Bologna 2.0. – noch ist hier nichts abgeschlossen

Über 20 Jahre nach der Bologna-Reform im tertiären Bildungssektor und im Hochschulwesen allgemein ist es nicht nur Zeit Bilanz zu ziehen, sondern auch Zeit die Maßnahmen der Reform zu überarbeiten, anzupassen und neue hinzuzufügen.

Kern der Reform war der Umstieg auf das gestufte Studiensystem, die Orientierung an der Beschäftigungsbefähigung, Beschleunigung des Studiums, die Vergleichbarkeit von Abschlüssen, Modulen und erbrachten Leistungen, sowie die Mobilität zwischen europäischen Studienstandorten. All diese Ziele wurden und werden noch immer umgesetzt.

Vieles hat sich gut etabliert, etabliert sich weiterhin oder weißt gute Entwicklungen auf.

An folgenden Punkten sehen wir Junge Liberale Niedersachsen allerdings Handlungsbedarf:

Besseren und einfacheren Zugang zum Masterstudium:

Das mehrstufige Studiensystem darf keinesfalls dazu führen, dass am Weiterstudium Interessierte und wissbegierige Bachelor-Absolvent(inn)en keinen Masterstudienplatz bekommen. Klar ist, dass nicht jede(r) Bachelor-Absolvent(in) im unmittelbaren Anschluss an das Bachelorstudium einen Anspruch auf einen Masterstudienplatz haben kann. Jedoch wird bei vielen Masterstudiengängen lediglich auf die Bachelornote gesetzt. Hier fordern wir eine bessere und vielfältigere Regelung, so dass mehr Studierenden der Zugang zum Masterstudium ermöglicht wird.

Vereinfachung der Weiterbildung:

Oft wird noch in die zu simple Zweiteilung des Lebens, die Lernphase und die anschließende Arbeitsphase unterteilt. Viel zu oft werden Masterstudiengänge klar einer Phase zugeteilt. Hier sollten Rahmenmöglichkeiten geschaffen werden die, im Masterstudium unterstützend, Berufspraxis mit dem wissenschaftlichen Lernen verzahnen. Flexiblere Zeiten, Teilzeitstudium oder auch berufsbegleitende Studiengänge sollten ausgebaut werden, um lebenslanges Lernen zu fördern. Durch Maßnahmen, wie z.B. das berufsbegleitende Studium würde eine Beschleunigung des Studiums an Bedeutung verlieren.

Einführung eines freiwilligen Studienorientierungsjahres:

Gerade in der Frühphase des Studiums brechen viele Studienanfänger(innen) ihr Studium ab. Seit der Einführung der mehrstufigen Studienstruktur sinkt zwar die Abbruchquote in den Rechts-/Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, jedoch steigt sie in den Natur- und Ingenieurswissenschaften weiter an. Wir fordern deswegen ein freiwilliges Studienorientierungsjahr, welches jungen Menschen Einblicke in verschiede Bereiche geben kann, jedoch auch die Möglichkeit bieten soll vereinzelt vorher Leistungspunkte zu erwerben (beispielsweise in methodischen Modulen).

Nachschulische Bildung:

Wir fordern eine stärkere Verzahnung von akademischer und beruflicher Bildung. Dieses sollte die Beschäftigungsfähigkeit weiter voranbringen.

Europäische Universitäten:

Wir Jungen Liberalen Niedersachsen unterstützen den Vorschlag von Frankreichs Präsident Macron der die Einführung & Etablierung von Europa-Universitäten vorsieht. Die Förderung dieses Projekts, von einzelnen EU-Mitgliedsstaaten und der Europäischen Union ist grundsätzlich gut, reicht jedoch nicht aus um das Projekt vollständig umzusetzen. Wir fordern, dass die Europäische Union die Initiative „Europäische Hochschulen“ vollständig im Rahmen des Erasmus+ Projekts umsetzt und das Budget auf mindestens 120 Millionen Euro aufstockt.

Die Jungen Liberalen Niedersachsen sind der Überzeugung, dass die Bologna-Reform einen klaren Mehrwert für ein geeintes Europa bietet. In Zeiten von Populismus und Nationalstaatsdenken, setzt diese richtige Impulse eine Generation junger Europäer(innen) zu schaffen.

Hackfleisch aus der Petrischale – In-vitro-Fleisch als Novel food!

Tierwohl, Klima- und Umweltschutz sind ernstzunehmende Herausforderungen unserer Zeit.

Während im gesellschaftlichen Diskurs häufig Verzicht und Verbot als der Heilige Gral der Problemlösung präsentiert wird, setzen wir Junge Liberale auf Fortschritt und Innovation.

Sogenanntes „In-vitro-Fleisch“ stellt eine solche Innovation dar.

Um dieses herzustellen, werden einem Tier bestimmte Zellen entnommen, die in einem Nährmedium zu Muskel- und Fettzellen heranwachsen.

Aus sehr wenigen Ausgangszellen lassen sich auf diese Weise große Mengen an Fleisch herstellen. In-vitro-Fleisch ist somit – entgegen aller Vorurteile – weder “künstlich”, noch vegetarisch oder vegan.

Die auf dem Gebiet von In-vitro-Fleisch führenden Start-up-Unternehmen rechnen mit einer Marktreife innerhalb der nächsten ein bis fünf Jahre.

Damit In-vitro-Fleisch innerhalb der EU jedoch vertrieben werden darf, muss es zunächst als novel food gemäß EU-Richtlinie deklariert werden. Wir Junge Liberale fordern daher eine zeitnahe Aufnahme von In-vitro-Fleisch in die Novel-Food-Verordnung der EU sowie die rasche Umsetzung in deutsches Recht.

In diesem Zusammenhang fordern wir außerdem ein klares Bekenntnis zum Leitspruch: „Ja zur Pluralität der Optionen – Nein zu Zwangsbeglückung“.

Wir Junge Liberale halten die Freiheit des Individuums für das höchste Gut. Insofern sollte In-vitro-Fleisch selbstverständlich kein Ersatz, sondern vielmehr eine zusätzliche Option, für herkömmliches Fleisch darstellen. Die Verbraucherin und der Verbraucher sollten die Möglichkeit haben, sich selbstbestimmt für oder gegen ein Produkt zu entscheiden.

Im Vergleich zu herkömmlichem Fleisch bietet In-vitro-Fleisch gesundheitliche Vorteile durch die Möglichkeit, gezielt Zusammensetzung und Nährwerte des Produktes zu verbessern.

Zudem fällt selbstverständlich die Belastung durch Antibiotika weg, die zum Teil im Rahmen der herkömmlichen Fleischproduktion verwendet werden. Eine daraus resultierende Resistenzbildung von Bakterien bewirkt, dass eigentlich harmlose Krankheitserreger dem Menschen wieder gefährlich werden können.

Ein weiterer Vorteil besteht in der potentiellen Ressourcenausnutzung: Während ein Tier die ihm zur Verfügung stehenden Ressourcen beispielsweise in Atmung, Herzschlag, Bewegung, Fortpflanzung, Nervensystem und Hormonproduktion steckt und damit zwangsläufig nur ein Bruchteil der ursprünglichen Ressourcen für den Aufbau des relevanten Muskel- und Fettgewebe zur Verfügung steht, gestaltet sich die Ressourcenausnutzung von In-vitro-Fleisch wesentlich effizienter.

Weiterhin stellt In-vitro-Fleisch insbesondere hinsichtlich Treibhausgasemittierung sowie Landverbrauch die in höchstem Maße signifikant umweltfreundlichere Alternative dar.

Vor dem Hintergrund der wachsenden Weltbevölkerung (2050: 9,6 Mrd. Menschen, Prognose der UN) sowie der Tatsache, dass sich der weltweite Fleischkonsum in den vergangenen 50 Jahren fast um den Faktor 4 erhöht hat und diese Entwicklung auch weiter anhalten wird (Prognose des Weltagrarberichtes), müssen alternative Optionen zur herkömmlichen Fleischproduktion geschaffen werden.

Digitalisierung kommunaler Haushalte

Die Jungen Liberalen Niedersachsen fordern alle Kommunen in Niedersachsen dazu auf, die Haushaltsberatungen vollständig zu digitalisieren und künftig so weit wie möglich auf gedruckte Dokumente in Haushaltsberatungen zu verzichten.

Kommunalen Mandatsträgern soll nur noch auf Antrag eine gedruckte Form des Haushaltsplanentwurfes zur Verfügung gestellt werden.

Haftentschädigung reformieren

Freiheit ist ein hohes Gut. Deshalb ist auch der Entzug von Freiheit die schärfste Strafe unseres Landes. Wenn man aber zu Unrecht belangt wird, und einem zu Unrecht die Freiheit geraubt wird, dann ist es an der Zeit diese Menschen vernünftig und gerecht zu Entschädigen, auch wenn der Verlust von Freiheit materiell nicht ersetzbar ist.  Hier muss der Staat endlich faire Rahmenbedingungen schaffen die in anderen europäischen Ländern bereits gegeben sind. Daher fordern die Jungen Liberalen Niedersachsen die Haftentschädigung nach § 7 Abs. 3 StrEG von täglich 25 € auf mindestens 100 € zu erhöhen.

Zu Unrecht Inhaftierte sind Opfer des staatlichen Handelns und verdienen deshalb unterstützung bei Wiedereingliederung und Verfolgung seiner oder ihrer Ansprüche. Um das zu verwirklichen fordern wir Opferbeauftragte in jedem Bundesland die diese nicht bereits bereitstellen. Diese Beauftragten müssen klar getrennt von Bewährungshilfe und Führungsaufsicht sein und sollen sich aktiv beim falsch Inhaftierten melden und ihre Hilfe anbieten.

Sturmfest und Erdverwachsen – Ein Baum für jeden Niedersachsen!

Effektiver Klimaschutz ist nicht nur ein Thema heute, sondern relevant bis wir unsere Ziele der CO2-Neutralität erreichen. Um auch in der Zukunft eine Sensibilität für unsere Umwelt zu fördern wollen wir einen kostenlosen Baum für jedes neugeborene Kind in Niedersachsen! Diese Bäume sollen, falls Eltern keinen eigenen Garten besitzen, gemeinschaftlich auf einer freien Fläche gepflanzt werden, die von der jeweiligen Kommune bereitgestellt wird.

Großflächige Aufforstung ist nicht nur eines der effizientesten Mittel gegen CO², sondern auch eines der einfachsten. Mit dieser Initiative kann jede Gemeinde ihren Teil zu globaler Aufforstung erfüllen und dabei schon heute die nächste Generation mit einbinden.

Liberale Außenpolitik – Für Freiheit, Frieden und Wohlstand auf einem intakten Planeten

Wir Jungen Liberalen sind überzeugt, dass alle Menschen frei und gleich an Würde und Rechten sind. Kein Staat, kein Diktator, kein religiöser Führer und nicht einmal eine demokratische Mehrheitsentscheidung vermögen einen Menschen seiner Würde und Rechte zu berauben. Diese Überzeugung muss Grund und Grenze liberaler Außenpolitik sein. Ihre Verwirklichung wird eine Welt schaffen, in der alle Menschen in Freiheit, Frieden und Wohlstand auf einem intakten Planeten leben. Das ist unser erklärtes Ziel.

Deutschland und die Europäische Union können und müssen ihren Beitrag hierzu leisten. Es ist in unserem Interesse, wenn Menschen in Freiheit leben, denn freie Gesellschaften lassen sich nicht zu sinnlosen Kriegen, die kollektivistischen Zwecken und dem Machtstreben der herrschenden Eliten dienen, verführen. In einer freien Welt bedroht daher niemand unseren Frieden und damit unsere Freiheit. Stattdessen schafft der freie Austausch von Ideen, Kultur und Wirtschaftsgütern Wohlstand. Diesen Wohlstand können wir nutzen, um unsere Umwelt zu schützen und so die Freiheit künftiger Generationen bewahren.

I. Deutschland in Europa

Deutschlands Einfluss in der Welt ist ziemlich klein. Nur in einem vereinten Europa können wir einen nennenswerten Beitrag zur Entfaltung und Verteidigung unserer Werte leisten. Deshalb muss die Weiterentwicklung der Europäischen Union (EU) hin zu einem dezentralen Europäischen Bundesstaat die höchste außenpolitische Priorität genießen und bis spätestens 2045 abgeschlossen sein.

Diesen Bundesstaat wollen wir durch eine Europäische Verfassung begründen, die allen Bürgerinnen und Bürgern Europas, die 16 Jahre oder älter sind, zur Abstimmung vorgelegt wird. Darin müssen dem Europäischen Parlament und den einzelnen Mitgliedstaaten im Rat der EU ein Initiativrecht eingeräumt werden. Das ordentliche Gesetzgebungsverfahren muss auf alle Politikbereiche ausgeweitet und das Parlament nach einheitlichen Wahlrecht, das die Erfolgswertgleichheit der Stimme garantiert, gewählt werden. Aus der Europäischen Kommission wird eine Europäische Regierung, die vom Parlament gewählt und mittels konstruktivem Misstrauensvotum auch abgewählt werden kann. Die in der Charta der Grundrechte der EU garantierten Rechte gelten auch in rein nationalen Sachverhalten und können von den Unionsbürgerinnen und Unionsbürgern selbstständig eingeklagt werden. Arbeitssprache des Europäischen Bundesstaates soll Englisch sein, was auch in allen Mitgliedstaaten ergänzende Verwaltungssprache werden soll.

Die Kompetenzen zwischen der EU und ihren Mitgliedstaaten müssen klar verteilt sein. Wir setzen auf europäische Lösungen in den Bereichen Handels-, Binnenmarkt-, Außen-, Sicherheits-, Verteidigungs-, Verkehrs-, Energie-, Klima-, Umwelt-, Einwanderungs- und Asylpolitik. Politikbereiche, die hingegen auf niedrigerer Ebene besser gelöst werden können, wie etwa die Sozial-, Steuer-, Gesundheits- und Familienpolitik, sollen dort verbleiben. Darin sehen wir keinen Widerspruch, sondern einen Ausdruck von Subsidiarität.

Die EU benötigt eine gemeinsame Außenpolitik, die effektiv des oft dringlichen Responsivitätserfordernisses in einer globalisierten Welt gerecht wird. Deshalb wollen wir Entscheidungen im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) im Rat der EU künftig mit qualifizierter Mehrheit treffen können. Das Amt der Hohen Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik wollen wir zu einem EU-Außenminister aufwerten. Nach dem Vorbild des Commonwealth of Nations fordern wir, die Botschafterinnen und Botschafter innerhalb der EU in „Hochkommissare” umzubenennen. Den ständigen Sitz Frankreichs im UN-Sicherheitsrat wollen wir in einen europäischen Sitz umwandeln. Die Mitgliedstaaten sollen weiterhin eigene diplomatische Beziehungen zu anderen Staaten führen, die an den Leitlinien der gemeinsamen europäischen Außenpolitik ausgerichtet sind.

Die Zusammenarbeit in der Verteidigungspolitik wollen wir im Rahmen von PESCO und auch darüber hinaus verstärken. Beginnen wollen wir mit einer gemeinsamen Rüstungsentwicklung und -beschaffung, der Zusammenlegung von militärischen Verbänden nach dem Framework Nation Concept (FNC), der Harmonisierung der Ausbildungsstandards und der Schaffung eines militärischen Hauptquartiers der EU in Brüssel. Am Ende wollen wir die Streitkräfte der Mitgliedstaaten zu gemeinsamen Streitkräften der EU unter dem Oberbefehl eines EU-Verteidigungsministers und der Kontrolle des Europäischen Parlaments fusionieren. Die Europäischen Streitkräfte dürfen außerhalb des Spannungs- bzw. Verteidigungsfalles ausschließlich bei katastrophalen Ereignissen und dann nur zur Amtshilfe, im Sinne technischer Hilfe ohne Ausübung hoheitlicher Aufgaben, im Inland eingesetzt werden oder falls Gefahr für den Bestand der Union, eines Mitgliedstaats oder die freiheitlich-demokratische Grundordnung besteht. Um die Union und ihre Verbündeten zu verteidigen sowie im Rahmen der Vereinten Nationen und der Responsibility to Protect ihren Beitrag zur Wahrung des Friedens und der Freiheit zu leisten, ist es erforderlich, dass die Streitkräfte der Union auf dem gesamten Globus einsatzfähig sind.

Die Kompetenzen für Entwicklungszusammenarbeit und Rüstungskontrolle wollen wir auf EU-Ebene verankern. Die gemeinsame Handelspolitik wollen wir stärken, indem sie künftig auch Investitionsschutz und Portfolioinvestitionen umfasst. Schließlich wollen wir das EU INTCEN zu einem EU-Auslandsnachrichtendienst ausbauen und einen EU-Militärnachrichtendienst schaffen, welche durch ein gemeinsames Gremium von Parlament und Rat kontrolliert werden.

Eine gut ausgebaute Infrastruktur ist nicht nur wichtig für das tägliche Leben, sondern auch für grenzüberschreitende Partnerschaften und wirtschaftliche Zusammenarbeit. Wir setzen uns daher für einen Ausbau der transeuropäischen Netze, einschließlich geplanter, aber teils aus unverhältnismäßigen Gründen verzögerter Großprojekte (Fehmarnbeltquerung, Talsinki Tunnel etc.) ein.

Mit einer klugen und ambitionierten Erweiterungspolitik können wir die EU nicht nur größer, sondern auch besser machen. Deshalb erkennen wir die Beitrittsperspektive der Staaten des Westbalkans und der Östlichen Partnerschaft ausdrücklich an. Ein Beitritt setzt allerdings die vollständige Erfüllung der Kopenhagener Kriterien voraus. Hier darf die EU keine Abstriche machen. Bis dahin muss als Vorstufe zur EU-Mitgliedschaft der Beitritt zur Europäischen Zollunion, zum Europäischen Wirtschaftsraum und zur Europäischen Organisation zur Sicherung der Luftfahrt möglich sein. Die wirtschaftliche, demokratische und rechtsstaatliche Entwicklung der betroffenen Staaten muss vor und während des Beitrittsprozesses unterstützt werden. Deutschland muss sich für eine Anerkennung der kosovarischen Unabhängigkeit durch alle Mitgliedstaaten einsetzen.

Die Türkei hat sich in den vergangenen Jahren zunehmend von Europa entfernt. Angesichts dieser Entwicklungen müssen die Beitrittsgespräche abgebrochen werden. Dennoch erkennen wir die atemberaubende Widerstandsfähigkeit der türkischen Zivilgesellschaft, gerade im Hinblick auf die Bürgermeisterwahlen in Istanbul, an. Wir geben die Türkei nicht verloren, sondern setzen uns für eine Stärkung der Zusammenarbeit auf gesellschaftlicher Ebene ein. Sollte die Türkei sich wieder Europa zuwenden und die Kopenhagener Kriterien erfüllen, befürworten wir ihre Mitgliedschaft in der EU ausdrücklich. Diese Perspektive wollen wir gegenüber der Türkei offen und aufrichtig kommunizieren.

Israel und Cabo Verde liegen zwar beide nicht auf dem europäischen Kontinent, dennoch verbinden liberale Werte, kulturelle Gemeinsamkeiten und die geographische Nähe beide Staaten eng mit Europa. Deshalb ist auch ihnen eine Beitrittsperspektive einzuräumen. Ebenso bleiben wir auch offen für einen EU-Beitritt Islands, Norwegens und der Schweiz.

Wir bedauern die Entscheidung des Vereinigten Königreichs, die EU am 31.10.2019 zu verlassen und würden uns über einen Wiedereintritt oder Rückzug des Austrittsantrags freuen. Einem unabhängigen Schottland sowie anderen Teilen des Vereinigten Königreichs, welche die Unabhängigkeit erlangen, muss die Tür zur EU stets offen stehen.

II. Europa in der Welt

Die Welt ist in den vergangenen Jahren instabiler geworden. Diktatoren und Populisten befinden sich im Aufwind und mit ihnen droht die multilaterale Weltordnung, die auf der Stärke des Rechts und nicht dem Recht des Stärkeren fußt, auf eine harte Probe gestellt zu werden. Die Europäische Union muss sich diesem Trend entgegenstemmen. Dazu müssen wir einen ehrlichen Umgang mit unseren Freunden und Partnern pflegen, dürfen vor Konkurrenten nicht zurückschrecken und müssen das Primat von Diplomatie, Freihandel und Entwicklungszusammenarbeit bedingungslos achten, aber dürfen als ultima ratio den Einsatz militärischer Gewalt im Rahmen des Völkerrechts nicht ausschließen.

1. Transatlantische Partnerschaft 

Seit Beginn der Präsidentschaft von Donald Trump sind tiefe Gräben in der transatlantischen Partnerschaft entstanden. Europa muss sich darauf einstellen, dass die Vereinigten Staaten von Amerika zunehmend durch innenpolitische Zwänge bestimmt sind. Dies darf jedoch nicht dazu führen Jahrzehnte erfolgreicher transatlantischer Zusammenarbeit zu vergessen und die Partnerschaft mit den USA aufzugeben. Ein vereintes Europa ist zwar stark, allerdings können Herausforderungen durch stärker werdende autokratische Staaten wie China oder defekte Demokratien wie Russland nicht allein gemeistert werden. Dies können die liberalen Demokratien in Amerika und Europa nur gemeinsam, denn trotz aller Differenzen sind die USA nach wie vor ein freiheitlicher und demokratischer Rechtsstaat.

Die bedeutendste Institutionalisierung der transatlantischen Partnerschaft ist die NATO. Für Europa ist sie die Garantie für Frieden und Sicherheit. Deshalb bekennen wir Jungen Liberalen uns zu Deutschlands NATO-Mitgliedschaft und allen damit einhergehenden Pflichten. Damit meinen wir explizit nicht Zielbestimmungen wie das Ziel, 2% des BIPs für den Verteidigungsbereich aufzuwenden. Wir bekennen uns stattdessen zu einem Maß an Verteidigungsausgaben, die konkret dem Bedarf entsprechen. Wir unterstützen die Bestrebungen der Staaten des Westbalkans sowie der Ukraine und Georgiens, um eine Mitgliedschaft in der NATO. Der Bedrohung durch Atomwaffen wollen wir entgegenzuwirken, indem wir den Ausbau des NATO-Raketenschilds weiter forcieren. Die Vollendung der europäischen Einigung samt Schaffung Europäischer Streitkräfte darf keine Abkehr von der NATO bedeuten, sondern ihre Stärkung. Künftig wird das transatlantische Bündnis auf zwei gleich starken Säulen, einer europäischen und einer amerikanischen, fußen. Dazu muss ein Europäischer Bundesstaat der NATO als Ganzes beitreten.

Nach über 70 Jahren transatlantischer Partnerschaft wird es Zeit für ein Update. Europa darf sich nicht nur auf die USA und Kanada fokussieren, sondern muss verstärkt mit den liberalen Demokratien Lateinamerikas und der Karibik kooperieren. Ein erster Schritt muss die zügige Finalisierung und anschließende Ratifizierung der Freihandelsabkommen mit Mexiko und Mercosur sein. Weiterhin muss die zivilgesellschaftliche Zusammenarbeit gestärkt werden. Dies lässt sich bspw. verwirklichen, indem den betroffenen Ländern der Status als Partnerland im Erasmus+-Programm angeboten wird. Schließlich bieten sich auch auf Ebene der Vereinten Nationen zahlreiche Möglichkeiten der Zusammenarbeit bei Themen wie Menschenrechte, Umweltschutz und Entwicklung. Für Jair Bolsonaro gilt, was auch für Trump gilt, die EU darf ihre Beziehungen zu einem Staat und erst recht keiner ganzen Region an das Schicksal eines rechtspopulistischen Politikers knüpfen.

2. Es lebe der Staat Israel!

Die Verantwortung Deutschlands für die Existenz und die Sicherheit Israels ist für die Jungen Liberalen ein zentraler Bestandteil der deutschen Staatsräson. Die Akzeptanz Israels als Staat sowie die Verteidigung der Freiheit und Sicherheit seiner Bevölkerung mit menschen- und völkerrechtskonformen Mitteln müssen ein zentrales Prinzip der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik sein. Die Bundesrepublik muss überall und jederzeit Antisemitismus und jenen Kräften, welche das Existenzrecht Israels in Frage stellen, entgegenwirken. Diese Staatsräson muss Deutschland in ein vereintes Europa tragen.

Seit der Staatsgründung überschatten die zahlreichen völkerrechtswidrigen Angriffe der Anrainerstaaten auf Israel und die Gewalt palästinensischer und islamistischer Terrorgruppen das Leben von Israelis und Palästinensern. Obwohl der israelisch-palästinensische Konflikt schon über 70 Jahre alt ist und mit dem Friedensschluss zwischen Israel und Ägypten sowie Jordanien Fortschritte erzielt wurden, liegt eine Lösung noch in weiter Ferne. Europa darf sich nicht anmaßen, ohne unmittelbar betroffen zu sein, den Konfliktbeteiligten eine bestimmte Lösung zu diktieren. Der israelisch-palästinensische Konflikt kann nur durch die Entmachtung der Hamas und ergebnisoffene bilaterale Verhandlungen – ggf. unter dem Dach der Vereinten Nationen – gelöst werden. Wir sehen unsere Rolle darin, die Zivilgesellschaft, insbesondere in den palästinensischen Gebieten, zu stärken, die wirtschaftliche Entwicklung zu fördern sowie in unserem außenpolitischen Handeln die Rechte beider Völker angemessen zu berücksichtigen, Israels Recht auf Selbstverteidigung zu achten und eindeutig Position zu beziehen, wenn die universellen Werte von Freiheit und Demokratie tangiert sind. Es darf kein Zweifel aufkommen, dass für uns stets die Sicherheit Israels an erster Stelle steht. Dies müssen die EU-Mitgliedstaaten auch auf Ebene der Vereinten Nationen demonstrieren und konsequent gegen Resolutionen stimmen, die Israel antisemitisch verurteilen.

Wir fordern, die Hisbollah in ihrer Gänze als Terrororganisation in Deutschland und der EU einzustufen. Die Hisbollah ist nicht nur eine Bedrohung für die Sicherheit Israels, sondern auch Unterdrücker des libanesischen Volkes und verantwortlich für schwerste Kriegsverbrechen in Syrien. In den bilateralen Beziehungen zwischen der EU und dem Libanon ist entsprechend der UN-Resolution 1701 auf ihre vollständige Entwaffnung hinzuwirken.

3. Klare Kante gegenüber Russland

Russland hat 2008 Georgien und 2014 die Ukraine angegriffen und die Krim annektiert. Der andauernde Krieg in der Ostukraine fordert fortwährend Todesopfer. So schossen prorussische Kämpfer den Flug MH17 ab und töteten dessen Passagiere. Mit Cyberangriffen hat Russland versucht den amerikanischen und französischen Präsidentschaftswahlkampf zu beeinflussen. Im britischen Salisbury verübte Russland einen Mord mit chemischen Kampfstoffen. Russland bedroht die Freiheit und Sicherheit des nordatlantischen Raums und verhält sich feindselig gegenüber dem Westen. Europa und Amerika müssen darauf reagieren. Kein weiteres Land darf dem russischen Revanchismus zum Opfer fallen.

Deshalb unterstützen wir die NATO-Mission Enhanced Forward Presence zum Schutz des Baltikums und Polens und die Beteiligung Deutschlands an dieser ausdrücklich. Sollten sich die Spannungen an der NATO-Ostflanke verschärfen, ist eine angemessene Aufstockung der Truppenstärke erforderlich. Die Sanktionen, mit denen die EU Russland belegt hat, wollen wir weiter verschärfen. Dieser Schritt ist angesichts mangelnder Fortschritte im Minsk-Prozess sowie den Geschehnissen im Asowschen Meer überfällig. Sanktionen sollten möglichst nicht die Zivilbevölkerung Russlands treffen. Stattdessen müssen Sanktionen gegen die Politiker und Eliten Russlands vorangetrieben werden. Erst bei substanziellen Fortschritten im Friedensprozess mit der Ukraine sollen die Sanktionen sukzessive abgebaut werden. Ihre vollständige Abschaffung darf jedoch nicht vor dem Rückzug aller russischen Truppen aus den besetzten Gebieten, d.h. der Krim, der Ostukraine, Abchasien, Südossetien und Transnistrien, erfolgen. Zudem fordern wir der Ukraine und Georgien Waffenlieferungen und einen finanziellen Beitrag zum Verteidigungshaushalt zu gewähren. Europa muss unabhängig von russischem Gas werden. Alternativen können Erdgas aus Israel und Zypern, Schiefergas aus den USA, aber vor allem der Ausbau erneuerbarer Energien sein. Dementsprechend fordern wir einen sofortigen Stopp von Nord Stream 2.

Die jüngsten Proteste in Moskau in Folge der Nichtzulassung zahlreicher oppositioneller Kandidatinnen und Kandidaten zur Stadtratswahl zeigen jedoch auch ein anderes Bild von Russland: Zahlreiche gerade junge Menschen streben nach Freiheit und Demokratie und riskieren dafür lange Haftstrafen oder sogar ihr Leben. Diese Menschen dürfen wir nicht im Stich lassen. Demokratie- und Protestbewegungen in Russland sollten daher infrastrukturell und gegebenenfalls auch finanziell durch die EU unterstützt werden. Wir Jungen Liberalen blicken hoffnungsvoll auf den Tag, an dem die Putin-Diktatur überwunden wird und die Rückkehr zu einem partnerschaftlichen Verhältnis mit Russland möglich wird.

4. Dem Drachen die Flügel stutzen 

China hat unter Verstoß gegen das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen zahlreiche Inseln im Südchinesischen Meer besetzt und zu Militärstützpunkten ausgebaut. Dem demokratischen Taiwan drohte es wiederholt mit einer Invasion und in Hongkong schleift es trotz entgegenstehender völkerrechtlicher Verpflichtungen aus der Sino-British Joint Declaration das Prinzip „Ein Land, zwei Systeme” und damit die Freiheitsrechte der Hongkongerinnen und Hongkonger. Doch das wohl größte Verbrechen des chinesischen Regimes stellt die Internierung von bis zu einer Millionen Uiguren in der Autonomen Provinz Xinjiang, sowie die fortwährende völkerrechtliche Besetzung Tibets dar. Hinzu kommt eine anhaltend katastrophale Menschenrechtslage in Tibet.

Die Europäische Union muss diese Verbrechen und Aggressionen Chinas verurteilen. Sie totzuschweigen aus Angst vor Gegenmaßnahmen oder Profiteinbußen wäre eine Schande, die eines demokratischen Staates unwürdig ist. Völkerrechtsverstöße wie jene im Südchinesischen Meer müssen konsequent mit Sanktionen belegt werden. Dabei sollten wie im Fall von Russland Politiker und Eliten im Vordergrund stehen. China darf nicht das Gefühl bekommen, es wäre unantastbar. Nach dem Prinzip der diplomatischen Gegenseitigkeit wollen wir jenen chinesischen Funktionären die Einreise in die EU verweigern, die EU-Diplomaten, Journalisten und NGOs den Zugang zu Tibet und Xinjiang verwehren.

Wir Jungen Liberalen solidarisieren uns mit den Demonstrierenden in Hongkong. Ihre Forderungen nach freien Wahlen und der Achtung der in der „Basic Law” verbrieften Bürgerrechte sind nicht nur berechtigt, sondern stellen gemäß der Sino-British Joint Declaration eine völkerrechtliche Verpflichtung Chinas dar. Was in Hongkong geschieht, ist deshalb gerade keine innerchinesische Angelegenheit. Die Europäische Union muss dies offensiv gegenüber China vertreten und etwaige Verletzungen der Sino-British Joint Declaration als Verletzung des Völkerrechts mit Sanktionen ahnden. Insbesondere ein Einsatz der Streitkräfte zur Niederschlagung der Protestbewegung ist nicht hinnehmbar. Er muss zur einer internationalen Ächtung der Volksrepublik China führen. Hongkongerinnen und Hongkongern, die vor Verfolgung und Unterdrückung fliehen, muss in der EU Asyl gewährt werden. Ihnen ist der Status als Kontingentflüchtlinge zu gewähren. Eine Abschiebung nach China muss unter allen Umständen ausgeschlossen sein. Das Prinzip “Ein Land, zwei Systeme” und damit auch die Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger Hongkongs sind bis 2047 befristet. Wir schließen uns daher der Forderung der Hongkonger Demokratiebewegung an, dass die Hongkongerinnen und Hongkonger nach 2047 in einer freien Abstimmung über ihre Zukunft entscheiden und zwischen einer Fortsetzung der Autonomie, einer Eingliederung in die Volksrepublik China und der Unabhängigkeit Hongkongs wählen können.

Die Jungen Liberalen unterstützen die Freiheit und Souveränität Taiwans. Eine gewaltsame Annexion Taiwans durch China dürfen Europa, Amerika und die gesamte Weltgemeinschaft nicht zulassen. Wir fordern deshalb Waffenlieferungen an Taiwan zu genehmigen und die Durchführung von „Freedom of Navigation Manoeuvres” in der Taiwanstraße. Die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Beziehungen zwischen der EU und Taiwan wollen wir ausweiten. Ein Europäischer Bundesstaat muss überdies ein Gesetz nach dem Vorbild des amerikanischen „Taiwan Relations Act” erlassen. Damit verpflichtet sich die EU zur Verteidigung Taiwans in Kooperation mit lokalen Partnern und den USA. Sollte Taiwan seine Unabhängigkeit erklären, muss die EU diese anerkennen.

Die EU darf die Souveränität der Volksrepublik China über Tibet nicht anerkennen. Das historische Tibet in seinen Grenzen von vor 1951 ist ein völkerrechtswidrig annektiertes Gebiet. Deshalb fordern wir die EU dazu auf, diplomatische Beziehungen zur Tibetischen Exilregierung aufzunehmen und diese offiziell anzuerkennen. Die Nachfolge oder Reinkarnation von tibetisch-buddhistischen Führern, einschließlich eines zukünftigen 15. Dalai Lama, ist eine ausschließlich religiöse Angelegenheit, die ausschließlich von der tibetisch-buddhistischen Gemeinschaft durchgeführt werden sollte. Jegliche staatliche Einmischung – insbesondere Chinas – muss unterbunden werden. Chinesische Beamte, die sich in den Prozess der Anerkennung eines Nachfolgers oder der Reinkarnation des Dalai Lama einmischen, sind mit gezielten finanziellen, wirtschaftlichen und visabezogenen Sanktionen zu belegen.

Wir sind uns bewusst, dass diese Schritte zunächst zu einer erheblichen Verschlechterung der europäisch-chinesischen Beziehungen führen werden. Doch eine offene und ehrliche Ansprache von Differenzen ist notwendige Bedingung für ergiebige bilaterale Beziehungen. Die Gefahren, die sich daraus ergeben könnten, China keine Grenzen aufzuzeigen, sind nicht hinnehmbar. Stimmen aus Politik und Wirtschaft, die vor Gewinneinbußen und dem Verlust von Arbeitsplätzen warnen, entgegnen wir, dass der derzeitige Wohlstand Ergebnis einer internationalen Ordnung der Freiheit, des Rechts und des Friedens ist. Wer unseren Wohlstand erhalten und ausbauen will, muss sich daher jener Kräfte erwehren, die diese Ordnung zerstören wollen. Wer es unterlässt diese Werte zu verteidigen, mag kurzfristige Gewinne erzielen, wird aber am Ende Freiheit und Frieden und damit die Basis unseres Wohlstands verspielen.

China ist in weiten Teilen noch ein Schwellenland sein. Trotzdem halten wir die finanzielle Unterstützung, die es im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit durch die EU-Staaten erfährt, für nicht angebracht und wollen diese daher grundsätzlich einstellen. In den Handelsbeziehungen zwischen der EU und China fordern wir eine fortschreitende Öffnung des chinesischen Marktes. Es kann nicht sein, dass China der EU den Marktzugang verweigert, welchen die EU China umgekehrt gewährt.

5. Allianz Liberaler Demokratien  

Freiheit ist nicht selbstverständlich. Freiheit ist ein wertvolles und oft hart erkämpftes Recht. Liberale Demokratien sind deshalb verpflichtet, Freiheit im Rahmen ihrer Möglichkeiten und unter Achtung des Völkerrechts überall und jederzeit zu fördern und zu beschützen. Deshalb wollen wir eine Allianz Liberaler Demokratien gründen, die sich gegenseitig Unterstützung und Beistand leisten sowie dem Schutz der Menschenrechte, der Förderung des Friedens und der Fortentwicklung der regelbasierten internationalen Ordnung verschreiben.

Zunächst soll es sich hierbei um einen lockeren Zusammenschluss demokratischer Staaten handeln und nicht um ein Verteidigungsbündnis. Beistand und Unterstützung sind zwar geboten, jedoch nur im Rahmen der individuellen Möglichkeiten des jeweiligen Staates. Dies mag zunächst wenig ambitioniert erscheinen, trägt jedoch den geopolitischen Realitäten Rechnung. Erst, wenn die Europäische Union zu einem Bundesstaat mit gemeinsamer Außen- und Verteidigungspolitik geworden ist, kann sie ausreichend Verantwortung sowohl für sich selbst als auch für andere tragen, um sich zu gegenseitigem Beistand und Unterstützung auf der ganzen Welt zu verpflichten. Deshalb soll ab diesem Moment die NATO in der Allianz Liberaler Demokratien aufgehen, welche damit zu einem globalen Verteidigungsbündnis aufgewertet wird.

Voraussetzung für die Mitgliedschaft sind hinreichend funktionierende demokratische und rechtsstaatliche Strukturen, die Achtung grundlegender Menschen- und Bürgerrechte sowie des Völkerrechts. Kleinere Defizite in einzelnen Bereichen sind unschädlich, soweit sich der betroffene Staat zur fortwährenden Verbesserung verpflichtet. Auf Grundlage dieser Bestimmungen wollen wir insbesondere die Mitgliedstaaten und Beitrittskandidaten der Europäischen Union sowie alle demokratischen Staaten mit EU-Beitrittsperspektive (s.o.), die Vertragsstaaten der NATO, des ANZUS-Abkommens und des TIAR, Botswana, Japan, Mexiko, die Mongolei, die Philippinen, Südafrika, Südkorea und Taiwan zur Allianz einladen. Die Einladung Indiens wollen wir von einer Verbesserung der Menschenrechtslage im Bundesstaat Jammu und Kashmir abhängig machen und jene Ghanas, Namibias, des Senegals und Tunesiens an die Entkriminalisierung homosexueller Handlungen knüpfen.

6. Menschenrechte

Die EU muss einen aktiven Beitrag zum Schutz der Menschenrechte in der Welt leisten. Dazu müssen alle Menschenrechtsverstöße von der EU klar und deutlich verurteilt und die Verantwortlichen mit einer europäischen Version des „Magnitsky Acts” bestraft werden. In den Gremien der Vereinten Nationen muss sich die EU für eine Weiterentwicklung bestehender Vertragswerke zum Schutz der Menschenrechte einsetzen. So fordern wir eine UN-Konvention zum Schutz der Rechte queerer Personen und die Schaffung eines Internationalen Gerichtshofs für Menschenrechte. Eklatanten und schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen müssen auch Wirtschaftssanktionen folgen. Dabei gilt es die Auswirkungen auf die Bevölkerung möglichst gering zu halten. Vorwiegend sollten deshalb staatliche und staatsnahe Unternehmen Ziel solcher Sanktionen sein.

Wenn aus einer Menschenrechtsverletzung ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder ein Völkermord wird, geht die Verantwortung für den Schutz der Bürgerinnen und Bürger des verantwortlichen Staates gemäß der Responsibility to Protect auf die Staatengemeinschaft über. Als ultima ratio ist die verhältnismäßige Anwendung militärischer Gewalt dann völkerrechtlich gerechtfertigt, um eine humanitäre Katastrophe abzuwenden. Die EU muss sich in solchen Fällen mit ihren Partnern koordinieren und soweit erforderlich militärisch intervenieren. An jeden Militäreinsatz müssen sich langfristige Maßnahmen zur nachhaltigen Stabilisierung anknüpfen. Ferner müssen die Verantwortlichen für derartige Verbrechen grundsätzlich dem Internationalen Strafgerichtshof zugeführt werden. Auch deshalb wollen wir alle Staaten, die das Römische Statut noch nicht ratifiziert haben, zu einem Beitritt anregen.

Menschenrechte können auch gestärkt werden, indem gesellschaftlicher Wandel angeregt und gefördert wird. Dazu müssen die Mittel für die internationale Arbeit der politischen Stiftungen und Jugendorganisationen deutlich erhöht werden. Visaliberalisierungen und Austauschprogramme wie Erasmus+ geben mehr Menschen die Möglichkeit Europa und die Vorzüge der Freiheit zu entdecken. Auch gegenüber autokratisch geführten Ländern wie Russland oder China sollten wir vor diesem Schritt nicht zurückschrecken.

7. Klima-, Umwelt- und Naturschutz

Der Klimawandel ist eine globale Krise, welche die gesamte Menschheit betrifft. Dieser Krise muss daher grenzüberschreitend begegnet werden, um sie abzuwenden. Wir wollen die globale Erwärmung auf maximal 1,5 Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter begrenzen. Dazu brauchen wir verbindliche internationale Abkommen und Beschlüsse. Kern der Lösung ist ein globales Treibhauslimit und innerhalb dieses Limits können im Rahmen eines globalen Emissionshandels Emissionsrechte erworben werden. Hiervon müssen alle Verursacher sowie alle Treibhausgase erfasst und nach ihrer klimaschädlichen Wirkung bepreist werden. Methan, das durch das Auftauen der Permafrostböden oder aus dem Methanhydrat am Meeresgrund freigesetzt wird, muss vorbeugend abgebaut werden.

Die Aufforstung und der Schutz bestehender Wäldern ist eines der effektivsten Mittel für den Klimaschutz. Wir Jungen Liberalen setzen daher für eine globale Konvention für Waldschutz und Aufforstung ein. Diese soll bestehende Wälder und andere CO2-Speicher wie Moore und Seegraswiesen schützen und Anreize für die Erweiterung dieser Biotope schaffen. Dies soll über eine neu zu schaffende Kryptowährung namens Arbil erreicht werden. Wer der Atmosphäre CO2 oder andere Treibhausgase durch natürliche oder technische Methoden entzieht, erhält dafür Arbil-Coins. Diese können wiederum zum Erwerb von Emissionsrechten genutzt werden, ohne dass sich das Treibhauslimit erhöht. Das Überleben von weltweit einzigartigen Ökosystemen wie dem Regenwald oder dem Great Barrier Reef ist für uns von höchster Bedeutung.

8. Freihandel 

Weltweiter Freihandel ist eine unbedingte Voraussetzung für weltweiten Wohlstand. Wir fordern daher die Verhandlungen im Rahmen der Welthandelsorganisation für ein internationales Freihandelsabkommen (FTA) fortzusetzen. Insbesondere die EU muss dabei ihre Blockadehaltung aufgeben und ihren Agrarprotektionismus endlich aufgeben. Die Agrarsubventionen der EU wollen wir deshalb binnen 15 Jahren vollständig abbauen. Sie verzerren den Wettbewerb und schaden Entwicklungsländern. Ein multilateraler und weltweiter Freihandel, der durch eine starke und demokratische WTO getragen wird, ist die Perspektive, für die wir Liberale einstehen. Bis dahin streben wir den Abschluss von so vielen FTAs wie möglich an, insbesondere CETA wollen wir zügig ratifizieren. Unabhängig davon fordern wir den einseitigen Abbau sämtlicher Zölle und Einfuhrbeschränkungen durch die EU.

9. Entwicklungszusammenarbeit

Die Entwicklung von demokratischen Strukturen und wirtschaftlichen Wachstums verläuft weder linear noch gleichmäßig und ist das Resultat eines komplexen Zusammenspiels von zahlreichen Faktoren wie Ressourcenreichtum, Humankapital, den internen ethnischen und kulturellen Strukturen oder auch der Handelspolitik der Industrieländer. Wertegeleitete Entwicklungszusammenarbeit (EZ) kann die Grundlagen für demokratische und rechtsstaatliche Strukturen legen, sowie einen Beitrag zur Bekämpfung absoluter Armut leisten. Aufgrund der Komplexität der zugrunde liegenden Problematik muss sie dabei durch andere Politikbereiche, wie zum Beispiel die Handelspolitik, unterstützt werden, um einen kohärenten Lösungsansatz zu gewährleisten und die Glaubwürdigkeit der EZ nicht zu unterminieren. Zudem darf die EZ nicht durch kurzfristig gedachten politischen Opportunismus instrumentalisiert werden, weshalb sie der Außen- und Wirtschaftspolitik nicht untergeordnet werden darf. Sofern EZ von den eigenen politischen oder wirtschaftlichen Interessen geleitet ist, darf kein „Deckmantel der Humanität“ verwendet werden. Eigene Interessen und Ziele müssen stattdessen ehrlich kommuniziert werden, um eine aufrichtige Zusammenarbeit auf Augenhöhe zu ermöglichen. Sinnvolle EZ muss sich bewusst sein, dass nachhaltiger Erfolg nicht erzwungen werden kann, sondern von der Bevölkerung des Partnerlandes selbst getragen werden muss. Die EU als demokratischer Akteur steht in Afrika mittlerweile in einem “Wettbewerb” mit China. Im Gegensatz zur europäischen wertegeleiteten EZ, spielt das für die chinesische EZ eine untergeordnete Rolle. Die EU muss deshalb ein attraktives Angebot schaffen und sich als der bessere Partner für Entwicklung etablieren.

10. Rüstungskontrolle

Wir Jungen Liberalen fordern Rüstungsexporte an Staaten, die grundlegende Menschenrechte missachten, andere Staaten unter Verletzung des Völkerrechts militärisch bedrohen oder völkerrechtswidrige Kriege führen, zu verbieten. Wir erkennen an, dass Rüstungsexporte notwendig sein können, um einen Staat dabei zu unterstützen, die Sicherheit in seinem Staatsgebiet wiederherzustellen oder um ihm die Fähigkeit zur effektiven Selbstverteidigung im Rahmen von Art. 51 UN-Charta zu ermöglichen. Rüstungsexporte an nicht-staatliche Akteure lehnen wir grundsätzlich ab. Ausschließlich in besonderen Ausnahmefällen, wo dies zur Abwendung einer humanitären Katastrophe unausweichlich ist, wie im Falle der Waffenlieferungen an die Syrian Democratic Forces für den Krieg gegen den Daesh, ziehen wir hiervon Ausnahmen in Erwägung.

III. Die Vereinten Nationen  

Die Jungen Liberalen bekennen sich zu den Vereinten Nationen. Die UNO stellt eine der wichtigsten Dialogplattformen für die Gewährleistung von Frieden und Sicherheit in der Welt sowie die Weiterentwicklung des Völkerrechts dar. Mit Bedauern stellen wir fest, dass ihre bedeutendste Institution, der UN-Sicherheitsrat, aufgrund des Vetorechts seiner ständigen Vertreter, häufig beschlussunfähig ist und die Weltgemeinschaft in der Folge dazu verdammt wird, selbst schwersten Menschenrechtsverletzungen tatenlos zuzusehen. Deshalb wollen wir die UN-Charta dahingehend reformieren, dass das Veto der ständigen Vertreter von einer Zweidrittelmehrheit der UN-Generalversammlung überstimmt werden kann.

Erbschaftsteuer abschaffen!

Das Vererben von Vermögen ist als Teil der Privatautonomie ein elementarer Bestandteil einer liberalen Wirtschafts- und Werteordnung. Das Erbrecht steht dabei unter besonderem Schutz des Verfassungsrechts. Dies hat in der Vergangenheit stets zu rechtlichen Konflikten über die Erbschaftsteuer geführt, die schlussendlich nur durch das Bundesverfassungsgericht entschieden werden konnten und zu immer komplizierteren Reformkompromissen durch die regierenden Koalitionen führten. Dabei steht ein vermeintliches Bedürfnis ausgleichende Gerechtigkeit zu schaffen und staatliche finanzielle Notwendigkeit dem Erbrecht des Einzelnen und dem Erhalt von Arbeitsplätzen gegenüber. Diese Ausgangssituation hat zu einer undurchsichtigen Zahl von Regelungen und Steuererleichterungen geführt, die weder praktikabel durchführbar sind, noch für echte Steuergerechtigkeit sorgen. Die aktuell existierende Erbschaftsteuer konserviert überdies durch den starken Bezug auf den Verwandtschaftsgrad (z.B. in Form des Freibetrages oder des Steuersatzes) noch das klassische Familienbild. Beziehungen zwischen nicht verwandten Personen werden ohne Grund schlechter gestellt. Dies untergräbt die eigenverantwortliche Entscheidung des Erblassers und stellt eine nicht zu rechtfertigende Lenkungswirkung dar.

Zudem ist die Erbschaftsteuer mit Blick auf die Bemessungsgrundlage eine faktische Doppelbesteuerung. Das angesparte Vermögen des Erblassers unterlag bereits bei dessen Erwerb der (Einkommens-)Besteuerung. Auch der Verkauf durch den Erben kann wiederum einen Einkommensteuerpflichtigen Vorgang darstellen, der durch § 35 b EStG nur unzureichend typisierend Beachtung findet. Somit kann es Situationen geben in denen auf den Erwerb durch den Erblasser, die Erbschaft selbst und auf den Verkauf durch den Erben drei Mal Steuer anfällt, ohne dass die steuerliche Mehrbelastung hinreichend beachtet wird.

In der jetzigen Form stellt die Erbschaftsteuer de facto eine anlassbezogene Vermögensteuer mit einem Höchststeuersatz von bis zu 50 % dar. Sie soll dazu dienen eine angebliche Chancengleichheit zwischen unterschiedlich vermögenden Erblassern herzustellen. Sie stellt jedoch nur ein System der Umverteilung dar. Wahre Chancengleichheit kann man nur mit einem stabilen sozialen Sicherungssystem, kostenloser Bildung und Förderung von der Schule bis zum Hochschulabschluss erreichen. Die Erbschaftsteuer untergräbt die eigenverantwortliche Vorsorge von Familien für ihre Nachkommenschaft und stellt eine Strafsteuer auf das Vermögen dar, dass der Erblasser nicht zu seinen Lebzeiten verbrauchen konnte.

Wir als Junge Liberale Niedersachsen sind davon überzeugt, dass die oben aufgeworfenen Probleme in keiner Weise in Einklang gebracht werden können. Daher fordern wir konkret die ersatzlose Abschaffung der Erbschaft- und Schenkungsteuer.

Internationaler Schutz für queere Personen

Die Jungen Liberalen fordern die Schaffung eines Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung aus Gründen der sexuellen Orientierung sowie der Geschlechtsidentität auf Ebene der Vereinten Nationen.

Dieses Übereinkommen muss insbesondere beinhalten:

  • ein Verbot der Kriminalisierung von einvernehmlichen gleichgeschlechtlichen sexuellen Handlungen zwischen einwilligungsfähigen Personen,
  • die Einführung eines einheitlichen Schutzalters für hetero- und homosexuelle Handlungen,
  • die Gewährleistung der Meinungs-, Presse-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit für queere Personen,
  • das Recht von queeren Personen offen in den Streitkräften ihres jeweiligen Staates zu dienen,
  • das Recht auf Eheschließung für gleichgeschlechtliche Paare und die Gleichbehandlung dieser Ehen in allen rechtlichen Belangen, vor allem im Steuer-, Familien-, Erb- und Adoptionsrecht,
  • den gleichen Zugang zu Reproduktionsmedizin für queere Personen im jeweiligen Staat, die Verpflichtung über queere Personen und ihre Rechte auch in der Schule aufzuklären und diese Aufklärung keinesfalls zu behindern oder zu verbieten,
  • die Verpflichtung zum staatlichen Schutz vor Diskriminierungen und Verfolgungen durch nichtstaatliche Akteure,
  • das Verbot von Diskriminierung in arbeits- und zivilrechtlichen Verhältnissen,
  • das Verbot von Konversionstherapien an Minderjährigen und das Verbot derartige Therapien an volljährigen Personen durch öffentliche Mittel zu finanzieren,
  • die Option, auch ohne geschlechtsangleichende Operation, dass im Pass bzw. Personalausweis eingetragene Geschlecht zu ändern sowie die Einführung eines dritten Geschlechts oder alternativ die Abschaffung des juristischen Geschlechts.

Um die Einhaltung des Übereinkommens zu kontrollieren wird ein Ausschuss für die Rechte queerer Personen geschaffen, der regelmäßig Berichte über den Stand der Verwirklichung des Übereinkommens in den einzelnen Vertragsstaaten erstellt und Beschwerden von Vertragsstaaten, Einzelpersonen oder Menschenrechtsorganisationen anhört.

Emissionshandel endlich etablieren – der Umwelt einen Preis geben!

In Zeiten der Bedrohung unseres Planeten durch den menschengemachten Klimawandel ist es wichtig, diesen zu bekämpfen und so die Erde für viele weitere Generationen lebenswert zu erhalten. Dabei ist der Klimaschutz nicht nur nationale, sondern auch europäische und internationale Aufgabe. Mit dem Klimaabkommen von Paris ist ein guter Anfang gemacht, jedoch fehlt oft der tatsächliche, finanzielle Anreiz zum Klimaschutz. Der Europäische Emissionshandel EU ETS (European Union Emissions Trading System) ist trotz der dritten Handelsperiode noch nicht ausreichend, um echte Anreize Emissionen einzusparen zu schaffen. Deswegen setzen sich die Jungen Liberalen für die Etablierung des internationalen Emissionshandels ein und fordern eine Reform des bestehenden EU ETS.

Für die dritte Handelsperiode (2013 bis 2020) befinden sich 15,6 Milliarden Zertifikate im Umlauf, wobei ein Zertifikat für eine Tonne emittiertes Treibhausgas steht. Diese 15,6 Milliarden werden abnehmend auf die Jahre verteilt. Im EU ETS wird durch ein Cap, einer Deckelung der ausgegeben Zertifikate, reguliert, wie viel Treibhausgase die EU ausstößt. Hierbei wird durch die jährliche Anpassung der Cap über den linearen Reduktionsfaktor (LRF) ein sinkendes Niveau erreicht. Dieser LRF ist allerdings zu gering.

Wir plädieren für einen Fortbestand des Caps, jedoch muss dieser durch eine neue Berechnung und Erfassung der Emissionen der EU neu definiert werden. Die Zertifikatmenge muss zu Beginn der Handelsperiode den Emissionsausstoß der Europäischen Union deckeln und nicht den Stand der jetzigen Zertifikatsmenge wiederspiegeln. Der dann in Kraft tretende LRF muss, um effektiv auf das Klima Auswirkungen zu zeigen, größer als 3% sein. Bisher liegt der LRF bei maximal 2,2%. Dadurch streben wir auch eine Veränderung der Martkstabilitätsreserve (MSR) an. Die MSR soll zukünftig nur noch die Menge an Zertifikaten enthalten, die in einem Jahr durch den LRF abgebaut werden. Eine Ansammlung großer Reserven wie bisher vorgesehen ist nicht zielführend. Jedoch ist der Erhalt der MSR wichtig, um Zeiten großer industrieller Auslastung oder hohen Zuwanderungsraten abzufedern.

Um langfristig gesehen den Anreiz zu schaffen, eine 100%-ige Deckung der Emissionen durch Zertifikate zu erreichen, müssen schrittweise die erfassten Emittenten, d.h. alle emissionsausstoßenden Fertigungs- und Transportzweige ergänzt werden. Heute liegt die Quote der Erfassung von Emissionen im EU ETS nur bei 45%. Dabei ist besonders der Einbezug des Schiffverkehrs zu beachten und mit hoher Priorität zu sehen, um eine größere Abdeckung zu erreichen. Durch eine 100%-ige Zertifikatsdeckung kann auch die Energie- und KFZ-Steuer ersetzt werden, da durch die Zertifikatspflicht der Emittent die Treibhausgasemissionen erfasst und bepreist werden. Hierzu müssen Emissionen anders bewertet werden. Als neue Berechnungsgrundlage muss der Energieträger (Kohle, Benzin, Kerosin, Öl etc.), der z.B. bei der Energiegewinnung Emissionen erzeugt wird, und nicht wie bisher die Verwendung des Rohstoffs ausschlaggebend sein. Für den Individualverkehr müssen die Zertifikate direkt von den Produzenten oder Herstellern der Brennstoffe erworben werden. Diese geben dann die Kosten an die Verbraucher weiter. Eine Ausnahme von der Emissions-Zertifikatspflicht soll es nur im Innovationssektor, also Forschungseinrichtungen, der Raumfahrt und für Start-Ups geben. Weiterhin soll es für in die EU umsiedelnde emittierende Unternehmen eine Schonfrist geben, die gemessen an der Gesamtemission des Unternehmens ausgerechnet wird und maximal 5 Jahre betragen darf.

Um einen Handel sinnvoll zu gestalten, muss auf Schenkungen jeglicher Art verzichtet werden, sodass Zertifikate ausschließlich von der EU versteigert werden und anschließend von den Unternehmen frei gehandelt werden. Der EU ETS soll sich dynamisch und an technischen Neuerungen angelehnt verändern. So besteht auch weiterhin die Möglichkeit durch Offsetting Zertifikate zu generieren, grundsätzlich jedoch ohne dabei die Cap zu verschieben. Offsetting ist die Möglichkeit durch aktive CO2 Bindung oder Entfernung (z.B. durch Asphalt, Waldprojekte, Klimaschutzprojekte, CO2 Bindungsanlagen) die Menge an CO2, manchmal erst langfristig, zu verringern. Zunächst bleibt die Cap unverändert und nicht ausgegebene Zertifikate werden durch Offsetting-Zertifikate ersetzt. Sind alle Zertifikate ausgegeben, so sollte es trotzdem möglich sein, dass Unternehmen Offsetting-Zertifikate erhalten, da diese eine zuverlässige Einnahmequelle sein sollten. Der Netto-Gesamtausstoß würde dadurch nicht steigen, da diese zusätzlichen Zertifikate nur mit einer Emissionsbindung einhergehen können. Langfristig soll bei Erreichen von weltweiter CO2-Neutralität ein Ausstoßen von CO2 nur noch durch den Erwerb von mittels Offsetting generierten Zertifikaten möglich sein.

Klimaschutz muss stets internationale Aufgabe sein. Nationale Alleingänge bzw. Enthaltungen gefährden den Gesamterfolg der bisher bestehenden Systeme. Deshalb setzen sich die Jungen Liberalen für die internationale Etablierung eines Emissionszertifikatssystems ein.

Wir wollen zunächst, für den Erfolg des Emissionshandelssystems zwingend notwendige, Obergrenzen an ausgegebenen Zertifikaten auf nationaler Ebene (bzw. im EWR auf europäischer Ebene) einführen, dabei aber als langfristiges Ziel vor Augen haben, die Obergrenzen an ausgegebenen Zertifikaten auf internationaler Ebene zu beschließen. Dabei ist uns wichtig, dass umfassender Handel im Rahmen eines offenen und freien Marktes möglich ist.

Da die Etablierung bzw. der Ausbau eines Emissionshandelssystems mit erheblichem finanziellen und organisatorischem Aufwand verbunden ist, soll für die Bewältigung dieser und weiteren, in direktem Zusammenhang mit der Einführung des Systems stehenden Aufgaben, eine internationale Koordinierungsstelle geschaffen werden. Diese Stelle muss zur Erfüllung ihrer Aufgaben ausreichend finanziell ausgestattet sein, der finanzielle Bedarf wird durch Mittel aus der Zertifikatsversteigerung gedeckt.

Die restlichen Mittel sollen dezentral auf die Mitgliedstaaten des internationalen ETS verteilt werden und von diesen in Umweltschutz, Erforschung klimafreundlicher Technologien und Anpassungsmaßnahmen zur Minderung der Klimaschäden (z.B. der Bau von Dämmen) investiert werden. Der Verteilungsschlüssel sollte dabei Entwicklungsländer und Länder mit hohen Emissionsmengen mit höheren Mitteln besehen. Über die korrekte Verwendung der Mittel muss international gewacht werden und bei Verstößen haben Strafzahlungen zu erfolgen.

Uns ist bewusst, dass der Klimaschutz meist für Unternehmen eher mit Kosten, ohne direkten bzw. konkreten ökonomischen Nutzen verbunden ist. Dementsprechend scheint auf den ersten Blick die Mitwirkung am internationalen Emissionshandel für viele Nationen unattraktiv. Um den Erfolg bzw. den Nutzen des Systems nicht zu gefährden, sehen wir uns gezwungen, Anreize für die Mitwirkung von Nationen zu liefern. Insbesondere manche Schwellen- und Entwicklungsländer emittieren stetig erhöhte Mengen an Treibhausgasen in die Atmosphäre. Wir erkennen an, dass dies im Rahmen der wirtschaftlichen Entwicklung teilweise nicht bzw. nur schwierig vermeidbar ist und diese Staaten bislang relativ wenig Emissionen produziert haben. Dies wollen wir entsprechend berücksichtigen, dennoch ist eine Totalverweigerung der Mitwirkung dieser Staaten am System des Emissionshandels nicht akzeptabel. Deshalb setzen wir uns dafür ein, diesen sich verweigernden Staaten Mittel zur Entwicklungszusammenarbeit zu kürzen bzw. im Extremfall vollständig zu entziehen. Wir wollen uns dafür einsetzen, Mittel zur Entwicklungszusammenarbeit nicht nach dem Gießkannenprinzip, sondern in Form von projektorientierter Hilfe, ggf. in Form der Vergabe von Zertifikaten des Emissionshandelssystems, umzusetzen. Dabei darf allerdings die wirtschaftliche Entwicklung dieser Länder durch das Emissionshandelssystem nicht übermäßig beeinträchtigt werden, dies muss in diesem Rahmen stets berücksichtigt werden. Um Staaten, die nicht auf Entwicklungszusammenarbeit angewiesen sind, zur Zusammenarbeit im Rahmen des Emissionshandels zu bewegen, wollen wir uns dafür einsetzen, den Beitritt zu (Frei-)Handelsabkommen von der Mitwirkung am Emissionshandel abhängig zu machen. Dies soll als zusätzlicher Motivator dienen.