Offene Grenzen

Im 21. Jahrhundert leben wir in einer zunehmend globalisierten Welt. Immer mehr Themen können nur international behandelt werden, jeden Tag werden neue internationale Abkommen und Kooperationen vereinbart. Die Märkte für Waren, Dienstleistungen und Kapital öffnen sich immer weiter, es werden Freihandelsabkommen verhandelt und Schutzzölle abgebaut.

Vor diesem Hintergrund setzen sich die Jungen Liberalen Niedersachsen langfristig für die weltweite Personenfreizügigkeit, also die Arbeitnehmerfreizügigkeit und Niederlassungsfreiheit, nach europäischem Vorbild (gem. AEVU und der Europäischen Grundrechtscharta) ein. Konkret fordern wir, dass die Bundesrepublik Deutschland sukzessive wechselseitige Verträge mit Drittstaaten schließt, die die Rechte und Pflichten der Personenfreizügigkeit regeln. Eine einseitige Gewährung der Personenfreizügigkeit gegenüber Drittstaaten lehnen wir jedoch ab. Es muss einem Menschen möglich sein, in einem Land seiner Wahl zu leben und zu arbeiten. Menschen, die in ihren Herkunftsländern unter Armut, Verfolgung oder Krieg leiden, darf es nicht erschwert werden, von dort auszuwandern und ihr Glück anderswo zu finden. Dabei darf auch der Grund der Migration keine Rolle spielen. Ob ein Mensch vor politischer oder rassistischer Verfolgung, Krieg oder Bürgerkrieg flieht, oder einfach nur hofft, in seiner neuen Wahlheimat ein besseres Leben führen zu können, darf aus liberaler Sicht die aufnehmende Gesellschaft nicht interessieren.

Oberstes Ziel liberaler Politik ist es, dass jeder Mensch nach seiner Façon glücklich werden kann. Dazu muss auch gehören, dass man sich den Wohn- und Arbeitsplatz frei aussuchen kann. Innerhalb Deutschlands und Europas ist dies schon so gut wie problemlos möglich. Konsequent kann es jedoch nur sein, die Grenzen Schritt für Schritt weiter zu öffnen und so die weltweite Arbeitnehmerfreizügigkeit zu erreichen.

Jedem Menschen soll es möglich sein, in jedes Land zu reisen, dort zu arbeiten, zu wohnen oder am Geschäftsleben teilzunehmen. Dieses Recht sollte nur aus schwerwiegenden Gründen beschränkt werden dürfen. Solche liegen z.B. vor, wenn von der einreisenden Person kriminelle oder sogar terroristische Aktivitäten mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten sind. Im Zuge dessen fordern die Jungen Liberalen eine Beweislastumkehr: Derjenige, der Freiheit und Freizügigkeit beschränken will, muss dies begründen, nicht derjenige, der seine Freiheit nutzen möchte.

Bei der Einführung der offenen Grenzen darf es zudem nicht um den Nutzen der aufnehmenden Gesellschaft gehen. Jemandem seine Freiheit und Freizügigkeit zu ermöglichen ist keine Frage des Eigennutzes. Genau wie das Recht auf freie Meinungsäußerung bedarf auch der Gebrauch der Arbeitnehmerfreizügigkeit grundsätzlich keiner besonderen Begründung. Jeder Mensch – egal ob Inländer oder Ausländer – sollte die gleichen Grundrechte und –freiheiten genießen.

Dabei ist es prinzipiell nicht relevant, dass andere Nachteile zu befürchten haben könnten. Jeder in- oder ausländische Unternehmer, der von seiner wirtschaftlichen Freiheit Gebrauch macht und beispielsweise ein neues Unternehmen gründet, verursacht möglicherweise Nachteile für seine Konkurrenten. Wir gewähren ihm diese Freiheit grundsätzlich trotzdem – und das gleiche Prinzip muss auch auf Arbeitnehmer Anwendung finden. Wirtschaftliche Freiheit darf nicht nur für Unternehmer gelten, sondern muss auch Arbeitnehmer einschließen.

Gleichzeitig stehen für uns Liberale das Konzept der offenen Grenzen und ein aufgeblähter Sozialstaat im gegenseitigen Widerspruch zueinander. Für Liberale sollte es primär darum gehen Menschen ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Offene Grenzen könnten nicht nur einerseits zu größeren finanziellen Belastungen für einen überdimensionierten Wohlfahrtsstaat führen. Andererseits besteht auch die Gefahr, dass das Sozialsystem von immer mehr Menschen zum Bestreiten ihres Lebensunterhaltes genutzt wird. Diesen Lebensentwurf wollen wir als Liberale nicht fördern. Daher kommt für uns ein automatischer Sozialanspruch mit der Einwanderung nicht in Frage.

Wenn wir uns zwischen einem großzügigen Sozialstaat und offenen Grenzen entscheiden müssen, fällt dies den Jungen Liberalen denkbar einfach: Wir wollen lieber die Grenzen öffnen und allen Menschen Chancen auf ein Leben in Freiheit, Frieden und Selbstbestimmung ermöglichen und dafür den ohnehin wenig nachhaltigen Wohlfahrtsstaat auf ein lebensnotwendiges Maß reduzieren. Es ist zynisch, Menschen, die auf der Suche nach einem besseren Leben zu uns kommen (vulgo „Armuts- oder Wirtschaftsmigranten“), den Zuzug nach Deutschland oder Europa zu verweigern, weil sonst der Sozialstaat überlastet würde. Wer den Wohlfahrtsstaat ausbauen will, indem er die Ärmsten der Welt ausweist und ausschließt, handelt alles andere als sozial!

Trotzdem sollen natürlich auch Zuwanderer durch Erwerbsarbeit und Beitragszahlung in die Sozialversicherungen Ansprüche und Absicherungen erwerben können. Daher fordern wir, dass ein Zuwanderer dann einen Sozialanspruch erwirbt, wenn er mindestens drei Jahre in das eines Landes eingezahlt hat. Zudem sollte der Anspruch auf Sozialleistungen nur solange gelten, wie der Lebensmittelpunkt der Zuwanderer in Deutschland liegt.