Lehrerfortbildung

1. Ruf nach Fortbildungspflicht

Im Zusammenhang mit der PISA Studie wird in der Öffentlichkeit die Forderung nach einer Pflicht zur Fortbildung für Lehrkräfte erhoben. Es wird angeführt, dass der Unterricht effektiver und die Leistungsergebnisse der Schüler im internationalen Vergleich besser werden, wenn sich alle Lehrer fortbilden. Eine weiteres Argument für eine Fortbildungspflicht ergibt sich aus der zunehmenden Selbstständigkeit von Schulen. Die bestehende Aus- und Fortbildung ist auf Pädagogik, Schulfächer und Schulformen bezogen, nicht auf die Schule als pädagogische Handlungseinheit. Diese neue Einstellung erfordert neue Kompetenzen, die bisher nur in geringem Umfang vermittelt werden.

2. Rechtliche Möglichkeiten zur Fortbildungspflicht

Das Niedersächsische Schulgesetz sagt schon jetzt aus: „Die Lehrkräfte sind verpflichtet, sich (…) fortzubilden“ (NSchG, § 51,2). Dies findet größtenteils ungesteuert durch Lektüre von Fachliteratur statt und nicht durch Teilnahme an kommunikativen Arbeitsformen wie Foren, Arbeitsgruppen oder Kursen.

Die Niedersächsische Laufbahnverordnung kann zwar nach § 41 Abs. 2 NLVO, Beamte verpflichten, an konkreten dienstlichen Fortbildungen teilzunehmen, jedoch sind die wenigen angebotenen Kurse bereits von freiwillig teilnehmenden Lehrkräften mehrfach überbucht.

Der Erlass „Regelungen für Fortbildung und Weiterbildung im niedersächsischen Schulwesen“ (Erlass des Kultusministeriums vom 23.04.1996) regelt alle formalen Aspekte der Durchführung der verschiedenen Formen dienstlicher Fort- und Weiterbildung. Er sieht vor, Kurse „auf zentraler, regionaler und schulinterner Ebene in der Unterrichtszeit und (…) in der unterrichtsfreien Zeit einschließlich Schulferien“ durchzuführen. Möglich sind „Nachmittagsveranstaltungen, (…) Ganztagsveranstaltungen (…) Abendveranstaltungen“ und mehrtägige Veranstaltungen.

Da die Arbeitszeit der Lehrkräfte teilweise schulische Unterrichtszeit und teilweise heimische Verwaltungsarbeit beinhaltet, müssen Fortbildungen weiterhin zum Teil in der unterrichtsfreien Zeit absolviert werden. Fortbildungen ohne Ausgleichsregelung in den Schulferien durchzuführen, um Unterrichtsausfälle zu vermeiden, wirft grundsätzliche Probleme auf: Die Kultusministerien verweisen im Rahmen rechtlicher Auseinandersetzungen um die Arbeitszeit der Lehrkräfte stets auf den kompensatorischen Effekt der Ferienzeit für Höherbelastungen der Lehrkräfte während der Schulzeit im Vergleich zu anderen Berufsgruppen. Aber auch nach Verrechnung mit den Schulferien arbeiten Lehrkräfte je nach Untersuchungsmethode 39,6, 40,5, 40,0, 43,0, 44,2, 41,6, 40,7, 41,4 bzw. 42,2 Zeitstunden pro Woche bezogen auf das Kalenderjahr. Dieser Wert liegt höher als die durchschnittliche Arbeitszeit im öffentlichen Dienst von 38,5 Stunden und schöpft somit schon den Rahmen der Verpflichtung zu unbezahlter Mehrarbeit im Beamtenrecht aus.

3. Ziele der Fortbildungspflicht

Zunehmend selbstständige Schulen entwerfen in ihrem Schulprogramm ein Grundkonzept ihrer Zielvorstellungen und formulieren einen Entwicklungsplan. Damit entsteht die Verantwortung der Schulleitungen, in einem vorgegeben Rahmen über Auswahl und Umfang der Fortbildung ihrer Lehrkräfte zu entscheiden.

Die Schulen bedürfen in diesem Prozess zentral angebotener, qualitativ hochwertiger, flexibel abrufbarer Beratungs- und Fortbildungsangebote. Vorhandene Potenziale und Angebote müssen wirksam gebündelt und koordiniert sowie externe Anbieter verstärkt einbezogen werden.

4. Finanzierung der Fortbildungspflicht

Bei einer Pflicht zur Teilnahme an einem bestimmten Umfang von Fortbildungen stellt sich die Ressourcenfrage. Bei ca. 3.700 Schulen und ca. 75.000 Lehrkräften in Niedersachen und momentan ca. 2.000.000 € Fortbildungsetat wäre pro Lehrkraft nur etwa alle zehn Jahre eine einwöchige Fortbildung möglich.

In diesem Zusammenhang ist es bedenklich, dass von einer ungleichen Verteilung der Ressourcen für die Ausbildung einerseits und für die Fort- und Weiterbildung andererseits geredet wird. Es darf nicht zu einer Umverteilung der Mittel zu Lasten der Lehrerausbildung kommen, sondern es wird eine Erhöhung der Mittel für die Lehrerfortbildung benötigt.

Da die Festlegung der Schulprogramme und Entwicklungsziele Aufgabe der selbstständigen Schulen ist und dies auch für die Auswahl der Qualifizierungsangebote gilt, müssen den Schulen auch Haushaltsmittel zur Verfügung stehen, entsprechende Unterstützung einzuholen. Dies kann grundsätzlich nur über eine Budgetierung geschehen.

5. Kontrolle der Ziele der Fortbildungspflicht

Zur Dokumentation erworbener Qualifikationen und damit auch zur Rechenschaftslegung ihrer eigenen Fortbildungsbemühungen legen Lehrkräfte ein Portfolio an. Dieses dient der Schaffung von Transparenz von Qualifikationen angesichts der ständig wachsenden Mobilität und der Tendenz zur Erweiterung und Versachlichung von Beurteilungsformen.

In Modellversuchen mit wissenschaftlicher Begleitung kann dieses Konzept in der Praxis erprobt und optimiert werden. Für die konkrete Ausgestaltung einer notwendigen Versuchsphase ist eine Vereinbarung zwischen Kultusministerium, öffentlichen und privaten Anbietern von Fortbildungsangeboten, Lehrerverbänden sowie Eltern- und Schülerverbänden notwendig.