Strategiepapier zur Erneuerung der FDP

Projekt 2022 – Eine neue FDP für ein neues Niedersachsen.

Beschlossen durch den 74. Landeskongress am 04. November 2017

Das Ergebnis der Freien Demokraten bei der niedersächsischen Landtagswahl vom 15. Oktober 2017 ist für uns Junge Liberale enttäuschend. Von der desaströsen Bilanz der rotgrünen Landesregierung, geprägt von unübertroffenem Unterrichtsausfall, einem ideologisch geführten Landwirtschaftsministerium, einer ideenlosen Wirtschaftspolitik, sowie immer neuen Skandalen und Affären, konnten die Freien Demokraten nicht profitieren. Statt eine Wechselstimmung zu erzeugen und sich mit innovativen Vorschlägen zur Gestaltung der Zukunft als kreative Alternative für unser Land zu präsentieren, hat die FDP in fünf Jahren rund ein Viertel ihrer Stimmen verloren und ihr schlechtestes Ergebnis seit 20 Jahren eingefahren. Dieses Wahlergebnis muss deshalb für die FDP Niedersachsen grundlegende strategische, personelle, organisatorische und inhaltliche Veränderungen zur Folge haben.

Aufgrund des Ausschlusses einer Ampelkoalition durch die Freien Demokraten wird die nächste Landesregierung voraussichtlich von einer großen Koalition aus SPD und CDU getragen werden. Freidemokratische Ideen für einen mutigen Blick in die Zukunft werden nicht in Regierungsverantwortung verwirklicht werden können. Auch werden wir es ohne substanzielle Veränderungen in der Öffentlichkeitsarbeit zwischen einer linken Opposition von den Grünen und einer AfD am rechten Rand schwer haben, unseren Positionen in Niedersachsen Gehör zu verschaffen. In dieser schwierigen Ausgangslage wollen wir Junge Liberale nicht nur das Programm, sondern auch die Freien Demokraten als Partei in die Zukunft bringen. Statt Lagerwahlkampf, hierarchischer Entscheidungsfindung und Fokussierung auf vermeintliche Klientel wollen wir die FDP zur Mitmachpartei machen, die sich mit einer modernen Agenda an alle Menschen in Niedersachsen richtet. Der Erneuerungsprozess des Bundesverbandes der Freien Demokraten muss endlich auch in Niedersachsen ankommen.

A. Wahlkämpfe sind keine Grabenkämpfe!

Die Freien Demokraten sind weder der Arbeitskreis Freiheit der Union noch eine Klientelpartei. Vielmehr muss die FDP den Anspruch haben, unabhängig und eigenständig für alle fortschrittlichen Menschen in Niedersachsen zu sprechen.

Wir Junge Liberale beobachten deshalb:

  • Der Ausschluss einer Ampelkoalition durch die FDP vor der Wahl war ein Fehler. Freie Demokraten kämpfen nicht für Koalitionen, sondern für freidemokratische Projekte. Wenn immer mehr Parteien in den Parlamenten vertreten sind, werden Zweierkoalitionen immer unwahrscheinlicher. Wir müssen daher flexibel zur Zusammenarbeit mit allen demokratischen Parteien bereit sein. Entscheidend ist nicht, ob wir uns eine Zusammenarbeit vor der Wahl vorstellen können, sondern ob wir in Verhandlungen unsere Vorstellungen durchsetzen können. Deswegen soll künftig ausschließlich der Landesparteitag Koalitionsaussagen treffen dürfen. Wir setzen uns dabei dafür ein, die Zusammenarbeit mit keiner demokratischen Partei auszuschließen.
  • Die besten Ergebnisse haben die Freien Demokraten in der Gruppe der Jung-und Erstwähler erreicht. Dieser Jung- und Erstwählergruppe sind wir nun aber auch im Parlament besonders verpflichtet. Statt über eine Vernachlässigung älterer Wählergruppen zu klagen, muss die Partei die junge Generation gezielt in den Blick
    nehmen. Denn die Jung- und Erstwähler von heute werden noch sehr häufig die Gelegenheit haben, Freie Demokraten zu wählen. Das ist eine Herausforderung nicht nur für die Programmgestaltung, sondern auch für das öffentliche Auftreten der Partei. Auch muss die FDP weiterhin darum bemüht sein, alle Altersgruppen in Vorständen und Fraktionen zu repräsentieren. Die JungenLiberalen werden die Arbeit der neuen Landtagsfraktion kritisch, konstruktiv und vor allem mit der notwendigen Innovationskraft begleiten. Wir erheben ferner den Anspruch, in der kommenden Legislaturperiode wieder gesichert mit mindestens einem Abgeordneten im Landtag vertreten zu sein.
  • Der Social-Media-Wahlkampf der Freien Demokraten war mangelhaft. Facebook, Twitter und Instagram sind längst keine Nebenschauplätze mehr, sondern ein zentraler Wahlkampfbaustein einer modernen Partei. Die Followerbasisder FDP Niedersachsen wurde zu spät aufgebaut, unsere Inhalte nicht zielgruppengerecht adressiert und unprofessionell beworben. Dabei kommt es nicht nur auf die Höhe des Social-Media-Budgets an, sondern vor allem auf die Qualität der Beiträge. Auch die Kampagnenentscheidungen der FDP müssen bei kommenden Wahlkämpfen von einem deutlich größeren Kreis von Entscheidern – zumindest aber vom FDP-Landesvorstand – getroffen werden.
  • Um bei kommenden Wahlkämpfen in Niedersachsen und darüber hinaus den veränderten Anforderungen an eine moderne Wahlkampfführung gerecht zu werden, muss der Professionalisierungsgrad in Partei und Fraktion stark verbessert werden. Hierzu braucht es in der Landesgeschäftsstelle der FDP Niedersachsen und in der Landtagsfraktion eine Veränderung in der Mitarbeiterstruktur. Es muss ein neuer Fokus auf die Herstellung von landespolitischer Öffentlichkeit auch abseits von Wahlkämpfen gelegt werden. Ferner müssen die Veranstaltungen von Partei und Fraktion professionell organisiert und medial begleitet werden. Und schließlich müssen die 19 hauptberuflichen Abgeordneten der Freien Demokraten im Land, Bund und Europaparlament für einen modernen Auftritt fortwährend geschult werden.
  • Das Agenda-Setting des FDP-Landesverbandes und der FDP-Landtagsfraktion müssen neu justiert werden. Unsere Agenda muss eigenständig sein und sowohl urbane als auch ländliche Fragen zusammenführen, um Antworten für alle Menschen in Niedersachsen zu liefern. Die FDP sollte sich auf ihre Zukunftsthemen Bildung, Digitalisierung und eine innovative Wirtschaft konzentrieren.

B. Demokratische Verantwortung übernehmen!

Die niedersächsische Landespolitik steht vor einer schwierigen Regierungsbildung, bei der erbitterte Wahlkampf-Gegner zu einem gemeinsamen Regierungsprogramm zusammenfinden müssen.

Für uns Junge Liberale ist klar:

  • Keine Verweigerung der demokratischen Verantwortung für denn Fall des Scheiterns der Koalitionsverhandlungen der SPD und CDU in Niedersachsen. Als Junge Liberale haben wir beim vergangenen Landesparteitag einen Antrag eingebracht, der alle Koalitionsaussagen ausschließen wollte. Dieser Antrag wurde weder beim Landesparteitag, noch bei der folgenden Sitzung des Landesvorstandes beraten. Als Weiterführung des falschen Auschlusses war es zunächst konsequent auch nach der Wahl eine Ampel-Koalition in Frage zu stellen.Für den Fall, dass es zu keiner Koalition aus SPD und CDU kommt müssen die Freien Demokraten sich auf die demokratischen Sitten zurück besinnen und in ernsthafte Sondierungen mit SPD und Grünen eintreten. Es versteht sich dabei von selbst, dass dies dann nur bei Trendwenden der abgewählten Koalition zu einer Regierungsbeteiligung der Freien Demokraten in Niedersachsen führen kann.
  • Keine Koalition aus Wahlverlierern! Nicht nur die FDP, auch die CDU und die Grünen haben im Vergleich zur Landtagswahl 2013 Stimmen verloren. Eine Jamaika-Koalition gegen den klaren Wahlsieger SPD zu bilden, widerspricht unserem demokratischen Verständnis und kann keine Option für Niedersachsen sein.

Um aus dem Korsett dieser wenigen Möglichkeiten hinauszukommen, muss die Arbeit von Fraktion und Partei der Freien Demokraten in den nächsten fünf Jahren stärker auf den demokratischen Austausch mit allen politischen Akteuren fokussiert sein. Die Jungen Liberalen werden deshalb CDU, SPD und den Grünen sowie der Jungen Union, den Jusos und der Grünen Jugend fortwährende Gesprächsangebote unterbreiten.

Wir Junge Liberale fordern:

  • Der Ton der demokratischen Debatte muss besser und der Umgang der politischen Parteien fairer werden. Alle Parteien, auch die Freien Demokraten, sollten deshalb ihre Wortwahl und den Umgang miteinander zukünftig kritischer hinterfragen.
  • Die Freie Demokraten müssen neue Gesprächsfäden jenseits der Union knüpfen. Damit inhaltliche und politische Differenzen in Sondierungsgesprächen nicht zu unüberwindbaren Hindernissen werden, müssen wir schon jetzt damit beginnen, neue Kanäle zu öffnen, inhaltliche Gemeinsamkeiten zu finden und einen fairen Umgang zu schaffen. Der AfD darf keine Gelegenheit gegeben werden, sich als Opfer des politischen Establishments darzustellen. Statt Ausgrenzung und Pauschalisierung erwarten wir eine Auseinandersetzung, die die Polemik der AfD mit Argumenten auseinandernimmt und menschenfeindliches Verhalten klar benennt.

C. Nur wer sich selbst stets erneuert, kann auch unser Land erneuern!

Die Freien Demokraten können nur glaubhaft Politik für die ganze Gesellschaft machen, wenn sie in Mitgliederschaft und in ihren Gremien auch die ganze Gesellschaft vertritt. Das funktioniert nur, wenn die Partei offener und diverser wird.

Wir Jungen Liberale meinen:

  • Entscheidungen innerhalb der Partei müssen partizipativer sein. In Zukunft wollen wir, dass Entscheidungen über Sachfragen in digitalen Mitgliederbefragungen getroffen werden können. Sofern sich das Verfahren bewährt, wollen wir es schon jetzt festschreiben als Instanz für die Annahme oder Ablehnung zukünftiger Koalitionsverträge. Ferner müssen die Mitglieder der Freien Demokraten Niedersachsen bei der Erstellung von Wahlprogrammen besser und frühzeitiger beteiligt werden. So können beispielsweise vorab Versionen des Wahlprogramms über das Online-Portal „Meine Freiheit“ zur Verfügung gestellt werden, um frühzeitig eine Diskussion über konkrete Inhalte zu ermöglichen.
  • Die Freien Demokraten müssen weiblicher werden. Wir können nicht damit zufrieden sein, dass Frauen in unserer Mitgliederstruktur, unseren Gremien und unseren Fraktionen so stark unterrepräsentiert sind. Der FDP-Landesvorstand muss ernsthafte Maßnahmen erarbeiten, wie der Anteil weiblicher Mitglieder verbessert werden kann und regelmäßig verbindlich den Erfolg dieser Maßnahmen evaluieren. Gelingt den Freien Demokraten hier keine Besserung, werden wir unsere Glaubwürdigkeit als Anwälte für Gleichberechtigung und gegen Diskriminierung verlieren.
  • Die Freien Demokraten müssen junge Menschen stärker respektieren. Die meisten Mitglieder der Jungen Liberalen engagieren sich neben Schule, Ausbildung, Studium oder dem ersten Job ehrenamtlich bei den JuLis und den Freien Demokraten. Sie tun dies mit voller Überzeugung und mit neuen inhaltlichen Ideen, mit innovativen Veranstaltungsformaten und mit neuen Wegen der digitalen Kommunikation. Junge Menschen sind die Zukunft der Freien Demokraten. Wir wünschen uns deshalb eine verstärkte Repräsentation von jungen Ideen und jungen Köpfen in Partei, Fraktion und Mitarbeiterschaft sowie ein Klima, in dem es für junge Menschen attraktiv ist, sich in seiner Freizeit politisch in der FDP zu engagieren.

Anstatt langer Vergangenheitsbewältigung werden wir ab sofort für das Projekt 2022 streiten. Wir wollen mit einer erneuerten FDP in die kommenden Wahlkämpfe in
Niedersachsen gehen. Dabei erkennen wir, dass auch wir Junge Liberale an unseren eigenen Strukturen, unserem eigenen Auftreten und unserer eigenen Agenda immer weiter arbeiten müssen. Denn nur wer sich selbst erneuert, kann auch Niedersachsen erneuern. Und dabei werden die Jungen Liberalen die Freien Demokraten mit aller Kraft begleiten.