Keine Gebärpflicht

Schwangerschaftsabbrüche sind seit jeher Gegenstand kontroverser gesellschaftlicher Diskussionen, in denen um einen Ausgleich zwischen dem Selbstbestimmungsrecht der schwangeren Person und dem Schutz des ungeborenen Lebens gerungen wird. Die seit den 90ern unveränderte Regelung im deutschen Strafgesetzbuch und ihre Folgewirkungen werden diesem Anliegen, einen angemessenen Ausgleich zu schaffen zu Lasten schwangerer Frauen nicht gerecht. Unberücksichtigt bleibt vor allem der schwere Interessenkonflikt, in dem sich jeder ungewollt schwangere Mensch befindet. Der rechtliche Rahmen muss sich daran orientieren, diese Menschen bei ihrer Entscheidungsfindung neutral zu unterstützen, anstatt ein gesellschaftliches Wertesystem als einzig richtige Entscheidung vorzugeben. Neben der Abschaffung von § 219a StGB sehen wir Junge Liberale Niedersachsen daher einen grundlegenden Reformbedarf im Abtreibungsrecht.

Daher fordern wir:

  • Schwangere Menschen von der Strafbarkeit nach § 218 StGB gänzlich auszunehmen, wenn der Eingriff von ärztlichem Personal durchgeführt worden ist. Ärztinnen und Ärzte gilt weiterhin die Frist von zwölf Wochen seit Empfängnis, innerhalb der ein Schwangerschaftsabbruch nicht strafbar ist, soweit nachfolgend nicht eine andere Frist bestimmt ist.
  • Die Abschaffung der Pflicht zu einer Schwangerschaftskonfliktberatung nach § 219 StGB und dem Schwangerschaftskonfliktberatungsgesetz. Nach § 219 StGB haben Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen „sich von dem Bemühen leiten zu lassen, die Frau zur Fortsetzung der Schwangerschaft zu ermutigen“ und der schwangeren Person bewusst zu machen, „dass das Ungeborene in jedem Stadium der Schwangerschaft auch ihr (Anm.: der schwangeren Person) gegenüber ein eigenes Recht auf Leben hat (…)“. Ausreichend zur Entscheidungsfindung ist demgegenüber ein umfangreiches ärztliches Aufklärungsgespräch mit zeitlichem Vorlauf zur Behandlung, zu dem das ärztliche Personal bereits verpflichtet ist. Beratungsangebote können zur Begleitung der betroffenen schwangeren Person in ihrer Zwangslage aufrechterhalten werden.
  • Schwangerschaftsabbrüche bei einer lebensbedrohlichen Gefahr für die schwangere Person oder bei einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der körperlichen oder seelischen Beeinträchtigung der schwangeren Person nicht mehr nur als nicht rechtswidrig einzuordnen, sondern sie vom Tatbestand des Schwangerschaftsabbruchs auszunehmen.
  • Schwangerschaftsabbrüche bei Schwangerschaften durch Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung nicht mehr nur als nicht rechtswidrig einzuordnen, sondern bis zur 20. Woche von dem Tatbestand des Schwangerschaftsabbruchs auszunehmen, da hier die besondere psychische Belastung der schwangeren Person eine gesunde Entscheidungsfindung erheblich verzögern kann.
  • Schwangerschaftsabbrüche sollen Gegenstand in der theoretischen medizinischen Ausbildung sein.
  • Aufgrund der kritischen Versorgungslage soll zumindest in jedem Krankenhaus in staatlicher Trägerschaft mit Gynäkologie eine Ärztin, ein Arzt sein müssen, die oder der sich vor Anstellung bereit erklärt hat, Schwangerschaftsabbrüche vorzunehmen.
  • Die Übernahme der medizinischen Kosten von Schwangerschaftsabbrüchen aus Bundesmitteln.
  • Die Einschränkung von Sonderkündigungsrechten von Krankenhäusern in kirchlicher Trägerschaft gegenüber konfessionellem ärztlichen Personal, welches sich bereit erklärt, eine Schwangerschaftsabbruch vorzunehmen.

Insgesamt sollen die Regelungen im StGB dergestalt formuliert sein, dass ein Handeln innerhalb des oben genannten gesetzlichen und zeitlichen Rahmens für alle Beteiligten straffrei ist.

Um im Sinne des Liberalen Feminismus alle Personen einzuschließen, wird in diesem Antrag von schwangeren Personen gesprochen. Dies soll nicht von der jahrzehntelangen Marginalisierung von Frauen absehen, die Grundlage für diesen Antrag ist.