Aus Fukushima lernen, aber Ruhe bewahren

Die Jungen Liberalen Niedersachsen sprechen ihr tiefstes Mitgefühl mit den in Japan von dem Erdbeben, dem folgenden Tsunami oder der Havarie des Kernkraftwerks Fukushima-Daiichi betroffenen Menschen aus.

Diese Katastrophe entfachte eine Diskussion über die Nutzung der Kernenergie in Deutschland und weltweit, und hat viele Ängste in der Bevölkerung verursacht. In einer solchen Situation ist es von enormer Bedeutung, ruhig und besonnen die Situation zu betrachten und aus den Erkenntnissen Schlussfolgerungen zu ziehen.

Moratorium und angeordnete Abschaltungen

Die Jungen Liberalen Niedersachsen kritisieren das durch die Bundesregierung auf juristisch zweifelhafter Weise verhängte Moratorium der in der 11. Atomgesetznovelle beschlossenen Laufzeitverlängerungen. Dieses beschränkt sich nicht nur auf verfassungsrechtliche Bedenken, dass eine Exekutive nicht eigenmächtig ein rechtskräftiges Gesetz außer Kraft setzen kann, sondern insbesondere auch auf die Tatsache, dass die den Reaktoren zugewiesenen Reststrommengen bei einer Überprüfung der Betriebssicherheit völlig gegenstandslos sind. Die Zeit, die ein Kernkraftwerk laufen dürfte, hat nichts damit zu tun, dass bei unzureichenden Sicherheitsmaßnahmen die Betriebserlaubnis unverzüglich durch die Aufsichtsbehörden entzogen werden müsste. Somit fehlt dem Moratorium sowohl eine juristische als auch eine logische Begründung.

Die angeordneten Abschaltungen der vor 1980 in Betrieb genommenen KKW unter Berufung auf § 19 (3) AtG ist ebenfalls haltlos. Es kann kein Gefahrenverdacht entstehen, wenn sich die Rahmenbedingungen nicht geändert haben. Unsicherheiten, die sich unter Einwirkung einer 14 Meter hohen Tsunami-Welle offenbaren, sind bei Berücksichtigung der deutschen Umweltbedingungen unbegründet. Besteht jedoch die Unsicherheit in der Gefahr von Hochwasserschäden, so kann das Alter der KKW keine Rolle spielen, sondern nur deren Hochwassergefährdung. Somit bleibt auch die Begründung der Abschaltungen fraglich, und das Handlungen der Bundesregierung sieht wie eine panische Kurzschlussreaktion und nicht nach verantwortungsvollem Reieren aus. Damit die geplanten Sicherheitsüberprüfungen nicht durch rechtliche Streitigkeiten belastet werden, fordern wir die Bundesregierung auf, schnellstmöglich juristisch einwandfreie Rahmenbedingungen für die angeordneten Abschaltungen zu schaffen. Eine Rücknahme der Laufzeitverlängerungen durch eine Novellierung des Atomgesetzes muss ebenfalls diskutiert werden. Dieses kann aber erst nach den Sicherheitsüberprüfungen und nur auf Grundlage wissenschaftlicher Ergebnisse erfolgen Die Jungen Liberalen Niedersachsen verurteilen darüber hinaus, dass die Laufzeitverlängerung ohne eine zusätzliche Sicherheitsüberprüfung vonstattengegangen ist.

Reaktorsicherheit

Die Julis Niedersachsen begrüßen den durch die Reaktor-Sicherheitskommission (RSK) ausgearbeiteten Anforderungskatalog1 für die Sicherheitsüberprüfungen der deutschen KKW, und stellen fest, dass dieser wissenschaftliche Prozess der Aufstellung von Kriterien und die darauf folgende Überprüfung auf deren Grundlage der einzig richtige Umgang mit den Risiken der Kernenergie ist. Aufgrund der hohen Frequenz von Abschaltungen von KKWs, die zuvor nicht eingeplant wurden, muss dieser Aspekt ebenso wissenschaftlich sicherheitsgebunden überprüft werden. In der emotionalen und polemisierten Diskussion über die Nutzung der Kernenergie kann politisch verantwortungsvolles Handeln nur darin bestehen, klare und wissenschaftlich fundierte Fakten zu schaffen. Ebenfalls ist anzumerken, dass der bisherige Zeitplan lediglich eine erste Stellungnahme bis zum 15. Mai seitens der RSK vorsieht. Die anlagenspezifische Sicherheitsüberprüfung der deutschen KKW darf keinesfalls unter Zeitdruck gesetzt werden. Daher halten es die Jungen Liberalen Niedersachsen für kontraproduktiv, bereits vor den Ergebnissen eine Debatte über den zukünftigen Betrieb der Kernkraftwerke zu führen. Sobald diese aber vorliegen, muss eine gesamtgesellschaftliche Diskussion stattfinden. Dabei fordern die Julis nicht nur eine gründliche Risikoanalyse, sondern insbesondere eine differenzierte Risikobewertung. Es ist unter keinerlei Umständen hinnehmbar, dass Kernkraftwerke, die den an sie gesetzten Sicherheitsansprüchen nicht gerecht werden, weiter betrieben werden. Im Umkehrschluss gilt für Reaktoren, die die Kriterien erfüllen, dass diese in einem gesellschaftlich akzeptierten Zeitrahmen zur Deckung des Strombedarfs beitragen sollen. Die Bewertungskriterien dürfen sich dabei ausschließlich an den möglichen Gefährdungen der Bevölkerung orientieren.

International

In Anbetracht der Tatsache, dass weltweit Kernkraftwerke betrieben werden, von denen eine Gefährdung für die Menschen in Deutschland ausgehen könnte, sehen wir die Notwendigkeit internationaler Rahmenbedingungen für die Nutzung der Kernenergie. Dabei sollen auch sicherheitspolitische Erwägungen, etwa zur Proliferation potentiell waffenfähiger Materialien, miteinbezogen werden. Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich in der Europäischen Union und weltweit für die Erarbeitung, Umsetzung und Einhaltung solcher Rahmenbedingungen zu engagieren. Der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) soll dabei eine Schlüsselrolle zukommen. Des Weiteren muss auch der Ausbau und Transport der erneuerbaren Energien international forciert werden. Hier ist deutlich mehr Kooperation nötig, um die bestmögliche Nutzung regionaler Potentiale im Hinblick auf einzelne Energieträger (z.B. Wasserkraft in Skandinavien oder Solarenergie in Nordafrika) zu erreichen. Dabei muss ein Weg gefunden werden, mit den Bürgerprotesten im Bezug auf Bauvorhaben von Stromtrassen oder Kraftwerken selbst umzugehen.

Forschung und Atommüll

Die Jungen Liberalen Niedersachsen sehen erheblichen und dringenden Bedarf in der Forschung zum Umgang mit den potentiell gefährlichen Restprodukten der nuklearen Energiegewinnung. Einen Ansatz könnten europäische und internationale Forschungsvorhaben zu Behandlungsmethoden durch Partitioning und Transmutationn liefern, womit die Problematik des Umgangs mit radioaktivem Abfall vereinfacht wird. Darüber hinaus besteht aber auch ein Bedarf in der Endlagerforschung. Diese darf sich nicht auf Endlagerung „unter Tage“ in ehemaligen Bergwerken oder bestimmte Gesteinssorten beschränken, sondern muss explizit auch die Lagerung „über Tage“ prüfen. Gleichermaßen kann die Forschung nicht auf geologischen Untersuchungen beschränkt bleiben, und muss insbesondere auch die Materialwissenschaften hinsichtlich der Aufbewahrungsbehälter mit einschließen. Hierbei sind alle Beteiligten in Politik und Wissenschaft aufgefordert, ihren Beitrag zur schnellstmöglichen Lösung der Endlagerproblematik zu leisten. Darüber hinaus wird die Bundesregierung aufgefordert, in dieser Thematik einen Forschungsschwerpunkt zu setzen. Unter anderem soll die Arbeit der Entsorgungskommission (ESK) intensiviert, und ein detaillierter und wissenschaftlich fundierter Kriterienkatalog zur Eignung von Endlagern erarbeitet und umgesetzt werden. Dabei ist vor allem auf die Rückholbarkeit zu achten. Kurzfristig lässt sich die Situation mehrerer vom Netz getrennter Großversorger für Beobachtungen des Strombedarfs und der sogenannten „Stromlücke“ nutzen. Ebenfalls sollen Untersuchungen zur Netzstabilität durchgeführt werden, da die dabei gewonnenen Erkenntnisse grundlegend für den geplanten und notwendigen Netzausbau sind. Der Übergang zu einer vollständig regenerativen Energieversorgung hängt stark von der Eignung des Stromnetzes ab, sodass hier weitere Forschungsbemühungen erforderlich sind.

Zukunft

Die Zukunft der Energieversorgung liegt in regenerativen Energien. Die Jungen Liberalen Niedersachsen fordern einen schnellstmöglichen Ausstieg aus der Kernenergie. Gleichzeitig muss die Versorgungssicherheit gewährleistet werden. Deshalb ist der Ausbau erneuerbarer Energien zu forcieren, in dem der notwendige Innovations- und Investitionsdruck geschaffen wird. Der Übergang zu regenerativen Energien bedarf eines intelligenten und detaillierten Gesamtkonzeptes, welches alle Möglichkeiten der Strom- und Wärmeerzeugung beinhalten und bei dessen Erarbeitung man sich vom Denken in klassischen Versorgungsstrukturen lösen muss. Es muss akzeptiert werden, dass es keine Patentlösungen und keine einfachen Antworten auf derart komplexe Fragen wie die der Energieversorgung der Zukunft gibt. Die Jungen Liberalen Niedersachsen fordern zur weiteren Unterstützung auf dem Weg zur vermehrten Nutzung der erneuerbaren Energien, den Vorrang der Einspeisung von erneuerbaren Energien beizubehalten und die universitäre Forschung stärker zu fördern.

Gleichzeitig sehen die Jungen Liberalen Niedersachsen große wirtschaftliche Chancen für Niedersachsen und Deutschland durch den Umbau der Energiegewinnung. Viele hochqualifizierte niedersächsische Unternehmen in den Schlüsselindustrien, insbesondere der Energiegewinnung durch Biomasse, Windenergie und Erdgas, bilden schon heute einen großen Markt, der Arbeitsplätze schafft und künftig an Bedeutung gewinnen wird.