Baulandmobilisierung durch Aufstockung

Wohnraum zu bezahlbaren Konditionen zu schaffen, ist leider schon viel zu lange eine der größten und dringendsten Herausforderungen in Deutschland. Die Erschließung weiterer Flächen und damit einhergehende Flächenversiegelung haben jedoch zunehmend negativen Einfluss auf die Umwelt und das Klima in der Stadt. Ein Beitrag zur Baulandmobilisierung ohne Versiegelung unberührter Flächen wird durch die Aufstockung von Gebäuden  u.a. in Ballungsgebieten geleistet. Dafür gilt es jetzt Weichen zu stellen, um den Investoren, ganz gleich ob öffentlich oder privat, barrierearme Genehmigungsprozesse zu ermöglichen.

Vorschlag Nr. 1: Änderungen des Flächennutzungsplans erleichtern.

Im Flächennutzungsplan wird üblicherweise festgelegt, welche Bereiche innerhalb eines Gemeindegebiets welcher Nutzungsart (privat oder gewerblich) zugeordnet werden. Großes Potential für Aufstockungen liegt auf  Dächern  u.a. von Supermärkten, die häufig auch im innerstädtischen Raum  einstöckig sein können, hier muss eine Umnutzung bzw. Erweiterung der Nutzung vereinfacht und vor allem beschleunigt werden (aktuell liegt der Planungshorizont bei etwa 10 bis 15 Jahren!).

Eine gleiche Vereinfachung gilt für den Umgang mit Bebauungsplänen (B-Pläne). Darin sind diverse Angaben zu den zulässigen Geometrien und optischen Merkmalen angegeben. Da sich durch die Aufstockung die Geschossigkeit ändern kann, muss eine Aufstockung auch ohne größeren Aufwand ermöglicht werden. Etwaige Verfahren dauern ca. sechs Monate.

Vorschlag Nr. 2:  Anpassung der (aus der Zeit gefallenen) Stellplatzverordnung, zu einer Herabsetzung der erforderlichen Stellplätze. Dies würde bei Baukosten von ca. 15.000€/Stellplatz (in Tiefgaragen → siehe Studie) auch Baukosten senken. Wir schlagen für den innerstädtischen Bereich vor, die Anzahl an erforderlichen Stellplätzen herabsenken, wenn nachweisbar alternative Transportmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Damit soll die Blockade von Aufstockungen bewohnter Gebäude durch einen Mangel an Stellplätzen verhindert werden, wenn nachgewiesen werden kann, dass alternative Mobilitätsangebot zur Verfügung stehen.

Vorschlag Nr. 3: Ausnutzung der möglichen baulichen Dichte

Ein Maß, um die bauliche Dichte zu bestimmen, ist die Geschossflächenzahl (GFZ), die im Wesentlichen über das Bauordnungsrecht in den Städten und Gemeinden festgelegt wird. Die GFZ gibt an, wie viel Quadratmeter Geschossfläche je Quadratmeter Grundstück erreicht werden darf. In Abhängigkeit von anderen Kennwerten, wie beispielsweise der Geschossigkeit, ergibt sich daraus die maximale erreichbare Bauhöhe. Studien haben ein Potenzial zur durchschnittlichen Erhöhung der GFZ, in Abhängigkeit von konstruktiven Rahmenbedingungen, von bis zu 1,3 ermittelt. D.h., dass eine durchschnittliche Erhöhung der Gebäude um 1,3 Geschoss möglich ist.

Turbo bei der Genehmigung: Referentielle Baugenehmigung und Typengenehmigung

Kostenminderung kann auch im Baubereich durch ‘Serienproduktion’ erreicht werden. Werden in einem Gebiet mit gleichem Bebauungsplan also identische Gebäude (Geschossigkeit, Grundfläche, etc.) geplant, sollte die Erstellung einer “Muster-Genehmigung” für eine Vielzahl gleicher Bauwerke übergreifend gelten. So können nicht nur Genehmigungsverfahren (erheblich) beschleunigt, sondern auch Anreize für serielles Bauen gesetzt werden, um die Baukosten zu senken.

Diese Art der sogenannten referentiellen Baugenehmigung wird bereits in NRW in einigen Städten erfolgreich angewandt.

Noch vor einigen Jahren/Jahrzehnten handelte es sich bei der sog. Typengenehmigung um ein häufig verwendetes Instrument, um für baugleiche Bauvorhaben eine sog. Typenplanung (mit Typenstatik, usw.) zu erstellen, um damit kürzere Genehmigungsphasen zu ermöglichen. Dieses Art der Genehmigung ist seit einer Überarbeitung der Musterbauordnung auch Teil der  Niedersächsischen Bauordnung, wird jedoch nur selten genutzt

Um das Ziel kostengünstigen Bauens zu erreichen, müssen wir diese Werkzeuge flächendeckend einbinden und vorantreiben.

Klima-Hebel Baubranche: Mit Stoffkreisläufen zu einer nachhaltigen Baupolitik

Bauwerke und Infrastrukturen entscheiden über die Lebensqualität von Menschen, die Leistungsfähigkeit von Volkswirtschaften und ihre Zukunftsfähigkeit. Die Baubranche zählt zu den bedeutendsten Wirtschaftszweigen in Deutschland und ihre Produkte, wie Gebäude oder Straßen, sind für unseren Alltag unverzichtbar. Die Bauwirtschaft ist einer der wichtigsten Branchen des Landes. Bauen ist kein Massenprodukt!

Auf Baustellen fällt tonnenweise Abfall an, ob beim Erdaushub oder durch Abriss. Daraus ließe sich neues Baumaterial gewinnen. In Europa entfällt mehr als ein Drittel des gesamten Energieverbrauchs auf den Baubereich. Darüber hinaus werden nur 40% des Bauschutts von Gebäuden aufbereitet oder wiederverwertet.

Die aktuellen Krisen und Entwicklungen der Welt zeigen, wie wichtig ein nachhaltiger Umgang mit Ressourcen in allen Bereichen des Lebens, gerade in Bezug auf die Baubranche sein sollte. Bedingt durch den hohen Materialeinsatz und Energiebedarf während der Bauphase ist auch die Baubranche durch immer weiter steigende Materialpreise, Lieferengpässe und die Inflation stark betroffen. Obwohl gerade im Rohbau auf regionale Produkte (Lieferwege bei Beton und Mauersteinen meist unter 500 km) gesetzt wird, kommt die Bauproduktion durch enorme Energiepreise und Rohstoffknappheit zunehmend ins Stoppen.

Wenngleich dies ein Resultat aus kurzfristigen Ereignissen ist, wird deutlich, wie wichtig der nachhaltige Umgang mit Rohstoffen perspektivisch werden sollte. Zweifelsohne sollte dabei angestrebt werden, mehr recyclebare Materialien zu verwenden, um einerseits langfristig weniger abhängig von weltweiten Lieferketten zu werden und andererseits um Materialien nach Ende eines Gebäudelebenszyklus erneut zu verwenden. Die öffentliche Hand sollte dafür als Vorbild dienen.

Unsere Industrie zeigt, dass selbst synthetische Stoffe recycelt und einer neuen Verwendung zugeführt werden können. So besteht mittlerweile die Möglichkeit, selbst EPS-Dämmstoffe in gewissem Maße einem Stoffkreislauf zuzuführen.

Gelingt es, eine Kreislaufwirtschaft am Bau zu etablieren, lassen sich nicht nur Kosten senken, sondern auch Treibhausgasemissionen reduzieren, da weniger Energie für die Herstellung neuer Materialien aufgewendet werden muss.

Durch neue Geschäftsfelder im Bereich der Kreislaufwirtschaft in der Baubranche, von der Planung bis zur Aufbereitung von Bauschutt zu wiederverwertbarem Material, bietet sich zudem die Möglichkeit, innovative Start-Ups zu etablieren und zu fördern. Als Beispiel hierfür sind Firmen zu sehen, die sich mit dem Thema ‘Building as a bank’ beschäftigen und zum Ziel haben, neue und bestehende Gebäude hinsichtlich nutzbarer Materialien zu Kartographieren. Im Fall eines Abbruchs oder Umbaus kann damit der Anteil nicht verwertbarer Materialien deutlich gesenkt werden. (Außerdem entstehen  zahlreiche neue Möglichkeiten der Immobilienbewertung.)

Um den Weg hin zu einer Kreislaufwirtschaft zu ebnen, fordern wir als Junge Liberale Niedersachsen, bei der Planung und Umsetzung von öffentlichen Bauvorhaben verstärkt auf Nachhaltigkeitsaspekte zu achten.

Die Erfahrungen an öffentlichen Bauvorhaben sollen hier als Vorbild vorangehen. Im Zusammenhang mit der Kreislaufwirtschaft steht dabei im Vordergrund, bereits in der Planung den gesamten Lebenszyklus eines Bauwerks zu berücksichtigen, um spätere Anpassungen oder Nachrüstungen so einfach wie möglich zu gestalten. Wir fordern den verstärkten Einsatz von modernen, recycelbaren Materialien bei der Vergabe öffentlicher Bauvorhaben, um das Vertrauen in die Leistungsfähigkeit zu verstärken und Zertifizierungen (Blauer-Engel-Siegel, etc.) zu etablieren. Erste Bauvorhaben, wie das ‘The Cradle’ in Düsseldorf zeigen die Machbarkeit solcher Bauvorhaben.

Es ist nun an der Zeit, das Wissen zu festigen, um von den Vorteilen zu profitieren. Ziel sollte es sein, bis 2030 eine Quote recycelbarer Materialien von mindestens 50% zu erreichen. Die Etablierung einer Gebäudedatenbank öffentlicher Gebäude kann zusätzlich dazu beitragen, Kreisläufe zu schließen. Gebäude-Datenbanken dienen dazu, bestehende Gebäude als Rohstoffspeicher zu betrachten. Eine daran angelehnte Immobilienbewertung kann den Anteil recyclebarer Materialien in Marktbewertung  berücksichtigen. Erste Start-ups und Ausgründungen haben in diesem Segment bereits Fuß gefasst (z.B. Madaster, Epea).

Dabei sollte zunehmend auch auf die Entwicklung von Methoden zum Recycling von Kunststoffen gesetzt werden. Bereits heute ist in der Wiederaufbereitung mineralischer Stoffe, wie Betonabbruch und Bodenaushub, eine Quote von etwa 90% erreicht. Dies sollte zum Anreiz dienen, auch andere, nicht mineralische Materialien wieder aufzubereiten.

Wir Junge Liberale fordern daher, dass die öffentliche Hand Vorbildfunktion im Umgang mit Stoffkreisläufen beim Bau und der Modernisierung öffentlicher Gebäude übernehmen soll. Die Kreislaufwirtschaft biete das Potential, vollkommen neue Wertschöpfungsketten zu erschaffen – es bietet sich die Möglichkeit das Wissen und know-how durch Förderung der Forschung in Niedersachsen zu sammeln und in die Welt zu tragen, neue Arbeitsplätze und Wohlstand zu schaffen.