünftig nicht nur das “Erreichen der Lernziele” (idR die Versetzung), sondern auch die schulische Verbesserung ermöglicht wird. Den § 114 NSchG (Schülerbeförderung) wollen wir reformieren, sodass die notwendigen Beförderungskosten auf dem Schulweg grundsätzlich erstattungspflichtig sind, unabhängig von der Entfernung zur gewählten Schule. Ein ausreichendes ÖPNV Angebot ist zwingend bereitzustellen.

Die Unterrichtsqualität an allen niedersächsischen Schulen wollen wir verbessern. Schulgebäude müssen, wo notwendig, saniert und die Möglichkeiten der Digitalisierung genutzt werden. Zudem müssen mehr Lehrer eingestellt werden, um Unterrichtsausfall zu vermeiden, die Lehrerschaft zu entlasten und mittelfristig den Klassenteiler zu senken. Zuletzt unterstützen wir die landesweite Einführung von Schulgirokonten, über welche alle Zahlungen der Schulen abgewickelt werden sollen. Für Schulen soll das zugehörige Haushaltsjahr an das Schuljahr angepasst werden.

1. Grundschule

Die Grundschule ist das Fundament der deutschen Bildungslandschaft. Bereits hier gilt es, den Grundstein für eine erfolgreiche Bildungsbiographie zu legen.

Wir wollen, dass neben Grundlagen in der Allgemeinbildung, Mathe und Deutsch die Bildungsmotivation stärker in den Mittelpunkt rücken soll. Die Vermittlung von Soft Skills und die Stärkung des eigenen Selbstvertrauens sind die Basis für den späteren Bildungserfolg. Lehrer sollen nicht nur Fachexperten, sondern auch Bezugspersonen, Ansprechpartner und Motivationstrainer sein und gezielt Fördermöglichkeiten aufzeigen können.

Dazu fordern wir, dass mehr Schulsozialarbeiter an Grundschulen eingestellt werden. Außerdem sollten Grundschullehrer in ihrer Ausbildung oder in Fortbildungen besonders geschult werden, um Kinder aus sozial schwächerem Umfeld bestmöglich unterstützen zu können.

2. Weiterführende Schule

Der Übergang von der Grundschule auf eine weiterführende Schule ist die wohl selektivste Schwelle unseres Schulsystems. Untersuchungen belegen, dass Kinder aus einem sozial schwächerem Umfeld – trotz gleicher Leistung – deutlich seltener auf ein Gymnasium gehen.

Daher wollen wir, dass im 4. Schuljahrgang verpflichtende Beratungsgespräche zwischen Grundschullehrer, Erziehungsberechtigten und dem Schulkind im Sinne des § 59 Abs. 1 NSchG zur weiteren Schullaufbahn stattfinden. Hierbei sollen die Fähigkeiten und Interessen, das Arbeits- und Sozialverhalten und insbesondere die schulische Lernentwicklung des Kindes berücksichtigt werden.

Durch eine Orientierungsphase in der Klassenstufe 5, als Bindeglied zwischen der Grundschule und dem weiterführenden Angebot der Sekundarstufe I möchten wir den Schülern die Möglichkeit geben sich besser in ihrer weiterführenden Schule zurechtzufinden. Auch die Erziehungsberechtigten brauchen Zeit, sich mit der ihnen gegebenenfalls nicht vertrauten Lernumgebungen bekannt zu machen. Die Orientierungsphase soll der Überprüfung der Wahlentscheidung zur Schulform dienen. Zudem wollen wir einen flexibleren Schulwechsel zwischen den weiterführenden Schulformen ermöglichen, indem tatsächliche Zugänge eröffnet werden. Vor dem Hintergrund einer Internationalisierung des Arbeitsmarkt und um den Wechsel in einer späteren Klasse zu erleichtern fordern wir, dass ab der 6. Klasse das Erlernen einer zweiten Fremdsprache an allen Schulformen zum Pflichtfach wird.

Ferner ist es notwendig, die Digitalisierung als Absicherung vor Armut in die Mitte der Entwicklung zu stellen. Dringend erforderlich ist also eine Integration von digitalen und informationstechnischen Inhalten in die Lehrpläne. Algorithmik, Datenschutz, Big Data, künstliche Intelligenzen, Programmiersprachen und gesellschaftliche Risiken sind in die verschiedenen Unterrichtsfächer einzubinden. Ein Smartphone bedienen zu können, wird zukünftig keine ausreichende Grundlage mehr bilden. Es ist absehbar, dass zukünftige Arbeitsplätze nur unter Rücksichtnahme weitreichender IT-Grundkenntnisse noch zielführend und im internationalen Wettbewerb erfolgreich ausgeübt werden können.

Wir fordern ferner, dass insbesondere Oberschullehrer besonders sensibilisiert werden leistungsstarke Schüler zu unterstützen und zu ermutigen, es auf einer vermeintlich schwierigeren Schulform zu versuchen. Selbstzweifel von Schülern sollen hier direkt angesprochen werden und Perspektiven aufgezeigt werden. Auf Seiten der Lehrkräfte sollen Vorurteile gegenüber anderen Schulformen abgebaut werden, indem Praktika an den verschiedenen Schulformen Bestandteil der Lehramtsausbildung werden.

Das Erlernen sozialer und gesellschaftlicher Kompetenzen soll Schülern in Arbeitsgemeinschaften nach finnischem Vorbild ermöglicht werden. In solchen Kursen soll auch langfristiges Planen geübt werden. Mithilfe von Gastrednern aus Gesellschaft und Wirtschaft, die bspw. über ihren Bildungsaufstieg reden, kann die Motivation der Schüler durch Aufzeigen positive Vorbilder gestärkt werden.

Insbesondere wollen wir die Bildungschancen und das Leistungsniveau an Schulen in sozialen Brennpunkten verbessern und perspektivisch an das in Schulen außerhalb von sozialen Brennpunkten angleichen. Dazu müssen Brennpunktschulen anhand des gesamten sozialen Umfeldes definiert werden. Diesen Schulen soll vom Land jeweils ein eigenes Budget zur Verfügung gestellt werden, dessen Höhe über die Zahl der Schülerinnen und Schüler zu bestimmen ist. Damit können die betreffenden Schulen zusätzliches Personal, Material sowie externe Partner finanzieren. Voraussetzung für die Bereitstellung dieser zusätzlichen Mittel ist die Ausarbeitung eines eigenen Konzepts zur zusätzlichen Förderung der Schülerinnen und Schüler, um ihrem besonderen Förderbedarf gerecht zu werden und bestehende Leistungsunterschiede abzusenken. Die Landesregierung soll hierzu Leitlinien und Ziele definieren und eine umfassende Evaluation an den einzelnen Schulen über den Erfolg der ergriffenen Maßnahmen durchführen. Die jeweiligen Konzepte bedürfen der Genehmigung durch die Niedersächsische Landesschulbehörde. Die Landesschulbehörde überprüft regelmäßig den Förderbedarf dieser Schule – sich als notwendig erwiesene Maßnahmen werden weiterhin und dauerhaft finanziert, andere werden planbar zurückgebaut und an normale Zustände angepasst.

Durch Praktika wollen wir Schülern ermöglichen einen Einblick in das Berufsleben zu erhalten. Dadurch wollen wir insbesondere Handwerksberufe attraktiver machen und eine generelle Wertschätzung für Ausbildungsberufe schaffen. Des Weiteren wollen wir, dass an allen weiterführenden Schulen über alle Berufs- und Studienwege, beispielsweise über Universitätstage oder Jobmessen, und daran ansetzend über Finanzierungsmöglichkeiten informiert wird.

3. Universität

Der Zugang zur Universität darf aus Sicht der Jungen Liberalen nicht am Geldbeutel scheitern. Der Kostendruck und ein langes Studium ohne kurzfristig ein geregeltes Einkommen vorweisen zu können, sind nach wie vor Hemmnisse die junge Menschen aus nicht-akademischen Elternhäusern vom Studium abhält. Daher fordern wir, neben einem elternunabhängigen Bafög, eine Anschubfinanzierung für Studierende der ersten Generation in Form eines zinslosen Darlehens, das erst nach erfolgreichem Studium in Raten zurückgezahlt werden muss. Damit sollen die Kosten von Lernmaterialien, der Semesterbeitrag, die erste Miete und eine eventuell anfallende Kaution abgedeckt werden. Dieses System soll an die Bildungskredite angeknüpft werden. Finanzielle Lücken, wie sie durch eine zum Teile lange Bearbeitungsdauer von Bafög-Anträgen, Umzugskosten oder fällige Semesterbeiträge entstehen, können so ausgeglichen werden. Zudem besteht kein direktes finanzielles Risiko bei einem Scheitern im Studium.

Erwerbsarbeit neben dem Studium wollen wir erleichtern. Studierende, die einer Nebentätigkeit nachgehen, wollen wir entlasten, indem wir ihnen ermöglichen bis zu einem Einkommen in Höhe des Grundfreibetrags in der Familienversicherung zu verbleiben. Die Verdienstgrenze bei Minijobs soll dynamisch auf das 60-fache des Mindestlohns angehoben werden. Dazu muss die Anrechnungsgrenze des Bafögs (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 BAföG) signifikant erhöht werden.  Weiterhin sind Pflichtkurse im Studium weitestgehend abzuschaffen, um eine größtmögliche Flexibilität für die Studierenden  zu gewährleisten.

Studentische Initiativen, die in Projekten die Erstsemester-Studierenden betreuen und beratend zu Fragen rund um das Studium zur Seite stehen, wollen wir durch einen jährlichen Wettbewerb honorieren, bei dem die innovativsten Ansätze ausgezeichnet werden.

Außerdem wollen wir auf Stipendienprogramme – auch abseits der klassischen Elitenförderung – besser aufmerksam machen und hier für eine Erhöhung des Fördervolumens eintreten. Durch eine breit angelegte Begabtenförderung können mittelfristig das Bildungsverhalten und die Bildungsplanung positiv beeinflusst werden.

Zudem wollen wir die Möglichkeiten zur Erlangung der Hochschulzugangsberechtigung über die berufliche Vorbildung erleichtern.

4. Berufsausbildung

Wir Junge Liberale stehen für eine moderne berufliche Bildung. Für uns ist dabei klar, dass ein Meister so viel Wert sein soll wie ein Master.

Wir verstehen die erfolgreiche Absolvierung einer Berufsausbildung als Chance in ein selbstbestimmtes Leben. Die Ausbildung muss daher so attraktiv sein, sodass sie auch als Einstieg zum Aufstieg angesehen wird.

Wir setzen uns dafür ein, dass Wohnheimplätze auch für Auszubildende in Gebieten mit niedrigem Leerstand geschaffen werden. Wir wollen ein Angebot für ein freiwilliges Azubi-Semesterticket schaffen und ein Aus- und Weiterbildungs-Bafög einführen. Zudem soll die Ausbildung, da wo es möglich ist modularisiert werden, um auch Teilqualifizierungen zu ermöglichen. Dabei sollen Prüfungsleistungen von Studienabbrechern angerechnet werden können. Die duale Berufsausbildung wollen wir stärken. Daher fordern wir, dass Berufsschulen bestmöglich ausgestattet werden und mehr Fachpraxisunterricht stattfindet. Ausbildungsbegleitende Hilfeleistungen sollen von qualifiziertem Fachpersonal durchgeführt werden. Über bestehende Fördermaßnahmen soll besser informiert werden und finanzielle Hilfen sollen leichter zugänglich werden. Das Begabtenförderungswerk berufliche Bildung wollen wir besser ausstatten.

Zudem wollen wir die Möglichkeit schaffen einen qualifizierten Berufsabschluss über Berufserfahrung zu erlangen, wenn eine angemessene Zeit in einem Betrieb gearbeitet wurde ohne vorher eine formelle Berufsausbildung abgeschlossen zu haben.

III. Beruflicher Aufstieg

Als Liberale glauben wir, dass jeder Mensch Chancen verdient, sein Leben zu gestalten. Die derzeitigen Unterstützungsangebote für Arbeitssuchende und Arbeitslose sind allerdings unzureichend. Das System aus Sozialhilfe und Arbeitslosengeld wollen wir durch unsere Vision vom liberale Bürgergeld ersetzen. Auf dem Weg dahin wollen wir allerdings noch kurz- und mittelfristig Anpassungen am jetzigen System vornehmen.

1. Beratung und Qualifizierung

Wir wollen jedem im bestehenden System der Arbeitsagenturen, seinen Fähigkeiten nach eine passgenaue Beratung, Förderung und Qualifizierung ermöglichen.

In einem ersten Schritt sollen durch Eignungs- und Interessentest auf freiwilliger Basis die Qualifikationen, unabhängig von Schulzeugnissen, ermittelt werden. Die Ergebnisse stehen dann während der Beratungsgespräche zu einer individuellen Förderung als Orientierungshilfe zur Verfügung.

Zudem wollen wir, dass eine psychologische Beratung angeboten wird, um tieferliegende Probleme zu identifizieren und erforderliche Unterstützung anbieten zu können.

Weiterbildungsmaßnahmen, die im Endeffekt nur zur Beschönigung von Statistiken dienen lehnen wir ab. Wenn eine Fördermaßnahme durchgeführt wird, muss diese auf die Situation des Arbeitssuchenden passen. Es darf nicht bloß der Anspruch sein einen beliebigen Arbeitsplatz zu verschaffen, sondern das bestmögliche Angebot zu vermitteln. Auch nach der erfolgreichen Vermittlung soll eine weitere Unterstützung, wenn gewünscht, erfolgen. Wir wollen zusätzlich, dass auch Arbeitnehmer, die bereits in einem Beschäftigungsverhältnis sind, auf die Angebote der Arbeitsagentur zurückgreifen können. Das ausgeprägte Netzwerk der Agenturen soll hier zur Unterstützung bei der Suche nach einem besseren Job oder einem geeigneten Weiterbildungsangebot genutzt werden können, denn wir sehen in der berufliche Weiterbildung eine elementare Chance, um Karriereperspektiven zu eröffnen.

Das Problem Analphabetismus

In Deutschland gelten ca. 7,5 Millionen Menschen als funktionale Analphabeten. Diese Hürde an der gesellschaftlichen Teilhabe wollen wir bekämpfen.  Die Jungen Liberalen setzen sich für niedrigschwellige, kostenlose Lernangebote für Analphabeten ein und unterstützen die sogenannte “Dekade für Alphabetisierung”.

2. Motivation und Umfeld

Die beste Beratung kann nur funktionieren, wenn der Betroffene eine intrinsische Motivation zum Vorankommen hat. Eine hohe Motivation muss dann auf eine realistische Perspektive treffen. Gute Beratung zeigt deshalb auf, wie mit machbaren Maßnahmen in einem überschaubaren Zeitplan ein Aufstieg, in Form einer größeren Wohnung, eines geregelten Einkommens oder eines Urlaubs, erreicht werden kann. Konkurrenzsituationen mit Nachbarn, die nur durch Sozialleistungen einen ähnlichen Lebensstand haben wie der Erwerbstätige, müssen unbedingt vermieden werden.

Negative psychosoziale Folgen der Arbeitslosigkeit treten dann nicht ein, wenn Menschen davon ausgehen (können), dass sie bald wieder eine Arbeitsstelle finden werden. Deshalb sollte der Anreiz, dies durch Maßnahmen des “Förderns und Forderns” zu realisieren, aufrecht erhalten bleiben. Daher wollen wir das derzeitige Sanktionssystem, welches mangelnde Kooperation mit der Arbeitsagentur bestraft, beibehalten.

3. Bekämpfung von Erwerbsarmut

Der Wahlspruch “Leistung muss sich wieder lohnen” mag veraltet sein, ist in der Sache jedoch nach wie vor richtig. Wir Junge Liberale sind der festen Auffassung, dass derjenige der arbeitet am Ende mehr haben muss als jemand der von staatlichen Sozialleistungen lebt. Das heißt allerdings auch, dass wir einen überbordenden Niedriglohnsektor, der über ein “Sprungbrett in den Arbeitsmarkt”-Verhältnis hinausgeht, ablehnen. Wir wollen nicht, dass Menschen dauerhaft zu “Aufstockern” werden, die trotz Erwerbstätigkeit von staatlichen Sozialleistungen leben müssen.

Das wirksamste Mittel gegen Erwerbsarmut sind starke Gewerkschaften. Daher fordern wir die Abschaffung des Tarifeinheitsgesetzes, damit sich jeder Arbeitnehmer weiterhin seine Gewerkschaft aussuchen kann. Der Wettbewerb zwischen verschiedenen Gewerkschaften stärkt eine unabhängige Arbeitnehmervertretung. Aber auch Gewerkschaften müssen sich hier dem Wandel der Arbeitswelt anpassen und neue Modelle finden, wie sie mit der Entwicklung am Arbeitsmarkt umgehen. Keine Weiterentwicklung und das Beharren auf starren und veralteten Regelungen die an der Arbeitsrealität vorbei gehen, lehnen wir jedoch ab.  

Erwerbsarmut und Arbeitslosigkeit mindern sich durch starre Arbeitsmarktregeln nicht. Nach dem Vorbild Dänemarks fordern wir Flexicurity. Deshalb setzen wir auf einen flexiblen Arbeitsmarkt, frei von einem staatlich verordneten Mindestlohn. Stattdessen wollen wir den Grundfreibetrag auf mindestens 12.000 Euro im Jahr anheben. Den Kündigungsschutz wollen wir auf die Kündigungsfristen im BGB und das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) beschränken. Gleichzeitig bestehen wir aber auf eine faire Grundsicherung in Form des Liberalen Bürgergelds, zählen auf starke und selbstbewusste Gewerkschaften und setzen auf Qualifikation und Weiterbildung, um den beruflichen Aufstieg zu beflügeln.

Die Vermögensbildung muss auch für Geringverdiener einfacher werden. Dazu wollen wir die Einkommensgrenzen des § 13 VermBG anheben und den staatlichen Zuschuss in der Arbeitnehmersparzulage erhöhen. Gerade Kleinanleger sollen ermutigt werden, anstatt der Geldanlage auf dem Sparbuch, nach einer Beratung, auch an den Börsen zu investieren. Damit wollen wir eine neue Aktienkultur in Deutschland schaffen.

IV. Leben im Problemviertel

Das Aufwachsen und Leben in einem Problemviertel führt zu einer Vielzahl von weiteren Problemen. Eine räumliche Konzentration einkommensschwacher Haushalte führt häufig zu

Stigmatisierung des gesamten Wohnviertels und seiner Bewohner. Jugendliche eignen sich durch soziale Lernprozesse Verhaltensmuster an, die ihre Bildungschancen negativ beeinträchtigen, da positive Rollenvorbilder fehlen. Diskriminierungen bei Behörden oder potenziellen Arbeitgebern aufgrund der “falschen” Adresse sind denkbar. Hier wollen wir durch Quartiersarbeit, Baumaßnahmen und gezielte Kriminalitätsbekämpfung diese Viertel nachhaltig aufwerten.

1. Quartiersarbeit

Als eine Maßnahme gegen soziale Abschottung von Problemvierteln sehen wir eine kommunale Quartiersarbeit und -entwicklung. Quartiersarbeit hat zum Ziel das gesellschaftliche Leben im Quartier so zu gestalten, dass alle Menschen dort selbstbestimmt leben können. Wir fordern, dass in Kooperation mit den Bewohnern des Quartiers, mit Sozialarbeitern und der jeweiligen Stadtverwaltung unter größtmöglicher Transparenz lokale Probleme kleinteilig vor Ort gelöst werden.

So kann ein Gefühl von Empowerment und Mitbestimmung entstehen, welches die Bewohner motiviert auch weitere Aktionen selbstbestimmt durchzuführen. Ferner werden Beziehungen und soziale Netzwerke geschaffen, die den Zusammenhalt innerhalb eines Quartiers stärken.

In der Quartiersarbeit streben wir Kooperationen mit freien Trägern an.

2. Kriminalitätsbekämpfung

In sozialen Brennpunkten ist häufig auch eine gesteigerte Kriminalität zu beobachten. Hier wollen wir neben einer ausreichenden Polizeipräsenz vor allem an zwei Punkten ansetzen.

a. Prävention

In der Kriminalitätsprävention wollen wir uns nicht auf klassische Konzepte der Kriminalprävention durch Wertevermittlung, Sensibilisierung  und Verhinderung von Tatgelegenheiten beschränken.

Vielmehr sollen Ursachen, die sekundär zu Kriminalität führen, frühzeitig angegangen werden. Als Ursachen sehen wir hier zum einen Überschuldung und Alkohol- bzw. Drogenmissbrauch.

Daher fordern die Jungen Liberalen Niedersachsen, dass:

  • Schuldnerberatungsangebote leichter zugänglich werden. Zwar gibt es in der freien Wohlfahrtspflege oder in kommunalen Beratungsstellen bereits entsprechende kostenlose Angebote. Diese frühzeitig aufzusuchen ist für die betroffenen allerdings häufig mit einer Hemmschwelle verbunden. Daher wollen wir den Ausbau von anonymisierten Onlineberatungen, die von zertifizierten Beratern mit grundlegenden sozialarbeiterischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Kompetenzen durchgeführt wird. Auch in der ´Offline´-Beratung sollen Zugangsbarrieren durch bessere regionale Erreichbarkeit, flexible Beratungstermine, angepasste Sprache und eine grundlegend positive Marketingstruktur abgebaut werden. Eine erfolgreiche Überschuldungsprävention rechnet sich schlussendlich nicht nur für die Betroffenen, wenn bereits vor der Festigung einer finanziellen Schieflage beratend eingegriffen werden konnte.
  • Alkohol- und Drogenmissbrauch frühzeitig problematisiert wird. Der übermäßige Konsum von Alkohol steigert nachweislich die Risikobereitschaft, ungefähr jede vierte Gewalttat wird unter Alkoholeinfluss begangen. Hinzu kommt Beschaffungskriminalität. Gerade Jugendliche, die hier früh negativ polizeilich auffallen verbauen sich dadurch ihre Zukunftschancen. Daneben stehen nicht unerhebliche gesundheitliche Risiken, die zu Verelendung der Drogenabhängigen führen. Deshalb wollen wir eine niedrigschwellige Drogenhilfe als offene Kontakt- und Anlaufstelle und Ausstiegsberatung. Dazu wollen wir die rechtlichen Grundlagen für Drugchecking schaffen, sowie einen drogenpolitischen Opportunitätsgrundsatz im Betäubungsmittelgesetz verankern.

b. Resozialisierung

Wenn eine Person straffällig geworden ist, muss das Augenmerk des Justizvollzugs auf der Resozialisierung der Täter liegen. Hierbei begrüßen wir die Maßnahmen im offenen Jugendvollzug. Besonders Jugendliche im Vollzug sollen aktiv beraten werden und die Möglichkeiten bekommen einen Schulabschluss oder eine Berufsausbildung zu machen bzw. anzufangen. Auf die Möglichkeiten des freiwilligen Verbleib im Jugendstrafvollzug zur Beendigung einer Aus- bzw. Weiterbildung (§§ 125, 126 NJVollzG) soll hingewiesen werden.

Die Arbeit des ambulanten Justizsozialdienstes und der Freien Straffälligenhilfe soll fortgeführt werden. Das Übergangsmanagement wollen wir stärken. Der Übergang aus der Haft zurück in die Freiheit ist ein neuralgischer Punkt im Resozialisierungsprozess. Daher fordern wir, dass ganzheitliche und durchgängig angelegte Hilfeprozesse den Betroffenen unterstützen und über ein umfängliches Netzwerkmanagement Kontakte zu Arbeitgebern oder Bildungseinrichtungen hergestellt werden können.

3. Wohnraum und Umwelt

Wir sehen sowohl öffentliche Bauträger, wie auch private Investoren in der Pflicht ihre Gebäude instand zu halten, um die Lebensqualität nicht durch vernachlässigte Bausubstanz zu beeinträchtigen. Der Aufwertung von Wohnvierteln und damit verbundene Mietsteigerungen lehnen wir nicht grundsätzlich ab. Hierbei ist jedoch auf Sozialverträglichkeit zu achten. Gerade bei einkommensschwachen Haushalten müssen soziale Härten durch eine ausgewogene Wohngeldregelung aufgefangen werden.

Zusätzlich fordern wir die Verstetigung der Mittel des Städtebauförderprogramm “Soziale Stadt” zur Stabilisierung und Aufwertung sozial benachteiligter Ortsteile. Wir unterstützen das Bundesprogramm “Mehrgenerationenhaus” zur Schaffung von Orten zum generationenübergreifenden Miteinander und Engagement. Hierbei sehen wir eine enge Kooperation mit den Kommunen als zwingend an. 

Sozialer Wohnungsbau mindert allenfalls die Symptome, er stellt aber keine langfristige Lösung für die Wohnungsnot in niedersächsischen Großstädten dar. Wir wollen stattdessen privaten Wohnungsbau anregen, indem wir zielgerichtet die Baukosten senken. Dazu wollen wir auf Bundes- und Landesebene einen Normenkontrollrat einrichten, der alle bestehenden und kommenden Gesetze, die das Bauen betreffen, einer Kosten-Nutzen Analyse unterzieht. Gesetze, die mehr Kosten als Nutzen verursachen, wollen wir abschaffen. Die Ausweisung von Bauland sowie die Umwandlung von landwirtschaftlichen Nutzflächen in Bauland, muss vereinfacht und in deutlich größerem Maßstab als bisher möglich werden. Hierzu wollen wir den Städten und Landkreisen eine größere Autonomie in der Rechtssetzung zugestehen, denn die Bürgerinnen und Bürger vor Ort wissen am besten, wie mit dem Land vor ihrer Haustür verfahren werden soll.

Neubauprojekte sollen dabei alle Preissegmente ansprechen. Eine Erhöhung des Freibetrages bei der Grunderwerbsteuer für die erste selbst genutzte Immobilie soll die Bildung von Wohneigentum erleichtern und damit den Mietmarkt entlasten.

Verbindliche Quoten für private Investoren sollten 25 % für geförderten Wohnraum nicht überschreiten, um auch langfristig eine gute Durchmischung von Wohnvierteln zu erreichen. Bei bestehenden Wohnobjekten in sozialer Bindung fordern wir eine effektive Überprüfung der Fehlbelegungsquote. Eine Mietpreisbremse, sowie Zweckentfremdungsverbote lehnen wir als ineffektive Instrumente ab.

Weiterhin fordern wir, dass sozial benachteiligte Quartiere bestmöglich an den öffentlichen Personennahverkehr angebunden werden. So wollen wir Mobilitätsbarrieren für die Bewohner abbauen und gesellschaftliche Teilhabe und Integration ermöglichen.

Zudem sollen ausreichende Naherholungsflächen geschaffen werden, denn gerade Problemviertel sollen nicht zu Betonwüsten verkommen.

Für uns steht fest: Chancen für einen Sozialen Aufstieg zu schaffen ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Also: Haben wir den Mut zur Veränderung!

Integration – Diversity is Our Strength

Deutschland ist ein Einwanderungsland. Wir Junge Liberale sehen die Vielfalt der Menschen und Kulturen in unserem Land nicht als Bedrohung, sondern als Chance und Bereicherung für Gesellschaft und Wirtschaft. Wir wollen ein vielfältiges, buntes und weltoffenes Deutschland. Doch wir sind uns der Herausforderung, die die Integration von Migrantinnen und Migranten darstellt, bewusst. Integration ist ein Prozess, der nicht von heute auf morgen geschieht, sondern Zeit in Anspruch nimmt. Integration bedeutet nicht Assimilation in eine wie auch immer geartete Leitkultur. Integration bedeutet, dass die notwendigen Voraussetzungen für ein friedliches Zusammenleben aller Bürgerinnen und Bürger erfüllt sind. Diese Voraussetzungen sind die Achtung von Recht und Gesetz, insbesondere der freiheitlich-demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland, die Beherrschung der deutschen Sprache und das Streben nach Eigenverantwortung, also der Wunsch eines jeden seinen eigenen Lebensunterhalt zu bestreiten. Wir sind uns bewusst, dass nach dieser Definition auch viele Deutsche nicht als integriert gelten können. Abseits von den vorgenannten Bedingungen soll jeder nach seiner Façon selig werden und sich nicht gesellschaftlichen Zwängen oder Vorstellungen einer „Mehrheitsgesellschaft“ unterordnen müssen. Integration stellt deshalb auch Anforderungen an die Gesellschaft, in die integriert wird. Sie muss Toleranz und Akzeptanz für Diversität aufbringen und Haltung zeigen gegen Rassismus, Diskriminierung und Intoleranz.

Für eine Willkommenskultur.

Der Integrationsprozess beginnt mit der Ankunft in Deutschland. Gleich zu Beginn werden die ersten Weichen gestellt. Hier müssen wir unsere Erwartungen klar artikulieren und gleichzeitig respekt- und würdevoll mit allen Neuankömmlingen umgehen.

Wir wollen jedem Neuankömmling, so er dies wünscht, gleich zu Beginn einen Ansprechpartner – quasi einen Paten – an die Seite stellen, an den er oder sie sich bei Problemen, Fragen oder Schwierigkeiten wenden kann. Familien sollen statt eines Paten pro Familienmitglied eine Patenfamilie bekommen. Die Paten sollen als erster Anknüpfungs- und Verbindungspunkt zu unserer Gesellschaft dienen und eine echte Vertrauensperson auf Augenhöhe sein. Bei den Paten soll es sich um Ehrenamtliche handeln. Ihre Zuteilung hat über die Kommunen zu erfolgen, entstehende Verfahrenskosten muss der Bund tragen.

Besonderer Fürsorge bedürfen unbegleitete minderjährige und heranwachsende (unter 22) Flüchtlinge. Hier muss zunächst alles Mögliche unternommen werden, um einen Nachzug der Familie zu ermöglichen. Ist dies nicht möglich oder nimmt der Nachzug voraussichtlich viel Zeit in Anspruch, so ist die Betreuung in Pflegefamilien die nächstbeste Lösung. Die Kosten der Pflegefamilien hat der Bund zu tragen. Erst wenn sich keine Pflegefamilie findet sollen die Betroffenen ins Kinder- bzw. Jugendheim kommen. Entscheidend ist, das Minderjährige und Heranwachsende ein vergleichbares Maß an Fürsorge erfahren, individuelle Unterschiede aber trotzdem Berücksichtigung finden.

Jeder Neuankömmling muss umgehend an einem Deutschkurs teilnehmen können, der ihn auf das Niveau B1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen bringt. Dazu wollen wir mit Schulen, Universitäten und gemeinnützigen Organisationen (z.B. Goethe-Institut) zusammenarbeiten. Daneben muss auf digitale Lernmöglichkeiten wie Duolingo hingewiesen werden.

Neben Sprachkursen müssen Integrationskurse angeboten werden. Darin müssen Neuankömmlingen die Grundlagen des Lebens in Deutschland vermittelt werden. Dazu gehört die Funktionsweise unserer Demokratie, unsere humanistischen Werte und ihre Ursprünge, unsere Geschichte, insbesondere auch die Shoah, der Nationalsozialismus und die DDR-Diktatur, aber auch grundlegende Dinge wie der Abschluss einer Versicherung, das Abgeben einer Steuererklärung, die Kommunikation mit Behörden, die Orientierung auf dem Arbeitsmarkt und die Funktionsweise unseres Bildungssystems. Keinesfalls dürfen wir eine falsche Scheu vor schwierigen Themen, wie der Gleichberechtigung von Mann und Frau, Homosexualität, Judentum, dem Existenzrecht Israels und Religionskritik, haben.

Die Teilnahme an Sprach- und Integrationskursen ist verpflichtend für alle Asylbewerberinnen und Asylbewerber sowie deren über den Familiennachzug hinzuziehende Familienangehörige, die mindestens 14 Jahre alt sind. Dabei ist für 14 bis 21-Jährige ein altersgerechtes Angebot zu schaffen. Für alle übrigen Migrantinnen und Migranten ist die Teilnahme freiwillig, kann allerdings von der zuständigen Ausländerbehörde, falls diese es zum Zwecke der Integration für notwendig erachtet, verpflichtend angeordnet werden.

Bildung ermöglicht Aufstieg.

Der Bildungsbericht 2016 zeigt, dass Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund immer noch geringere Bildungschancen haben als ohne. Er zeigt aber auch, dass Chancenungleichheit überwiegend im sozioökonomischen Status der Eltern begründet liegt und da dieser bei Einwanderern und ihren Nachkommen statistisch gesehen niedriger ist, die Benachteiligung dieser Gruppe in der Summe stärker ins Gewicht fällt. Daraus folgt, dass wir neben den speziellen Anforderungen, die Migration an das Bildungssystem stellt, die Durchlässigkeit des Bildungssystems insgesamt verbessern müssen. Daher fordern wir:

  • In Kindertagesstätten müssen jährliche Sprachstandserhebungen stattfinden und darauf basierend Fördermaßnahmen für alle Kinder mit sprachlichen Defiziten durchgeführt werden. Der Zugang zu Kitas für Familien mit geringem Einkommen muss flächendeckend gegeben sein. Ein Jahr vor der Einschulung müssen auch Kinder, die keinen Kindergarten besuchen, an einer Sprachstandserhebung teilnehmen und im Falle von Defiziten an einer verpflichtenden Sprachförderung teilnehmen.
  • Schulen mit einem hohen Anteil von Kindern und Jugendlichen mit einem niedrigen sozioökonomischen Status müssen ein German Dream Concept aufstellen, das konkrete Fördermaßnahmen beinhaltet, um Kinder und Jugendliche mit Schwierigkeiten in der Schule individuell zu fördern. Dafür erhalten sie zusätzliche Finanzmittel, mit denen sie eigenverantwortlich Förderprogramme auflegen können. Nach fünf Jahren muss von der Landesregierung eine umfassende Evaluierung durchgeführt werden.
  • Vorbilder sind wichtig, um Perspektiven aufzuzeigen und zu motivieren. Unternehmer mit Migrationshintergrund sollen daher im Rahmen von Veranstaltungen zur beruflichen Orientierung in Schulen stärker eingebunden werden.
  • Die MeTwo-Debatte hat gezeigt, dass Rassismus auch vor Schulen nicht Halt macht. Daher muss die Lehrerausbildung verstärkt interkulturelle Kompetenzen vermitteln und das Thema Rassismus im Unterricht stärker behandelt werden. Insbesondere Vertrauenslehrer sind für das Thema zu sensibilisieren und müssen für Schülerinnen und Schüler ansprechbar sein, die sich diskriminiert fühlen und bei der Klärung von diskriminierenden Vorfällen unterstützten.
  • Die Angebote für muttersprachlichen Unterricht müssen ausgebaut werden. Schulkooperation sowie die Zusammenarbeit von Schulen und Universitäten stellen hierzu eine Möglichkeit dar.
  • Die Jungen Liberalen bekennen sich zu lebenslangem Lernen. Um Menschen – ob alt oder jung -, die mehr lernen möchten, dies zu ermöglichen, soll die Einrichtung sogenannter Massive Open Online Courses (deutsch offener Massen-Online-Kurs), kurz MOOC, stärker gefördert und aktiver darüber informiert werden.
  • Solange bekenntnisorientierter Religionsunterricht ordentliches Schulfach an öffentlichen Schulen ist, muss auch islamischer Religionsunterricht angeboten werden. Dafür benötigen wir jedoch zunächst die entsprechenden Lehrkräfte. Dies wiederum setzt voraus, dass Islamische Theologie an Universitäten in Deutschland studiert werden kann. Dabei darf es keine Kooperation mit DITIB oder anderen konservativen Islamverbänden, wie sie vornehmlich im Zentralrat der Muslime vorzufinden sind, geben. Wir wollen stattdessen mit liberalen Islamverbänden wie Muslimisches Forum Deutschland, Liberal-Islamischer Bund und der Ibn-Rushd-Goethe-Moschee zusammenarbeiten.
  • In vielen Ländern aus denen Geflüchtete kommen ist Antisemitismus Staatsdoktrin, was zur weiten Verbreitung von antisemitischen Einstellungen führt. Daher muss das Thema in der Schule auch abseits des Nationalsozialismus behandelt werden. Unter Antisemitismus verstehen wir auch die Dämonisierung Israels und die Ablehnung seines Existenzrechts. Um breit kursierenden Unwahrheiten über den Nahostkonflikt entgegenzutreten, muss auch dieser Teil des ordentlichen Lehrplans werden.
  • Der Bundestag hat im Jahr 2016 in einer Resolution den Völkermord an den Armeniern, Aramäern, Assyrern, Chaldäern und Pontosgriechen offiziell anerkannt. Vor dem Hintergrund der Mitschuld des Deutschen Reiches als Verbündeter des Osmanischen Reiches im Ersten Weltkrieg und der fortwährenden Leugnung des Völkermords durch die türkische Regierung, ist es notwendig diesen in die Lehrpläne zu integrieren. Deutschland darf jedoch seine eigenen Verbrechen nicht verleugnen und muss deshalb auch den Völkermord an den Herero und Nama offiziell anerkennen, alles andere wäre heuchlerisch.

Arbeit ist der Schlüssel zu einem selbstbestimmten Leben.

Es muss unser Kernanliegen sein, Einwanderer so schnell wie möglich in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Dazu müssen wir fördern und fordern, aber auch zahlreiche überflüssige Hemmnisse abbauen. Konkret fordern wir:

  • Wir fordern einen sofortigen und unbürokratischen Zugang zum Arbeitsmarkt für alle Migrantinnen und Migranten. Jeder, der sich in Deutschland legal – ganz gleich zu welchem Zweck – aufhält, soll berechtigt sein einer nichtselbstständigen oder selbstständigen Erwerbstätigkeit nachzugehen. Die Vorrangprüfung wollen wir abschaffen. Wer erwerbstätig ist, darf nur aus Gründen der öffentlichen Sicherheit ausgewiesen werden. Auch die Ablehnung eines Asylantrags darf kein Ausweisungsgrund sein. Vielmehr muss bei längerfristiger Erwerbstätigkeit der Weg für einen zunächst befristeten und anschließend unbefristeten Aufenthaltstitel (Niederlassungserlaubnis) offenstehen.
  • Die Bundesagentur für Arbeit muss von Beginn an eingebunden werden und jedem Einwanderer eine individuelle Beratung über Erwerbsmöglichkeiten, Weiterbildungen und die Anerkennung von ausländischen Abschlüssen geben. Dies muss ein langfristiger Prozess sein. Es darf nicht nur darum gehen jedem einen beliebigen Arbeitsplatz zu verschaffen – wenngleich dies zu Beginn häufig die einzige Perspektive sein wird – sondern vielmehr müssen Einwanderer über mehrere Jahre hinweg betreut werden und Unterstützung erhalten, wenn es darum geht ihren Traum zu verwirklichen. Dasselbe muss natürlich auch für deutsche Staatsangehörige gelten.
  • Ein großes Hindernis stellen Berufszulassungsbeschränkungen dar. Wir erkennen an, dass solche Beschränkungen teilweise z.B. im medizinischen Bereich notwendig sind. Dort wo sie es nicht sind, wollen wir sie hingegen abschaffen. So soll der Meister zukünftig lediglich ein Qualitätsnachweis, aber keine notwendige Voraussetzung für eine Selbstständigkeit im Handwerk sein.

Für eine liberale und weltoffene Gesellschaft.

Das Bekenntnis ein Einwanderungsland zu sein genügt nicht. Es muss sich auch in der rechtlichen und tatsächlichen Realität wiederspiegeln, dass wir Einwanderung begrüßen und sich in Deutschland jeder frei entfalten kann. Daher fordern wir:

  • Die Jungen Liberalen fordern ein kommunales Wahlrecht auch für Nicht-EU-Ausländer, die seit mindestens fünf Jahren ihren Wohnsitz in der Bundesrepublik haben. Wer in Deutschland lebt, sollte die Politik in seiner nächsten Umgebung mitbestimmen können.
  • Wir kritisieren die Aussetzung und Einschränkung des Familiennachzugs scharf und wollen sie wieder rückgängig machen. Der familiäre Zusammenhalt stellt einen unverzichtbaren Pfeiler der Integration dar, denn niemand kann sich heimisch fühlen, wenn die eigene Familie tausende Kilometer entfernt und möglicherweise in Lebensgefahr schwebt.
  • Die Jungen Liberalen sehen die Wahl der Kleidung als einen Teil der freien Persönlichkeitsentfaltung an. Allerdings sprechen wir uns kultur- und religionsunabhängig für ein Verbot von Verhüllungen dort aus, wo eine Identifikation der einzelnen Person notwendig ist. Da dies am besten durch das Gesicht eines Menschen geschehen kann, muss dieses in öffentlichen Gebäuden und Institutionen immer sichtbar bleiben. Darüber hinaus darf die Wahl der Kleidung niemals durch Zwang Dritter erfolgen. Hier muss gegebenenfalls wegen Nötigung ermittelt werden. Schüler müssen ihre Kleidung im Unterricht so anpassen, dass sie jederzeit am Unterricht teilnehmen können. Dies gilt auch für den Sport- und Schwimmunterricht.
  • Die Jungen Liberalen wollen multiple Staatsangehörigkeiten uneingeschränkt ermöglichen. Es ist für das subjektive Zugehörigkeitsgefühl häufig schädlich, sich in einer Entweder-Oder-Entscheidung zu nur einem Land bekennen zu müssen, wenn man sich mit zwei oder mehr Ländern identifiziert. Ein Anspruch auf Einbürgerung soll künftig bereits nach vier statt acht Jahren entstehen können. Die Einbürgerungskultur in Deutschland braucht ein Update, denn schätzungsweise erfüllen schon jetzt bis zu 75 Prozent der in Deutschland lebenden Ausländer die Einbürgerungsvoraussetzungen. Daher müssen nicht die Voraussetzungen zur Einbürgerung gesenkt, sondern stärker durch aktive Informationspolitik und Aufklärung auf die Einbürgerungsmöglichkeit hingewiesen werden. Denn das stärkste und nachhaltigste Bekenntnis zu unserer Werteordnung ist die Annahme der deutschen Staatsbürgerschaft.
  • Menschen mit Migrationshintergrund sind in Parteien und Parlamenten vielfach unterrepräsentiert. Die Jungen Liberalen fordern die FDP auf, in der Mitgliederwerbung gezielt auch Migranten anzusprechen und Kontakte zu interkulturellen Verbänden aufzubauen und zu intensivieren – sehen hier aber auch insbesondere im eigenen Verband Nachholbedarf.

Der liberale Rechtsstaat.

Wer sich nicht an unsere Gesetze hält, der muss mit allen Konsequenzen des Rechtsstaats rechnen. Dazu brauchen wir keine Gesetzesverschärfungen, sondern deren konsequente Anwendung. Dies erfordert eine gute personelle und materielle Ausstattung der Sicherheitsbehörden. Daher fordern wir:

  • Das Aufenthaltsgesetz bietet bereits heute ausreichend Möglichkeiten um Gefährder und Straftäter abzuschieben. Die Sicherheitsbehörden sind gehalten den Rechtsrahmen voll auszuschöpfen und insbesondere bei schweren und politisch motivierten Straftaten die Möglichkeit einer Ausweisung zu prüfen.
  • In der Praxis scheitern Abschiebungen häufig an mangelnder Kooperation der zur Aufnahme verpflichteten Länder. Die Europäische Union muss mit diesen Staaten schnellstmöglich Rückführungsabkommen aushandeln und diese notfalls auch mit Kürzungen der Entwicklungszusammenarbeit durchsetzen, im Gegenzug aber auch Entgegenkommen einzelner Staaten belohnen.
  • Im Zuge der Flüchtlingskrise wurde entgegen der EU-Verordnung Nr. 603/2013 (EURODAC-VO) häufig keine ordnungsgemäße Registrierung von Flüchtlingen vorgenommen, so auch im Fall Anis Amri. Die EU-Kommission muss in solchen Fällen künftig die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens prüfen und die Bundesrepublik muss private Träger bei Missachtung der Verordnung mit Bußgeldern belegen.
  • Die Forderung nach einer tatsächlichen Gleichstellung von Männern und Frauen richtet sich an alle in Deutschland lebenden Kulturkreise. Dort, wo Rechte von Frauen verletzt werden, beispielsweise bei Zwangsehen oder anderen Formen von Entmündigung, muss der Staat eingreifen. Wichtig sind in diesem Zusammenhang auch qualifizierte Beratungsangebote für Frauen und eine Betreuung bei Verfolgung und Bedrohung, um Fälle von Diskriminierung ans Tageslicht zu bringen. Der nachhaltigste Ansatz zur Bekämpfung von Diskriminierung ist es, schon in der Schule gezielter über die eigenen Rechte aufzuklären.
  • Der Staat respektiert eine weitgehende innere Autonomie der Bekenntnisgemeinschaften im Rahmen der für alle geltenden Gesetze. Eine staatliche Unterstützung durch den Status der Gemeinnützigkeit, sowie die Finanzierung der Theologie, des Religionsunterrichts, der Anstalts- und Militärseelsorge ist denjenigen Bekenntnisgemeinschaften verwehrt, denen richterlich attestiert wurde, dass sie verfassungsfeindlich sind. Ebenso können Personen, deren Verfassungsfeindlichkeit richterlich beschieden worden ist, keine Funktionen im staatlichen Raum (Universitäten, Bekenntnislehrer, Seelsorger) ausüben.

Pflege reformieren – mit sinnvollen Lösungen dem Fachkräftemangel begegnen

Präambel

Pflegeberufe zählen in Deutschland nicht nur zu den wichtigsten, sondern auch zu den anspruchsvollsten Berufen. Wir Junge Liberale setzen uns dafür ein, diese Umstände politisch wie gesellschaftlich anzuerkennen und würdigen jede/n, die/der sich dafür entscheidet, einen Pflegeberuf zu ergreifen.

Wir sind der Meinung, dass der Pflege deutschlandweit nicht die Aufmerksamkeit zukommt, die sie verdient. Die Möglichkeit, zum Pflegefall zu werden, besteht für jeden Menschen oder einen seiner nahen Angehörigen und angesichts unserer alternden Bevölkerung wird die Anzahl Pflegebedürftiger weiterhin steigen, während die entsprechenden Arbeitsressourcen durch den demografischen Wandel knapper werden.

In diesem Zusammenhang begrüßen Wir Junge Liberale das neue Pflegesofortprogramm des Bundesgesundheitsministeriums dahingehend, dass es die Debatte um den Pflegenotstand in Deutschland neu angestoßen hat, setzen uns aber für sinnvolle Lösungen anstelle von Symbolpolitik ein.

Der Kern der Probleme in der Pflege liegt ganz klar im Fachkräftemangel. Der Pflegeberuf gilt in Deutschland vielen als unattraktiv, was daran liegt, dass er es in den meisten Fällen schlichtweg ist. Nicht nur eine mitunter unangemessen niedrige Bezahlung und (familien-) unfreundliche Arbeitszeiten schrecken Menschen ab, die in Erwägung ziehen, beruflich in den Pflegebereich zu gehen. Die allgemeinen Arbeitsbedingungen sind durch die chronische Unterbesetzung von übermäßigem Arbeitsaufwand, enormem Zeitdruck und hoher Stressbelastung gekennzeichnet. Als Folge leiden immer mehr Pflegekräfte an Burn-out und ähnlichen Erscheinungen oder steigen sogar aus dem Beruf aus, was die Situation noch weiter verschärft. Um hier echte Verbesserungen zu schaffen, braucht es grundlegende Veränderungen.

Eine unbesetzte Stelle ist keine Stelle

Unzureichend erscheint dabei aber die Schaffung 13.000 neuer Stellen in der Pflege, wenn bereits heute in Deutschland 35.000 Stellen unbesetzt sind.

Auch Personaluntergrenzen werden die Pflegesituation nicht verbessern, wenn der Arbeitsmarkt leergefegt ist. Zum Zwecke der Patientensicherheit und Motivation, mehr Personal einzusetzen, Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen mit einer Kürzung der Mittel zu drohen, wenn sie nicht genug Stellen besetzen können, erscheint in diesem Zusammenhang als eine unzureichende Maßnahme, die die falschen bestraft und das Problem des Fachkräftemangels nicht lösen wird.

Entlastung durch Digitalisierung

Wir begrüßen die geplanten Investitionen in Digitalisierung, wie zum Beispiel den Ausbau der Telemedizin. Auch die damit verbundenen Pläne zur Entbürokratisierung finden wir gut, da damit eine Entlastung der Fachkräfte in der Pflege und eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen einhergehen. Wir fordern eine schnelle und effektive Umsetzung.

Pflegenachwuchs fördern – Ausbildung erleichtern

Um mehr Pflegekräfte zu gewinnen, müssen wir auch überprüfen, wo die Bedingungen der Ausbildung verbessert werden können. Dazu fordern wir eine Abschaffung der Schulkosten für alle Auszubildenden, dies schließt auch die Ausbildung zur Pflegehilfskraft ein.

Die mit der Ausbildungsreform ab 2020 greifende generalistische Ausbildung mit Spezialisierungsmöglichkeit im dritten Jahr begrüßen wir, da wir hier eine Anpassung an veränderte Bedingungen in der Pflege sehen und die noch steigenden Anforderungen an fachübergreifende Kompetenzen berücksichtigt werden.

Wir möchten zudem die Zugangsvoraussetzungen für die Ausbildung zur Pflegefachkraft senken, sodass ein guter Hauptschulabschluss zukünftig ausreicht, sofern der Bewerber die entsprechenden persönlichen Fähigkeiten mitbringt.

Auch wollen wir Ausbilder auffordern, vermehrt an allen Schulen zu werben und junge Menschen auf den Pflegeberuf aufmerksam zu machen.

An Gymnasien muss zudem vermittelt werden, dass es durch diverse Pflegestudiengänge auch akademische Wege in eine Karriere in der Pflege gibt.

Zuwanderung als Chance

Im Kampf gegen den Fachkräftemangel müssen auch Zugewanderte eine Rolle spielen. Dabei sollen eigentlich abgelehnte AsylbewerberInnen, die bereits eine anerkennbare Qualifikation in einem Pflegeberuf haben, grundsätzlich nicht abgeschoben, sondern in der Pflege eingesetzt werden, wo sie dringend gebraucht werden. Voraussetzung dafür sind allerdings Sprachkenntnisse auf Niveau B1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen. Liegen diese nicht vor, müssen die ausländischen Fachkräfte umgehend entsprechend gefördert werden.

Eine Aufnahme von Aufenthaltsgenehmigungen speziell für Pflegeberufe ins Einwanderungsgesetz lehnen wir jedoch ab, da wir glauben, dass ein effektives neues Einwanderungsgesetz Sachverhalte wie diesen umfassend für alle Fachkräfte sinnvoll aufnehmen kann und sollte.

AsylbewerberInnen, die Interesse bekunden, eine Ausbildung in einem Pflegeberuf in Deutschland zu beginnen, sollten in ihrem Wunsch unterstützt und schnell vermittelt werden. Ohne dabei grundsätzlich einen Missbrauch des Asylsystems zu unterstellen, gelten hierbei allerdings die Motivation und menschlichen Fähigkeiten eingehend zu prüfen, um sicher zu stellen, dass das persönliche Interesse der Bewerber der Arbeit an sich mindestens ebenso wie einer Aufenthaltsgenehmigung gilt.

Unterstützung von allen Seiten

Auch Anreize für Teilzeitkräfte zu schaffen, wenige Stunden in der Woche mehr zu arbeiten, begrüßen wir. Ein erster Schritt ist hier ein ausgebautes Betreuungsangebot für Kinder, um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu verbessern. Zudem kann eine höhere Vergütung der zusätzlichen Stunden hier ein Instrument sein.

Schließlich kann nicht nur die Mobilisierung von Fachkräften kann in der Pflegesituation Belastungen abbauen. Auch das ehrenamtliche Engagement kann eine Entlastung im Berufsalltag der Pflegekräfte bedeuten und verdient hohe Anerkennung. Wir junge Liberale schätzen dies und möchten an dieser Stelle jeden würdigen, der ohne finanzielle Gegenleistung als Stütze den Pflegekräften beiseite steht. Dabei ist natürlich stets der gesetzliche Rahmen einzuhalten und die Sicherheit der Pflegebedürftigen nicht dadurch zu gefährden, dass Ehrenamtliche angesicht der Überlastung der qualifizierten Kräfte unbefugte Arbeiten dieser übernehmen.

Mut zu neuen Lösungen

Wir begrüßen die Aktion Konzertierte Pflege der Bundesregierung und hoffen, dass die beteiligten Akteure und Arbeitsgruppen zu weiteren Lösungen kommen werden. In diesem Zusammenhang wünschen wir uns eine gute Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation nach außen. Gleichermaßen erwarten wir von allen Bürgerinnen und Bürgern, dass sie die Entwicklungen in der Gesundheitspolitik ebenso kritisch wie respektvoll begleiten und sich nicht durch Stimmungsmache zu fehlerhaften Pauschalisierungen hinreißen lassen. Die Aufgabe, Lösungen für die Pflegesituation zu finden ist keine leichte und erfordert eine ganzheitliche Betrachtungsweise, die auch unkonventionelle Ideen zulassen muss.