Die Liberale Innere Sicherheit

Die Jungen Liberalen Niedersachsen sehen die Freiheit des Einzelnen als das zentrale Gut in der Politik an. Diese Freiheit des Einzelnen muss vom Staat respektiert werden. Die Freiheit des Einzelnen hört jedoch da auf, wo die Freiheit eines anderen beginnt. Um den Einzelnen vor Eingriffen in seine Freiheitssphäre durch andere zu schützen, bedarf es staatlicher Innerer Sicherheit. Staatliche Interventionen müssen jedoch verhältnismäßig sein und werden von den Grundrechten beschränkt. Innere Sicherheit kann daher in einer freien und offenen Gesellschaft niemals eine absolute Sicherheit sein. Die Politik hat stets auf der Grundlage unseres Rechtsstaats zwischen Sicherheit und Freiheit abzuwägen. Der Schutz der freiheitlich-demokratischen Grundordnung als Ziel von Sicherheitspolitik meint aus liberaler Sicht sowohl einen unbedingten Schutz der Grundrechte als auch eine bedingte Gewährleistung Innerer Sicherheit.
Die Jungen Liberalen Niedersachsen stehen für eine Sicherheitspolitik, die sich in erster Linie an der tatsächlichen Bedrohung und an den in diesem Zusammenhang tatsächlich erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen orientiert. Eine Politik der Inneren Sicherheit, die kurzfristige Bedrohungen zum Anlass für weitreichende Kompetenzerweiterungen nimmt, ist unverhältnismäßig. Ebenso sind Maßnahmen die auf die subjektive Kriminalitätswahrnehmung der Bürger in der Absicht reagieren, vornehmlich das subjektive Sicherheitsgefühl zu erhöhen, eher unwirksam und angesichts real bestehender Gefahren höchst fahrlässig. Eine Politik, die sich Probleme herbeiredet um dadurch künstliche Anlässe für neue Freiheitsbeschränkungen zu schaffen, lehnen die Jungen Liberalen Niedersachsen ab.
Die Jungen Liberalen Niedersachsen sehen die Anerkennung der bürgerlichen Freiheitsrechte durch den Staat nicht als ausreichend an. Die allgemeine Entwicklung der Politik der Inneren Sicherheit seit dem 11. September 2001 und die entstandene Schieflage in der Abwägung von Freiheit und Sicherheit sind besorgniserregend und verlangen nach einer Umkehr.

1. Herausforderungen an die Innere Sicherheit

Die Gewährleistung der Inneren Sicherheit durch den Staat muss immer wieder neuen Herausforderungen gerecht werden. Die Jungen Liberalen Niedersachsen bekennen sich zur Anpassung des Rechtsstaats und seiner Methoden an neue Gegebenheiten und Bedingungen. Gleichzeitig müssen neue Maßnahmen immer verhältnismäßig zur sich ändernden Bedrohungslage angepasst werden. Dabei liegen die zentralen neuen Herausforderungen nicht etwa in einer Verschiebung der Ursachen von Kriminalität oder in einer etwaigen Zunahme von Straftaten, sondern in der internationalen Bedrohung der Inneren Sicherheit sowie in der Ausdehnung von Kriminalität in neue technologische und qualitative Bereiche.

Die Jungen Liberalen Niedersachsen erkennen die folgenden neuen zentralen Herausforderungen an den Rechtsstaat und an die Innere Sicherheit:

* Die Kriminalität in Deutschland nimmt immer weiter ab. Gleichzeitig steigt die Aufklärungsrate stetig an. Dieser positiven Entwicklung steht eine Professionalisierung und Intensivierung von Kriminalität gegenüber. Organisierte Kriminalität und Wirtschaftskriminalität nehmen an Bedeutung gegenüber anderen Delikten zu.
* Der technologische Fortschritt führt zu einer Ausdehnung von Kriminalität in Bereiche, in denen diese bisher vom Rechtsstaat schwer oder gar nicht verfolgt und aufgeklärt werden kann.
* Mit dem 11. September 2001 wurde die Verschiebung der weltweiten Sicherheitslage offenkundig. Die Bundesrepublik Deutschland ist ein durch den internationalen Terrorismus bedrohtes Land. Die primäre Gefährdung für die Sicherheit in Deutschland geht nicht mehr in erster Linie von verfeindeten Staaten oder Verteidigungsbündnissen mit machtpolitischen Interessen aus, sondern von global agierenden Netzwerken, die ihre Ziele durch Terrorismus erreichen wollen und dabei auch die Innere Sicherheit in Deutschland bedrohen. Äußere Sicherheit lässt sich nicht mehr in erster Linie als Antwort auf militärische Bedrohungen verstehen. Mit der Ausweitung des internationalen Terrorismus geht eine partielle Verwischung der Grenze zwischen Bedrohungen der Inneren und der Äußeren Sicherheit einher.
* Durch die qualitative Verschiebung der Bedrohungen steht die Politik der Inneren Sicherheit vor der Wahl, entweder kurzsichtige und populistische Kompetenzerweiterungen vorzunehmen und damit die Freiheit der Bürger weiter zu beschneiden oder das bestehende Vollzugs- und Ausrüstungsdefizit der Sicherheitsbehörden zu beheben. Die Herausforderung an die Politik der Inneren Sicherheit besteht im Treffen von Entscheidungen, die auf einer neutralen, aber der Freiheit verpflichteten Bedrohungs- und Maßnahmenanalyse statt auf Endzeitszenarien basieren.

2. Antworten liberaler Innenpolitik

2.1 Prävention

Der Staat kann die Gesellschaft nicht durch unüberlegte Verbote, Gängelung oder allgemeines Misstrauen verbessern. Die Vermeidung von Kriminalität im Vorfeld des Verbrechens steht im Zentrum liberaler Innenpolitik und muss mit der staatlichen Repression von Straftaten einhergehen. Eine verantwortungsvolle Bildungs-, Wirtschafts- und Sozialpolitik ist die beste Kriminalitätsverhütung. Prävention ist eine umfassende Aufgabe, die neben dem Staat auch der Bürgergesellschaft zukommt. Die Jungen Liberalen Niedersachsen stehen für eine Politik der Inneren Sicherheit, die die Ursachsen von Kriminalität in ihren Entstehungs- und Bedingungszusammenhängen und nicht nur ihre Symptome bekämpft.

* Der präventive Ansatz ist aus Sicht der Jungen Liberalen Niedersachsen vor allem im Bereich der Kinder- und Jugendkriminalität, der Kriminalität von Menschen mit Migrationshintergrund sowie in den Bereichen des politisch-weltanschaulichen Extremismus und der Kriminalität im sozialen Nahraum, etwa bei häuslicher Gewalt, auszubauen
* Der Landespräventionsrat wird weiter gestärkt. Dabei soll die Vernetzung und Beratung der kommunalen Präventionsräte und die wissenschaftliche Analyse von Kriminalitätsschwerpunkten ausgebaut und weiterentwickelt werden.
* Das Deutsche Forum für Kriminalprävention (DFK) wird weiter gestärkt. Hier sind weitere Zustiftungen aus dem Bereich der Privatwirtschaft und von Verbänden zu begrüßen.
* Eine erhöhte Förderung von Bildungseinrichtungen und Jugendtreffs, sowie der Ausbau von Jugendsozialarbeit an den Schulen sind präventive Beiträge zu einer Reduzierung von Jugendkriminalität. Es müssen bedarfsgerecht mehr Streetworkerstellen für Jugendzentren und Freizeitangebote für Jugendliche geschaffen werden. Außerdem ist das gezielte Werben von Jugendlichen durch bestehende Vereine ein wirksames präventives Mittel.
* Um zu verhindern, dass Gebiete mit einer erhöhten Konzentration an sozialen Problemen und Spannungen im Bezug auf gesellschaftliche Gruppen zu Kriminalitätsbrennpunkten werden, sind neben langfristigen stadtplanerischen Maßnahmen, wie etwa der niedersächsischen „Sicherheitspartnerschaft im Städtebau“, dezentrale Präventionsprojekte auf kommunaler Ebene weiter voranzutreiben. Dabei sind gewonnene Erkenntnisse der Kriminalitätsverhütung in einem Stadtteil oder einer Kommune über eine direktere Vernetzung und einen geförderten Erfahrungsaustausch leichter für andere Gebiete zugänglich zu machen.
* Konfliktlotsen und Meditationsmodelle sind in Schulen sowie in anderen Einrichtungen zu fördern. Die flächendeckende Einführung eines Schul-Counsellors an niedersächsischen Schulen ist zu prüfen.
* Die deutsche Politik hat jahrzehntelang ganz bewusst die Einwanderungssituation in Deutschland geleugnet und Integration gebremst. Kriminalität, die durch Ausländer verübt wird, ist daher ein vor allem auf verfehlte Integrationspolitik zurückzuführendes Phänomen, das nun durch nachholende Integrationspolitik gelöst werden muss. . Die Jungen Liberalen Niedersachsen sehen dabei die Akzeptanz der freiheitlich-demokratischen Grundordnung sowie das Erlernen der deutschen Sprache durch die Migranten als Grundbedingungen von gesellschaftlicher Integration an. Die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund hängt aber gleichzeitig von den herrschenden ökonomischen und sozialen Integrationsbedingungen ab. Arbeits- und Perspektivlosigkeit verschärfen soziale Konflikte zwischen Menschen mit und ohne Migrationshintergrund. Die geeigneten Maßnahmen gegen Kriminalität durch Täter mit Migrationshintergrund liegen neben einer verlässlichen ausländerrechtlichen Gesetzgebung wiederum in einer verantwortungsvollen Bildungs-, Wirtschafts- und Sozialpolitik.
* Zur Vorbeugung ausländerfeindlicher Gewalt muss die Politik Zivilcourage und interkulturelles Lernen stärken. Darüber hinaus müssen Aussteigerprogramme ausgeweitet werden, um insbesondere Jugendlichen einen Ausstieg aus der rechtsextremen Szene zu ermöglichen. Verbote von einzelnen Organisationen können nicht das leisten, was eine aktive Bürgergesellschaft leisten kann.
* Eine Trennung der Märkte von „weichen“ und „harten“ Drogen ist die erste Maßnahme einer liberalen Drogenpolitik, die auf Kriminalitätsverhütung und eine Schaffung von Perspektiven für Betroffene setzt. Eine wesentliche Maßnahme in der Prävention ist die Drogenaufklärung. Die gesteuerte Abgabe von Heroin an Schwerstabhängige ist eine sinnvolle Maßnahme und muss weiter ausgedehnt werden.

2.2 Strafgesetzgebung

Neue Herausforderungen an die Innere Sicherheit verlangen ein zeitgemäßes deutsches Strafrecht. In einigen Bereichen sind die Sicherheitsbehörden auf Grund eines fehlenden strafrechtlichen Rahmens an der tatsächlichen Gewährleistung öffentlicher Sicherheit gehindert. Viele Regelungen sind zudem überholt und bedürfen aus Sicht der Jungen Liberalen Niedersachsen einer Revision. Diese muss stets mit Augenmaß durchgeführt werden. Die Anpassung des Strafrechts an sich ändernde gesellschaftliche und innenpolitische Gegebenheiten darf nicht zu einer vorschnellen Überladung des Strafrechts mit tagespolitischen Aspekten führen. Vorhandene gesetzliche Regelungen müssen voll ausgeschöpft werden, bevor es zur Schaffung neuer Regelungen kommt. Die Jungen Liberalen Niedersachsen kritisieren in diesem Zusammenhang eine zunehmende Politisierung des deutschen Strafrechts.

* Die Schaffung neuer Straftatbestände, etwa im Zuge des Kampfes gegen den internationalen Terrorismus, gleicht mehr einer juristischen Profilierung als einer qualitativen Anpassung des Rechtsstaats an gegebene Bedrohungen. So ist etwa die Einführung eines § 89a StGB, der die Bestrafung des Aufenthalts in einem „Terrorcamp“ vorsehen soll, nicht sinnvoll.
* Durch die Einführung neuer Straftatbestände dürfen das Kritisieren oder Karikieren von Religionen nicht unter Strafe zu gestellt werden. Eine vermeintliche Verletzung religiöser Gefühle kann nicht Grundlage für Zensurmaßnahmen sein. In diesem Zusammenhang muss der § 166 StGB (Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen) gestrichen werden.
* Der neu geschaffene § 202c StGB (Vorbereiten des Ausspähens und Abfangens von Daten)
muss gestrichen werden.

2.3 Polizei und Strafverfolgung

Die permanente Erweiterung gesetzlicher Ermessungsgrundlagen und Straftatbestände führt neben der schleichenden Aushöhlung der Bürgerrechte und der Schaffung eines Überwachungsstaats zu einer Überforderung der Sicherheitsbehörden. Diese sind weder auf die Bedrohungslage noch auf die ihnen neu übertragenden Aufgaben in richtiger Weise vorbereitet. Aus Sicht der Jungen Liberalen Niedersachsen mangelt es in erster Linie an personeller und finanzieller Ausstattung der Sicherheitsbehörden sowie am Vollzug bestehender Regelungen. Eine Anpassung der Infrastruktur muss Vorrang vor weiteren Befugniserweiterungen haben, denen die Behörden gar nicht oder nur in einem unzureichendem Maße nachkommen können. Verantwortungsvolle Sicherheitspolitik setzt auf gut ausgerüstete Sicherheitsbehörden mit gut ausgebildeten und motivierten Mitarbeitern statt auf überzogenen Aktionismus, der an der Realität der Bedrohungslage und an der Praxis der Sicherheitsbehörden vorbei geht.

* Die Zuständigkeit der Polizei in Niedersachsen muss zukünftig wieder auf die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit beschränkt werden. Die Jungen Liberalen Niedersachsen lehnen die Wiedereinfügung des Begriffs „öffentliche Ordnung“ in das Schutzgut der polizeilichen Generalklausel ab. Das niedersächsische Polizeigesetz ist dementsprechend anzupassen.
* Die Polizeiarbeit ist insgesamt zu dezentralisieren sowie bürgernah zu gestalten. Die in Niedersachsen erfolgte Schaffung von sechs regionalen Polizeidirektionen zum 1. 11. 2004 im Zuge der Verwaltungsreform ist zu begrüßen. Gleichwohl müssen bei einer Änderung der Polizeistrukturen die Zusammenarbeit zwischen Polizei und Brand-, Katastrophen- und Zivilschutz besser bedacht werden. Die Abdeckung des ländlichen Raums mit Polizei und Katastrophenschutz muss gewährleistet sein.
* Die Polizeiarbeit muss weiter entbürokratisiert werden. Polizisten müssen weitestgehend von Verwaltungsaufgaben befreit werden
* Das Ausrüstungsbudget der Polizei muss erhöht, die technische Ausstattung verbessert werden.
* Die Attraktivität des Polizeidienstes ist durch eine vermehrte Schaffung von Austausch- und Weiterbildungsprogrammen zu erhöhen. Gleichzeitig fordern die Jungen Liberalen Niedersachsen eine Überprüfung der Besoldungs- und Beförderungsstruktur im Polizeidienst.
* Die Jungen Liberalen Niedersachsen streben langfristig eine Erhöhung der Planstellen und damit eine Intensivierung der polizeilichen Präsenz in Niedersachsen an.
* Der Digitalfunk als neues Kommunikationsinstrument zwischen Polizei, Brand-, Katastrophen- und Zivilschutz sowie weiteren Behörden ist zeitnah einzuführen.
* Die Kooperation mit Kommunen sowie mit bestehenden regionalen Präventionsprojekten ist zu intensivieren.
* Die Einführung von Bürgerstreifen wird abgelehnt. Die Polizeigewalt kann nicht auf Dritte übertragen werden. Das staatliche Gewaltmonopol kann nicht privatisiert werden. Bestehende Modellprojekte sind sofort zu beenden.
* In den Bereichen der Wirtschaftskriminalität und der Organisierten Kriminalität sind Fortbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen für Polizei und Staatsanwaltschaft auszubauen, um auf die speziellen Anforderungen der Strafverfolgung in diesen Bereichen vorbereitet zu sein.
* Die Staatsanwaltschaften müssen personell in die Lage versetzt werden, die bestehenden gesetzlichen Maßnahmen in der Strafverfolgung umfassender als bisher anzuwenden und vorhandene Vollzugsdefizite abzubauen.

2.4 Justizvollzug

Die Jungen Liberalen Niedersachsen sehen den Vollzug von Strafen gegen Menschen, die gegen das Gesetz verstoßen haben als Kernaufgabe des Staates an. Neben dem Strafvollzug als staatliche Repression gegen Kriminalität erfüllt dieser aber auch eine Schutzfunktion vor Kriminalität gegenüber dem Kriminalitätsopfer sowie gegenüber der gesamten Gesellschaft und ist damit relevant für die Innere Sicherheit. Zu einem zeitgemäßen Strafvollzug gehört ebenso wie zu anderen Bereichen der Politik der Inneren Sicherheit ein präventiver Ansatz, etwa um Wiederholungstaten zu vermeiden.

* Die Resozialisierungsmaßnahmen für Strafgefangenen müssen ausgeweitet werden.
* Die Jungen Liberalen Niedersachsen setzen sich für einen Ausbau des gesetzlich geregelten Täter-Opfer-Ausgleichs ein.

2.5 Gefahrenabwehr

Die Jungen Liberalen Niedersachsen begreifen die Gefahrenabwehr als Teil der Politik der Inneren Sicherheit. Gefahrenabwehr hat präventiven Charakter gegenüber Gefahren, die die geltende Rechtsordnung bedrohen. Die Sicherheitsbehörden bewegen sich bei der Gefahrenabwehr im Gegensatz zur Strafverfolgung in einem Ermessensspielraum, wie konkret die Gefahr ist und welches Mittel geeignet ist um sie abzuwehren. Neben dieser Abwägung der Relevanz für die Sicherheit und zwischen verschiedenen geeigneten rechtsstaatlichen Abwehrinstrumenten muss sich die Gefahrenabwehr an sich auch immer der Abwägung zwischen Schutz der freiheitlich-demokratischen Grundordnung und dem Einschnitt in individuelle Bürgerrechte stellen. Die Jungen Liberalen Niedersachsen fordern ein Gefahrenabwehrrecht, das sich an rechtsstaatlichen Prinzipien und insbesondere an der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme gegenüber einem möglichen Einschnitt in die Grundrechte orientiert.
Die Jungen Liberalen Niedersachsen stehen für eine Sicherheitspolitik, bei der bestehende Maßnahmen der Gefahrenabwehr zunächst ausgeschöpft, dann evaluiert und nur bei Bedarf und
wenn unbedingt nötig bei verhältnismäßigen Einschnitten in die Bürgerrechte erweitert werden. Sondermaßnahmen müssen hierbei zeitlich befristet werden. Maßnahmen, die sich nicht als sinnvoll erwiesen haben oder die Bürgerrechte in unverhältnismäßiger Weise beschneiden, sollen wieder abgeschafft werden. Dies betrifft insbesondere Regelungen, die den im Grundgesetz geschützten Kernbereich privater Lebensgestaltung verletzen.

* Auch im Bereich der Gefahrenabwehr treten die Jungen Liberalen Niedersachsen für eine Effizienzsteigerung durch eine bessere finanzielle, infrastrukturelle und personelle Ausstattung der zuständigen Behörden ein.
* Staatliche Überwachung des öffentlichen Raumes zu präventiven Zwecken darf nur erfolgen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, das am zu überwachenden Ort Straftaten von erheblicher Bedeutung verabredet, vorbereitet oder verübt werden und außerdem eine richterliche Anordnung vorliegt. Damit ist eine dauernde und flächendeckende Videoüberwachung öffentlicher Plätze auszuschließen. Diese ist insbesondere wirkungslos, wenn die erhobenen Daten nicht unmittelbar durch die Sicherheitsbehörden gesichtet werden und diese bei einer Gefahr eingreifen können. Eine Videoüberwachung, mit der keine direkte Auswertung verbunden ist, bringt kein Mehr an Sicherheit.
* Die Jungen Liberalen Niedersachsen sind gegen eine Verquickung von Strafverfolgung und
Gefahrenabwehr. Es handelt sich um zwei strikt voneinander zu trennende Bereiche im Aufgabenfeld der Sicherheitsbehörden.
* Das Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ) auf Bundesebene ist aus Sicht der Jungen Liberalen Niedersachsen eine sinnvolle Einrichtung zur Vernetzung der Sicherheitsbehörden und zur Prävention terroristischer Anschläge.

3. Schutz der Bürgerrechte

Die Jungen Liberalen Niedersachsen bekennen sich zur Freiheit des Einzelnen. Die im Grundgesetz fest geschriebenen Rechte des Individuums sind an sich Ausdruck eines liberalen Rechtsstaats. Die Aushöhlung dieser Grundrechte sowie eine Annäherung von immer mehr gesetzlichen Maßnahmen an die Grenze der Verfassungsmäßigkeit werden von den Jungen Liberalen Niedersachsen scharf verurteilt. Terrorismus und Extremismus können nicht durch die Aufgabe der rechtsstaatlichen Ordnung bekämpft werden. Diejenigen, die unsere Lebensweise und unsere Freiheit gefährden, werden sich nicht durch eine Einschränkung von Freiheit in der Gesellschaft, die sie bekämpfen, abschrecken lassen. Die Jungen Liberalen Niedersachsen fordern in diesem Zusammenhang Änderungen an Regelungen auf Landes- und Bundesebene. Zum Verständnis der Jungen Liberalen Niedersachsen von Sicherheit gehört auch die Sicherheit über den Verbleib und die Verwendung individueller Daten. Viele der eingeführten Maßnahmen zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus stellen aus Sicht der Jungen Liberalen Niedersachsen einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Grundsätze des Datenschutzes dar.

* Alle Maßnahmen, die zur Verbrechensbekämpfung und Überwachung dienen, sind zeitlich zu befristen, sowie nach einer gewissen Zeit auf ihren Erfolg hin zu überprüfen. Hat sich die Maßnahme als kontraproduktiv erwiesen, darf sie nicht erneut beschlossen werden.
* Politiken der Inneren und Äußeren Sicherheit müssen voneinander getrennt bleiben. Der Rechtsstaat ist aus Sicht der Jungen Liberalen Niedersachsen in der Lage auf die partiell sowohl innere als auch äußere Bedrohung des internationalen Terrorismus zu reagieren, ohne sich von diesem Prinzip zu entfernen. Eine Verwischung der Grenze zwischen beiden Feldern führt zu einem Verlust an demokratischer und gesellschaftlicher Kontrolle. In diesem Zusammenhang sind die Jungen Liberalen Niedersachsen gegen einen Einsatz der Bundeswehr im Innern sowie dafür erforderliche Änderungen des Grundgesetzes, die etwa auf die Schaffung eines „Quasi-Verteidigungsfalles“ oder auf die Ausdehnung von vorhandenen Amtshilferegelungen abzielen.
* Das Trennungsgebot zwischen Nachrichtendiensten und Polizei muss aufrechterhalten werden. Nachrichtendienste dürfen ihre besonderen Rechte, etwa bei der Beschaffung von Informationen für die Terrorismusabwehr, nur nachrichtendienstlich nutzen. Im Umkehrschluss dürfen Polizei und Sicherheitsbehörden, die der regulären Gesetzgebung unterliegen, keine nachrichtendienstlichen Methoden verwenden.
* Maßnahmen des Großen Lauschangriffs werden auf Fälle mit richterlichem Beschluss beschränkt. Die Daten dürfen nur bei einer konkreten Gefahr, die nicht auf eine andere Weise abgewendet werden kann, erhoben und verwendet werden. Nach Abschluss der Ermittlungen sind die Betroffenen über die Maßnahmen zu informieren. Ein Ausspionieren von selbst nicht verdächtigen Berufsgeheimnisträgern, etwa um gegen deren Mandanten bzw. Patienten etc. zu ermitteln, ist unzulässig.
* Die parlamentarische Kontrolle von Einschnitten in die Grundrechte muss effektiver gestaltet werden. Die G10-Kontrollgremien der Länder sowie das Parlamentarische Kontrollgremium des Deutschen Bundestags sind aufzuwerten. Die Mitglieder der parlamentarischen Kontrollgremien müssen mit angemessenem Zusatzpersonal bzw. Zusatzbudget ausgestattet werden, damit sie ihrer Kontrollfunktion besser nachkommen können. Darüber hinaus muss auch für Kooperationen zwischen verschiedenen Sicherheitsbehörden, wie etwa im Rahmen des GTAZ, die parlamentarische Kontrolle gewährleistet sein. Dazu sind gegebenenfalls neue Kontrollgremien mit angemessener Ausstattung zu schaffen.
* Die Jungen Liberalen Niedersachsen bekennen sich zur Unschuldsvermutung in der Strafverfolgung und zum absoluten Folterverbot. Beide Prinzipien verlieren durch den Kampf gegen den Terrorismus nicht ihre Gültigkeit. Die Jungen Liberalen Niedersachsen verurteilen Äußerungen verantwortlicher Politiker, die auf eine Aufweichung dieser Prinzipien abzielen, etwa um die gezielte Tötung von mutmaßlichen Terroristen zu ermöglichen.
* Die Praxis der Rasterfahndung stellt einen unverhältnismäßigen Eingriff ins Prinzip der Unschuldsvermutung dar und muss daher abgeschafft werden.
* Regelungen des Schily-Sicherheitspakets II von 2001 dürfen nicht verlängert werden.
* Die geplanten Neuerungen im niedersächsischen Polizeigesetz im Bezug auf die Ausweitung der Videoüberwachung sowie die unfreiwillige Blutentnahme lehnen die Jungen Liberalen Niedersachsen ab. Außerdem ist eine Revision der Novelle des niedersächsischen Polizeigesetzes von 2004 nötig, bei der die Bedingungen und die Ausgestaltung von Videoüberwachung zu konkretisieren sind.
* Die Einführung der gemeinsamen Antiterrordatei des Bundes und der Länder als Kompromiss aus Volltext- und Indexdatei lehnen die Jungen Liberalen Niedersachsen ab. Die Vernetzung der relevanten Informationen von verschiedenen Sicherheitsbehörden muss im Einklang mit dem Recht auf informelle Selbstbestimmung und dem Trennungsgebot von Polizei und Geheimdiensten geschehen. Eine Antiterrordatei kann daher nur als reine Indexdatei und ohne eine weitreichende Eilfallregelung geführt werden.
* Die Jungen Liberalen Niedersachsen lehnen sowohl die präventive Telefon-Überwachung als auch die Online-Durchsuchung ab. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur präventiven Telefonüberwachung im niedersächsischen Polizeigesetz hat die Haltung der Jungen Liberalen Niedersachsen bekräftigt. Die Gesetzeslage ist den Maßgaben des Bundesverfassungsgerichts zeitnah anzupassen.
* Die Jungen Liberalen Niedersachsen lehnen Maßnahmen wie biometrische Daten in Ausweispapieren, die Ausweitung der Videoüberwachung von öffentlichen Plätzen und die Speicherung und Auswertung von Mobilfunkverbindungsdaten, sowie Daten aus der Mauterhebung durch staatliche Stellen ab. Insbesondere zur Erstellung von Bewegungsprofilen und zur verdachtsunabhängigen, systematischen Verfolgung und Ahndung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten dürfen solche Daten nicht genutzt werden.
* Die Jungen Liberalen Niedersachsen lehnen Pläne zur Einrichtung einer Gen-Datenbank für alle Bürger ab. Es darf außerdem zu keiner Ausweitung der genetischen Erfassung von Straftätern kommen. Die Einführung eines Fingerabdrucks im Personalausweis ist ebenso abzulehnen.
* Die Jungen Liberalen Niedersachsen begrüßen das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Luftsicherheitsgesetz. Leben kann nicht gegen Leben abgewogen werden. Flugzeuge mit unschuldigen Passagieren dürfen nicht abgeschossen werden.

4. Europäische Innere Sicherheit

Die Jungen Liberalen Niedersachsen erkennen in der Polizeilichen und Justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen als Säule der Europäischen Union ein sinnvolles Mittel zur Abwehr von Gefahren und zur Verfolgung von Straftaten. Insbesondere zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität sowie in Fragen der Asyl- und Einwanderungspolitik sind bestehende Kooperationen, etwa über EUROPOL als Kooperationsinstrument der europäischen Polizeien, auszubauen und zu intensivieren. Die Jungen Liberalen Niedersachsen lehnen jedoch die Verlagerung von grundrechtsrelevanten Bereichen der Gefahrenabwehr und der Strafverfolgung auf europäische Ebene ab, solange hier kein eindeutiger europäischer Rechtsrahmen geschaffen ist, der etwa einen europäischen Datenschutz gewährleisten würde. Zudem entziehen sich sämtliche Praktiken der Polizeilichen und Justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen bisher jeglicher demokratischer Kontrolle durch die EU-Mitgliedsstaaten oder durch das Europäische Parlament. Abgesehen von den rechtlichen und demokratischen Defiziten einer Europäischen Inneren Sicherheit kritisieren die Jungen Liberalen weitere Punkte in der Politik der Inneren Sicherheit der Europäischen Union, die einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Bürgerrechte darstellen.

* Die Schaffung von datenschutzrechtlichen Grundlagen auf europäischer Ebene muss zu einer Priorität bei den Verhandlungen über die institutionellen Reformen der Europäischen Union werden.
* Das EU/USA-Fluggastdatenabkommen muss zurückgenommen werden.
* Die Richtlinie 2002/58/EG, die die Vorratsdatenspeicherung auf europäischer Ebene regelt, muss überprüft und gegebenenfalls wieder abgeschafft werden. Die Jungen Liberalen Niedersachsen lehnen zudem eine Umsetzung entsprechender Regelungen in nationales Recht ab und fordern die Abschaffung entsprechender Regelungen.
* Unter der Prämisse einer verbindlichen Datenschutzpolitik auf europäischer Ebene sind
Maßnahmen gegen organisierte Kriminalität und Wirtschaftskriminalität, wie etwa Menschen-
und Drogenhandel sowie Zwangsprostitution, zu intensivieren und auszudehnen.

5. Die FDP und die Bürgerrechte

Die Jungen Liberalen Niedersachsen wollen eine FDP, die die Rechtsstaatspartei in Deutschland und in Niedersachsen ist. Weder darf die FDP sich die Verteidigung der Bürgerrechte von den anderen Parteien streitig machen lassen, noch darf sich die FDP im Nachhinein durch das Bundesverfassungsgericht erklären lassen müssen, was ein liberaler Rechtsstaat ist, nachdem sie einem verfassungswidrigen Gesetz auf Druck des Koalitionspartners zugestimmt hat. Der Liberalismus als philosophische Richtschnur des Handelns der FDP verpflichtet die liberale Partei in Deutschland zur Verteidigung der Bürgerrechte gegenüber unüberlegten Begehrlichkeiten, Populismus und blindem „Law-and-Order“-Aktionismus.