Sozialer Aufstieg – Für eine Gesellschaft, in der jeder alles werden kann

I. Präambel

In einer liberalen Gesellschaft sollte jeder alles erreichen können – wenn er nur will. Faktisch erleben wir aber, dass die soziale Herkunft die Chancen auf Bildung, Verdienst und Möglichkeiten der freien Lebensentfaltung, immer noch zu stark beeinflusst. Damit wird in Deutschland nicht nur Potenzial verschenkt, das vor dem Hintergrund der Automatisierung der Wirtschaft dringend benötigt wird. Es wird auch unserem Anspruch an einen liberalen Staat nicht gerecht, in dem die Voraussetzungen für jeden geschaffen werden sollten, sich über Leistung seinen Status zu erarbeiten, unabhängig von Herkunft oder Bildungsstand der Eltern. Für uns als Junge Liberale ist dabei klar: Chancengerechtigkeit ist nicht gleich Ergebnisgleichheit. Es geht darum, dass jeder in unserer Gesellschaft die gleichen Startchancen hat.

Menschen, die den sozialen Aufstieg wagen, sehen sich einer Vielzahl von Herausforderungen gegenüber, die sie auf ihrem Weg begleiten. Hierbei spielt die Sozialisation in der Familie häufig eine große Rolle. Es fehlt an Vorbildern, an Bezugsformen und an Sicherheit im Umgang in anderen Milieus. In erfolgreichen Aufstiegsbiographien findet sich das Motiv des Dranges zur individuellen Weiterentwicklung und eine generelle Unzufriedenheit mit der eigenen Situation wieder. Umso weiter der Aufstieg auf der “sozialen Leiter” voranschreitet, umso mehr entfernten sich die Betroffenen von ihrem sozialen Herkunftsmilieu. Auf der Suche nach einer neuen sozialen Heimat, haben die Aufsteigenden häufig Probleme ihre eigene Identität zu definieren. Berührungspunkte zu Familie und Freunden nehmen ab, während im neuen Umfeld Menschen fehlen, die die gemachten Erfahrungen teilen. Hier müssen gesellschaftliche Weichenstellung erfolgen. Wir wollen daher Patenschafts-Programme, wie arbeiterkind.de weiter unterstützen und neue Mentoring Angebote schaffen.

Bereits frühzeitig können durch kulturelle Bildung Soft-Skills und Anknüpfungspunkte geschaffen werden. Wir sehen gerade Musik- und Kunstverständnis als Weg, um Brücken auf- und Barrieren abzubauen.

Wir Junge Liberale sehen eine gute Bildungspolitik, eine bessere Eingliederung in den Arbeitsmarkt und eine Aufwertung von Einrichtungen in sozialen Brennpunkten als entscheidende Maßnahme zu echter Chancengerechtigkeit. Nur so befähigen wir jeden Einzelnen, seine eigenen Ziele zu erreichen

II. Bildungsaufstieg

Wir wollen, dass  Kinder alles werden können – außer dumm. Deswegen ist beste Bildung die wichtigste Grundvoraussetzung für einen idealen Start in das Leben. 

Schon in jüngsten Jahren können die Grundsteine für die Zukunft gelegt werden. Auch schon in der Kita werden immer mehr Bildungsaufgaben (frühkindliche Bildung) wahrgenommen. Damit jeder im gleichen Maße profitieren kann brauchen wir deshalb die beitragsfreie Kita. Die beitragsfreie Kita ist dabei Aufgabe des Landes. Das Land muss als Finanzie auftreten.

Verpflichtende jährliche Sprachstandserhebungen in allen Kindertagesstätten sollen ermöglichen, dass Fördermaßnahmen für alle Kinder mit sprachlichen Defiziten durchgeführt werden können. Spätestens ein Jahr vor der Einschulung müssen auch Kinder, die keinen Kindergarten besuchen, an einer Sprachstandserhebung teilnehmen und im Falle von Defiziten an einer verpflichtenden Sprachförderung teilnehmen. In diesem Zusammenhang begrüßen wir das Programm “FIT in Deutsch” zur frühzeitigen Sprachförderung.

Wir vergessen dabei nicht, dass das Hauptziel des Kindergartens die Sozialisierung und das verbessern der Motorik durch spielen ist. Wir wollen die Kreativität fördern und Räume ermöglichen sich individuell zu entwickeln. Dabei ist uns wichtig, dass die bürokratischen Erhebungen nicht zu lasten der Qualität und dem Umfang der Betreuung geht.

Die Verpflegung in Kindertageseinrichtungen und in Schulen hat eine Vorbildfunktion beim Thema gesunder Ernährung, der zu oft nicht genügt wird. Wir fordern deshalb verbindliche Qualitätsstandards, die sich an den Vorschlägen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung orientieren.

Das Schulmittagessen soll dabei grundsätzlich für die Schüler kostenfrei sein. Die Mehraufwendungen sind vollständig durch das Land Niedersachsen zu tragen.

Das Schulstarterpaket wollen wir weiterentwickeln. Anstelle von zusätzlichen Geldleistungen sollen vermehrt Sachleistungen verteilt werden. Die Angebote der außerschulischen Lernförderung (Nachhilfe) sollen erweitert werden, sodass zukünftig nicht nur das “Erreichen der Lernziele” (idR die Versetzung), sondern auch die schulische Verbesserung ermöglicht wird. Den § 114 NSchG (Schülerbeförderung) wollen wir reformieren, sodass die notwendigen Beförderungskosten auf dem Schulweg grundsätzlich erstattungspflichtig sind, unabhängig von der Entfernung zur gewählten Schule. Ein ausreichendes ÖPNV Angebot ist zwingend bereitzustellen.

Die Unterrichtsqualität an allen niedersächsischen Schulen wollen wir verbessern. Schulgebäude müssen, wo notwendig, saniert und die Möglichkeiten der Digitalisierung genutzt werden. Zudem müssen mehr Lehrer eingestellt werden, um Unterrichtsausfall zu vermeiden, die Lehrerschaft zu entlasten und mittelfristig den Klassenteiler zu senken. Zuletzt unterstützen wir die landesweite Einführung von Schulgirokonten, über welche alle Zahlungen der Schulen abgewickelt werden sollen. Für Schulen soll das zugehörige Haushaltsjahr an das Schuljahr angepasst werden.

1. Grundschule

Die Grundschule ist das Fundament der deutschen Bildungslandschaft. Bereits hier gilt es, den Grundstein für eine erfolgreiche Bildungsbiographie zu legen.

Wir wollen, dass neben Grundlagen in der Allgemeinbildung, Mathe und Deutsch die Bildungsmotivation stärker in den Mittelpunkt rücken soll. Die Vermittlung von Soft Skills und die Stärkung des eigenen Selbstvertrauens sind die Basis für den späteren Bildungserfolg. Lehrer sollen nicht nur Fachexperten, sondern auch Bezugspersonen, Ansprechpartner und Motivationstrainer sein und gezielt Fördermöglichkeiten aufzeigen können.

Dazu fordern wir, dass mehr Schulsozialarbeiter an Grundschulen eingestellt werden. Außerdem sollten Grundschullehrer in ihrer Ausbildung oder in Fortbildungen besonders geschult werden, um Kinder aus sozial schwächerem Umfeld bestmöglich unterstützen zu können.

2. Weiterführende Schule

Der Übergang von der Grundschule auf eine weiterführende Schule ist die wohl selektivste Schwelle unseres Schulsystems. Untersuchungen belegen, dass Kinder aus einem sozial schwächerem Umfeld – trotz gleicher Leistung – deutlich seltener auf ein Gymnasium gehen.

Daher wollen wir, dass im 4. Schuljahrgang verpflichtende Beratungsgespräche zwischen Grundschullehrer, Erziehungsberechtigten und dem Schulkind im Sinne des § 59 Abs. 1 NSchG zur weiteren Schullaufbahn stattfinden. Hierbei sollen die Fähigkeiten und Interessen, das Arbeits- und Sozialverhalten und insbesondere die schulische Lernentwicklung des Kindes berücksichtigt werden.

Durch eine Orientierungsphase in der Klassenstufe 5, als Bindeglied zwischen der Grundschule und dem weiterführenden Angebot der Sekundarstufe I möchten wir den Schülern die Möglichkeit geben sich besser in ihrer weiterführenden Schule zurechtzufinden. Auch die Erziehungsberechtigten brauchen Zeit, sich mit der ihnen gegebenenfalls nicht vertrauten Lernumgebungen bekannt zu machen. Die Orientierungsphase soll der Überprüfung der Wahlentscheidung zur Schulform dienen. Zudem wollen wir einen flexibleren Schulwechsel zwischen den weiterführenden Schulformen ermöglichen, indem tatsächliche Zugänge eröffnet werden. Vor dem Hintergrund einer Internationalisierung des Arbeitsmarkt und um den Wechsel in einer späteren Klasse zu erleichtern fordern wir, dass ab der 6. Klasse das Erlernen einer zweiten Fremdsprache an allen Schulformen zum Pflichtfach wird.

Ferner ist es notwendig, die Digitalisierung als Absicherung vor Armut in die Mitte der Entwicklung zu stellen. Dringend erforderlich ist also eine Integration von digitalen und informationstechnischen Inhalten in die Lehrpläne. Algorithmik, Datenschutz, Big Data, künstliche Intelligenzen, Programmiersprachen und gesellschaftliche Risiken sind in die verschiedenen Unterrichtsfächer einzubinden. Ein Smartphone bedienen zu können, wird zukünftig keine ausreichende Grundlage mehr bilden. Es ist absehbar, dass zukünftige Arbeitsplätze nur unter Rücksichtnahme weitreichender IT-Grundkenntnisse noch zielführend und im internationalen Wettbewerb erfolgreich ausgeübt werden können.

Wir fordern ferner, dass insbesondere Oberschullehrer besonders sensibilisiert werden leistungsstarke Schüler zu unterstützen und zu ermutigen, es auf einer vermeintlich schwierigeren Schulform zu versuchen. Selbstzweifel von Schülern sollen hier direkt angesprochen werden und Perspektiven aufgezeigt werden. Auf Seiten der Lehrkräfte sollen Vorurteile gegenüber anderen Schulformen abgebaut werden, indem Praktika an den verschiedenen Schulformen Bestandteil der Lehramtsausbildung werden.

Das Erlernen sozialer und gesellschaftlicher Kompetenzen soll Schülern in Arbeitsgemeinschaften nach finnischem Vorbild ermöglicht werden. In solchen Kursen soll auch langfristiges Planen geübt werden. Mithilfe von Gastrednern aus Gesellschaft und Wirtschaft, die bspw. über ihren Bildungsaufstieg reden, kann die Motivation der Schüler durch Aufzeigen positive Vorbilder gestärkt werden.

Insbesondere wollen wir die Bildungschancen und das Leistungsniveau an Schulen in sozialen Brennpunkten verbessern und perspektivisch an das in Schulen außerhalb von sozialen Brennpunkten angleichen. Dazu müssen Brennpunktschulen anhand des gesamten sozialen Umfeldes definiert werden. Diesen Schulen soll vom Land jeweils ein eigenes Budget zur Verfügung gestellt werden, dessen Höhe über die Zahl der Schülerinnen und Schüler zu bestimmen ist. Damit können die betreffenden Schulen zusätzliches Personal, Material sowie externe Partner finanzieren. Voraussetzung für die Bereitstellung dieser zusätzlichen Mittel ist die Ausarbeitung eines eigenen Konzepts zur zusätzlichen Förderung der Schülerinnen und Schüler, um ihrem besonderen Förderbedarf gerecht zu werden und bestehende Leistungsunterschiede abzusenken. Die Landesregierung soll hierzu Leitlinien und Ziele definieren und eine umfassende Evaluation an den einzelnen Schulen über den Erfolg der ergriffenen Maßnahmen durchführen. Die jeweiligen Konzepte bedürfen der Genehmigung durch die Niedersächsische Landesschulbehörde. Die Landesschulbehörde überprüft regelmäßig den Förderbedarf dieser Schule – sich als notwendig erwiesene Maßnahmen werden weiterhin und dauerhaft finanziert, andere werden planbar zurückgebaut und an normale Zustände angepasst.

Durch Praktika wollen wir Schülern ermöglichen einen Einblick in das Berufsleben zu erhalten. Dadurch wollen wir insbesondere Handwerksberufe attraktiver machen und eine generelle Wertschätzung für Ausbildungsberufe schaffen. Des Weiteren wollen wir, dass an allen weiterführenden Schulen über alle Berufs- und Studienwege, beispielsweise über Universitätstage oder Jobmessen, und daran ansetzend über Finanzierungsmöglichkeiten informiert wird.

3. Universität

Der Zugang zur Universität darf aus Sicht der Jungen Liberalen nicht am Geldbeutel scheitern. Der Kostendruck und ein langes Studium ohne kurzfristig ein geregeltes Einkommen vorweisen zu können, sind nach wie vor Hemmnisse die junge Menschen aus nicht-akademischen Elternhäusern vom Studium abhält. Daher fordern wir, neben einem elternunabhängigen Bafög, eine Anschubfinanzierung für Studierende der ersten Generation in Form eines zinslosen Darlehens, das erst nach erfolgreichem Studium in Raten zurückgezahlt werden muss. Damit sollen die Kosten von Lernmaterialien, der Semesterbeitrag, die erste Miete und eine eventuell anfallende Kaution abgedeckt werden. Dieses System soll an die Bildungskredite angeknüpft werden. Finanzielle Lücken, wie sie durch eine zum Teile lange Bearbeitungsdauer von Bafög-Anträgen, Umzugskosten oder fällige Semesterbeiträge entstehen, können so ausgeglichen werden. Zudem besteht kein direktes finanzielles Risiko bei einem Scheitern im Studium.

Erwerbsarbeit neben dem Studium wollen wir erleichtern. Studierende, die einer Nebentätigkeit nachgehen, wollen wir entlasten, indem wir ihnen ermöglichen bis zu einem Einkommen in Höhe des Grundfreibetrags in der Familienversicherung zu verbleiben. Die Verdienstgrenze bei Minijobs soll dynamisch auf das 60-fache des Mindestlohns angehoben werden. Dazu muss die Anrechnungsgrenze des Bafögs (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 BAföG) signifikant erhöht werden.  Weiterhin sind Pflichtkurse im Studium weitestgehend abzuschaffen, um eine größtmögliche Flexibilität für die Studierenden  zu gewährleisten.

Studentische Initiativen, die in Projekten die Erstsemester-Studierenden betreuen und beratend zu Fragen rund um das Studium zur Seite stehen, wollen wir durch einen jährlichen Wettbewerb honorieren, bei dem die innovativsten Ansätze ausgezeichnet werden.

Außerdem wollen wir auf Stipendienprogramme – auch abseits der klassischen Elitenförderung – besser aufmerksam machen und hier für eine Erhöhung des Fördervolumens eintreten. Durch eine breit angelegte Begabtenförderung können mittelfristig das Bildungsverhalten und die Bildungsplanung positiv beeinflusst werden.

Zudem wollen wir die Möglichkeiten zur Erlangung der Hochschulzugangsberechtigung über die berufliche Vorbildung erleichtern.

4. Berufsausbildung

Wir Junge Liberale stehen für eine moderne berufliche Bildung. Für uns ist dabei klar, dass ein Meister so viel Wert sein soll wie ein Master.

Wir verstehen die erfolgreiche Absolvierung einer Berufsausbildung als Chance in ein selbstbestimmtes Leben. Die Ausbildung muss daher so attraktiv sein, sodass sie auch als Einstieg zum Aufstieg angesehen wird.

Wir setzen uns dafür ein, dass Wohnheimplätze auch für Auszubildende in Gebieten mit niedrigem Leerstand geschaffen werden. Wir wollen ein Angebot für ein freiwilliges Azubi-Semesterticket schaffen und ein Aus- und Weiterbildungs-Bafög einführen. Zudem soll die Ausbildung, da wo es möglich ist modularisiert werden, um auch Teilqualifizierungen zu ermöglichen. Dabei sollen Prüfungsleistungen von Studienabbrechern angerechnet werden können. Die duale Berufsausbildung wollen wir stärken. Daher fordern wir, dass Berufsschulen bestmöglich ausgestattet werden und mehr Fachpraxisunterricht stattfindet. Ausbildungsbegleitende Hilfeleistungen sollen von qualifiziertem Fachpersonal durchgeführt werden. Über bestehende Fördermaßnahmen soll besser informiert werden und finanzielle Hilfen sollen leichter zugänglich werden. Das Begabtenförderungswerk berufliche Bildung wollen wir besser ausstatten.

Zudem wollen wir die Möglichkeit schaffen einen qualifizierten Berufsabschluss über Berufserfahrung zu erlangen, wenn eine angemessene Zeit in einem Betrieb gearbeitet wurde ohne vorher eine formelle Berufsausbildung abgeschlossen zu haben.

III. Beruflicher Aufstieg

Als Liberale glauben wir, dass jeder Mensch Chancen verdient, sein Leben zu gestalten. Die derzeitigen Unterstützungsangebote für Arbeitssuchende und Arbeitslose sind allerdings unzureichend. Das System aus Sozialhilfe und Arbeitslosengeld wollen wir durch unsere Vision vom liberale Bürgergeld ersetzen. Auf dem Weg dahin wollen wir allerdings noch kurz- und mittelfristig Anpassungen am jetzigen System vornehmen.

1. Beratung und Qualifizierung

Wir wollen jedem im bestehenden System der Arbeitsagenturen, seinen Fähigkeiten nach eine passgenaue Beratung, Förderung und Qualifizierung ermöglichen.

In einem ersten Schritt sollen durch Eignungs- und Interessentest auf freiwilliger Basis die Qualifikationen, unabhängig von Schulzeugnissen, ermittelt werden. Die Ergebnisse stehen dann während der Beratungsgespräche zu einer individuellen Förderung als Orientierungshilfe zur Verfügung.

Zudem wollen wir, dass eine psychologische Beratung angeboten wird, um tieferliegende Probleme zu identifizieren und erforderliche Unterstützung anbieten zu können.

Weiterbildungsmaßnahmen, die im Endeffekt nur zur Beschönigung von Statistiken dienen lehnen wir ab. Wenn eine Fördermaßnahme durchgeführt wird, muss diese auf die Situation des Arbeitssuchenden passen. Es darf nicht bloß der Anspruch sein einen beliebigen Arbeitsplatz zu verschaffen, sondern das bestmögliche Angebot zu vermitteln. Auch nach der erfolgreichen Vermittlung soll eine weitere Unterstützung, wenn gewünscht, erfolgen. Wir wollen zusätzlich, dass auch Arbeitnehmer, die bereits in einem Beschäftigungsverhältnis sind, auf die Angebote der Arbeitsagentur zurückgreifen können. Das ausgeprägte Netzwerk der Agenturen soll hier zur Unterstützung bei der Suche nach einem besseren Job oder einem geeigneten Weiterbildungsangebot genutzt werden können, denn wir sehen in der berufliche Weiterbildung eine elementare Chance, um Karriereperspektiven zu eröffnen.

Das Problem Analphabetismus

In Deutschland gelten ca. 7,5 Millionen Menschen als funktionale Analphabeten. Diese Hürde an der gesellschaftlichen Teilhabe wollen wir bekämpfen.  Die Jungen Liberalen setzen sich für niedrigschwellige, kostenlose Lernangebote für Analphabeten ein und unterstützen die sogenannte “Dekade für Alphabetisierung”.

2. Motivation und Umfeld

Die beste Beratung kann nur funktionieren, wenn der Betroffene eine intrinsische Motivation zum Vorankommen hat. Eine hohe Motivation muss dann auf eine realistische Perspektive treffen. Gute Beratung zeigt deshalb auf, wie mit machbaren Maßnahmen in einem überschaubaren Zeitplan ein Aufstieg, in Form einer größeren Wohnung, eines geregelten Einkommens oder eines Urlaubs, erreicht werden kann. Konkurrenzsituationen mit Nachbarn, die nur durch Sozialleistungen einen ähnlichen Lebensstand haben wie der Erwerbstätige, müssen unbedingt vermieden werden.

Negative psychosoziale Folgen der Arbeitslosigkeit treten dann nicht ein, wenn Menschen davon ausgehen (können), dass sie bald wieder eine Arbeitsstelle finden werden. Deshalb sollte der Anreiz, dies durch Maßnahmen des “Förderns und Forderns” zu realisieren, aufrecht erhalten bleiben. Daher wollen wir das derzeitige Sanktionssystem, welches mangelnde Kooperation mit der Arbeitsagentur bestraft, beibehalten.

3. Bekämpfung von Erwerbsarmut

Der Wahlspruch “Leistung muss sich wieder lohnen” mag veraltet sein, ist in der Sache jedoch nach wie vor richtig. Wir Junge Liberale sind der festen Auffassung, dass derjenige der arbeitet am Ende mehr haben muss als jemand der von staatlichen Sozialleistungen lebt. Das heißt allerdings auch, dass wir einen überbordenden Niedriglohnsektor, der über ein “Sprungbrett in den Arbeitsmarkt”-Verhältnis hinausgeht, ablehnen. Wir wollen nicht, dass Menschen dauerhaft zu “Aufstockern” werden, die trotz Erwerbstätigkeit von staatlichen Sozialleistungen leben müssen.

Das wirksamste Mittel gegen Erwerbsarmut sind starke Gewerkschaften. Daher fordern wir die Abschaffung des Tarifeinheitsgesetzes, damit sich jeder Arbeitnehmer weiterhin seine Gewerkschaft aussuchen kann. Der Wettbewerb zwischen verschiedenen Gewerkschaften stärkt eine unabhängige Arbeitnehmervertretung. Aber auch Gewerkschaften müssen sich hier dem Wandel der Arbeitswelt anpassen und neue Modelle finden, wie sie mit der Entwicklung am Arbeitsmarkt umgehen. Keine Weiterentwicklung und das Beharren auf starren und veralteten Regelungen die an der Arbeitsrealität vorbei gehen, lehnen wir jedoch ab.  

Erwerbsarmut und Arbeitslosigkeit mindern sich durch starre Arbeitsmarktregeln nicht. Nach dem Vorbild Dänemarks fordern wir Flexicurity. Deshalb setzen wir auf einen flexiblen Arbeitsmarkt, frei von einem staatlich verordneten Mindestlohn. Stattdessen wollen wir den Grundfreibetrag auf mindestens 12.000 Euro im Jahr anheben. Den Kündigungsschutz wollen wir auf die Kündigungsfristen im BGB und das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) beschränken. Gleichzeitig bestehen wir aber auf eine faire Grundsicherung in Form des Liberalen Bürgergelds, zählen auf starke und selbstbewusste Gewerkschaften und setzen auf Qualifikation und Weiterbildung, um den beruflichen Aufstieg zu beflügeln.

Die Vermögensbildung muss auch für Geringverdiener einfacher werden. Dazu wollen wir die Einkommensgrenzen des § 13 VermBG anheben und den staatlichen Zuschuss in der Arbeitnehmersparzulage erhöhen. Gerade Kleinanleger sollen ermutigt werden, anstatt der Geldanlage auf dem Sparbuch, nach einer Beratung, auch an den Börsen zu investieren. Damit wollen wir eine neue Aktienkultur in Deutschland schaffen.

IV. Leben im Problemviertel

Das Aufwachsen und Leben in einem Problemviertel führt zu einer Vielzahl von weiteren Problemen. Eine räumliche Konzentration einkommensschwacher Haushalte führt häufig zu

Stigmatisierung des gesamten Wohnviertels und seiner Bewohner. Jugendliche eignen sich durch soziale Lernprozesse Verhaltensmuster an, die ihre Bildungschancen negativ beeinträchtigen, da positive Rollenvorbilder fehlen. Diskriminierungen bei Behörden oder potenziellen Arbeitgebern aufgrund der “falschen” Adresse sind denkbar. Hier wollen wir durch Quartiersarbeit, Baumaßnahmen und gezielte Kriminalitätsbekämpfung diese Viertel nachhaltig aufwerten.

1. Quartiersarbeit

Als eine Maßnahme gegen soziale Abschottung von Problemvierteln sehen wir eine kommunale Quartiersarbeit und -entwicklung. Quartiersarbeit hat zum Ziel das gesellschaftliche Leben im Quartier so zu gestalten, dass alle Menschen dort selbstbestimmt leben können. Wir fordern, dass in Kooperation mit den Bewohnern des Quartiers, mit Sozialarbeitern und der jeweiligen Stadtverwaltung unter größtmöglicher Transparenz lokale Probleme kleinteilig vor Ort gelöst werden.

So kann ein Gefühl von Empowerment und Mitbestimmung entstehen, welches die Bewohner motiviert auch weitere Aktionen selbstbestimmt durchzuführen. Ferner werden Beziehungen und soziale Netzwerke geschaffen, die den Zusammenhalt innerhalb eines Quartiers stärken.

In der Quartiersarbeit streben wir Kooperationen mit freien Trägern an.

2. Kriminalitätsbekämpfung

In sozialen Brennpunkten ist häufig auch eine gesteigerte Kriminalität zu beobachten. Hier wollen wir neben einer ausreichenden Polizeipräsenz vor allem an zwei Punkten ansetzen.

a. Prävention

In der Kriminalitätsprävention wollen wir uns nicht auf klassische Konzepte der Kriminalprävention durch Wertevermittlung, Sensibilisierung  und Verhinderung von Tatgelegenheiten beschränken.

Vielmehr sollen Ursachen, die sekundär zu Kriminalität führen, frühzeitig angegangen werden. Als Ursachen sehen wir hier zum einen Überschuldung und Alkohol- bzw. Drogenmissbrauch.

Daher fordern die Jungen Liberalen Niedersachsen, dass:

  • Schuldnerberatungsangebote leichter zugänglich werden. Zwar gibt es in der freien Wohlfahrtspflege oder in kommunalen Beratungsstellen bereits entsprechende kostenlose Angebote. Diese frühzeitig aufzusuchen ist für die betroffenen allerdings häufig mit einer Hemmschwelle verbunden. Daher wollen wir den Ausbau von anonymisierten Onlineberatungen, die von zertifizierten Beratern mit grundlegenden sozialarbeiterischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Kompetenzen durchgeführt wird. Auch in der ´Offline´-Beratung sollen Zugangsbarrieren durch bessere regionale Erreichbarkeit, flexible Beratungstermine, angepasste Sprache und eine grundlegend positive Marketingstruktur abgebaut werden. Eine erfolgreiche Überschuldungsprävention rechnet sich schlussendlich nicht nur für die Betroffenen, wenn bereits vor der Festigung einer finanziellen Schieflage beratend eingegriffen werden konnte.
  • Alkohol- und Drogenmissbrauch frühzeitig problematisiert wird. Der übermäßige Konsum von Alkohol steigert nachweislich die Risikobereitschaft, ungefähr jede vierte Gewalttat wird unter Alkoholeinfluss begangen. Hinzu kommt Beschaffungskriminalität. Gerade Jugendliche, die hier früh negativ polizeilich auffallen verbauen sich dadurch ihre Zukunftschancen. Daneben stehen nicht unerhebliche gesundheitliche Risiken, die zu Verelendung der Drogenabhängigen führen. Deshalb wollen wir eine niedrigschwellige Drogenhilfe als offene Kontakt- und Anlaufstelle und Ausstiegsberatung. Dazu wollen wir die rechtlichen Grundlagen für Drugchecking schaffen, sowie einen drogenpolitischen Opportunitätsgrundsatz im Betäubungsmittelgesetz verankern.

b. Resozialisierung

Wenn eine Person straffällig geworden ist, muss das Augenmerk des Justizvollzugs auf der Resozialisierung der Täter liegen. Hierbei begrüßen wir die Maßnahmen im offenen Jugendvollzug. Besonders Jugendliche im Vollzug sollen aktiv beraten werden und die Möglichkeiten bekommen einen Schulabschluss oder eine Berufsausbildung zu machen bzw. anzufangen. Auf die Möglichkeiten des freiwilligen Verbleib im Jugendstrafvollzug zur Beendigung einer Aus- bzw. Weiterbildung (§§ 125, 126 NJVollzG) soll hingewiesen werden.

Die Arbeit des ambulanten Justizsozialdienstes und der Freien Straffälligenhilfe soll fortgeführt werden. Das Übergangsmanagement wollen wir stärken. Der Übergang aus der Haft zurück in die Freiheit ist ein neuralgischer Punkt im Resozialisierungsprozess. Daher fordern wir, dass ganzheitliche und durchgängig angelegte Hilfeprozesse den Betroffenen unterstützen und über ein umfängliches Netzwerkmanagement Kontakte zu Arbeitgebern oder Bildungseinrichtungen hergestellt werden können.

3. Wohnraum und Umwelt

Wir sehen sowohl öffentliche Bauträger, wie auch private Investoren in der Pflicht ihre Gebäude instand zu halten, um die Lebensqualität nicht durch vernachlässigte Bausubstanz zu beeinträchtigen. Der Aufwertung von Wohnvierteln und damit verbundene Mietsteigerungen lehnen wir nicht grundsätzlich ab. Hierbei ist jedoch auf Sozialverträglichkeit zu achten. Gerade bei einkommensschwachen Haushalten müssen soziale Härten durch eine ausgewogene Wohngeldregelung aufgefangen werden.

Zusätzlich fordern wir die Verstetigung der Mittel des Städtebauförderprogramm “Soziale Stadt” zur Stabilisierung und Aufwertung sozial benachteiligter Ortsteile. Wir unterstützen das Bundesprogramm “Mehrgenerationenhaus” zur Schaffung von Orten zum generationenübergreifenden Miteinander und Engagement. Hierbei sehen wir eine enge Kooperation mit den Kommunen als zwingend an. 

Sozialer Wohnungsbau mindert allenfalls die Symptome, er stellt aber keine langfristige Lösung für die Wohnungsnot in niedersächsischen Großstädten dar. Wir wollen stattdessen privaten Wohnungsbau anregen, indem wir zielgerichtet die Baukosten senken. Dazu wollen wir auf Bundes- und Landesebene einen Normenkontrollrat einrichten, der alle bestehenden und kommenden Gesetze, die das Bauen betreffen, einer Kosten-Nutzen Analyse unterzieht. Gesetze, die mehr Kosten als Nutzen verursachen, wollen wir abschaffen. Die Ausweisung von Bauland sowie die Umwandlung von landwirtschaftlichen Nutzflächen in Bauland, muss vereinfacht und in deutlich größerem Maßstab als bisher möglich werden. Hierzu wollen wir den Städten und Landkreisen eine größere Autonomie in der Rechtssetzung zugestehen, denn die Bürgerinnen und Bürger vor Ort wissen am besten, wie mit dem Land vor ihrer Haustür verfahren werden soll.

Neubauprojekte sollen dabei alle Preissegmente ansprechen. Eine Erhöhung des Freibetrages bei der Grunderwerbsteuer für die erste selbst genutzte Immobilie soll die Bildung von Wohneigentum erleichtern und damit den Mietmarkt entlasten.

Verbindliche Quoten für private Investoren sollten 25 % für geförderten Wohnraum nicht überschreiten, um auch langfristig eine gute Durchmischung von Wohnvierteln zu erreichen. Bei bestehenden Wohnobjekten in sozialer Bindung fordern wir eine effektive Überprüfung der Fehlbelegungsquote. Eine Mietpreisbremse, sowie Zweckentfremdungsverbote lehnen wir als ineffektive Instrumente ab.

Weiterhin fordern wir, dass sozial benachteiligte Quartiere bestmöglich an den öffentlichen Personennahverkehr angebunden werden. So wollen wir Mobilitätsbarrieren für die Bewohner abbauen und gesellschaftliche Teilhabe und Integration ermöglichen.

Zudem sollen ausreichende Naherholungsflächen geschaffen werden, denn gerade Problemviertel sollen nicht zu Betonwüsten verkommen.

Für uns steht fest: Chancen für einen Sozialen Aufstieg zu schaffen ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Also: Haben wir den Mut zur Veränderung!